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Liebe Frau Bukowsky, liebe Frau Traub, ich bin derzeit mit meinem ersten Kind in der 40. SSW und es gibt ein paar Dinge und Gedanken, zu denen ich gern mal einen professionellen Blick von außen, gern auch einen Rat, hätte, wie ich mich in Situationen, die nicht ganz einfach sind oder mich gar grämen, verhalten könnte. Ich habe mich 2021 von meinem Ex-Mann getrennt, nach 3 Jahren Dating und Single-Dasein habe ich Anfang 2024 beschlossen, dass ich mithilfe einer Kinderwunschbehandlung in einer Klinik bei mir in der Nähe Mutter werden möchte. Wenige Wochen vor der ersten Behandlung habe ich dann meinen jetzigen Partner kennengelernt. Nach nur wenigen, sehr schönen Dates habe ich, weil ich gern mit offenen Karten spiele und gespürt habe, dass mir dieser Mann sehr wichtig ist, habe ich ihm, in der Hoffnung, dass er nicht Reißaus nimmt, erzählt, in welcher Phase meines Lebens er mich kennenlernt. Ich habe deutlich gemacht, dass von meinem Wunsch, bald Mutter zu werden (ich war damals immerhin „schon“ 33) nicht mehr abweichen werde. Er blieb, und es dauerte nicht lange, da sagte er mir, dass wenn ich schwanger würde, er gern der Vater wäre. Eigentlich wollte er uns noch ein wenig länger Zeit geben und weiter gucken, wie gut wir zusammenpassen (zumindest bis Anfang 2025), was ich gut verstand und voll und ganz respektierte. Aus Gründen, die ich bis heute nicht richtig nachvollziehen kann, haben wir dann aber bereits sehr zügig nicht mehr verhütet und ich wurde bereits im ersten Übungszyklus schwanger. Ich denke, dass er hier einerseits mir und meinem Herzenswunsch nach einem Kind entgegenkommen, aber auch verhindern wollte, dass ich von einem anonymen Samenspender schwanger werden. Die Schwangerschaft war bisher begleitet von Freude und mein Partner hat mich stets liebevoll unterstützt, aber auch mitunter gemischten Gefühlen beiderseits, weil uns natürlich bewusst ist, dass wir einen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen haben und und nicht so gut kennen, wie manch anderes Paar, das ein Kind erwartet. Aber wir lieben uns und grundsätzlich denke ich, dass wir auch mit dieser ungewöhnlichen Situation werden umgehen können, wenn wir mit ihren Herausforderungen nur richtig umgehen lernen. Als herausfordernd empfinde ich derzeit insbesondere den Umstand, dass mein Partner bereits zwei Kinder hat (Jungs, 7 und 11), die seit drei Jahren im wöchentlichen Wechsel-Modell bei ihm und seiner Ex-Frau leben. Ich verstehe mich gut mit ihnen, in meinen Augen hätten wir das letzte Jahr – ganz unabhängig von einer Schwangerschaft – besser nutzen können, um uns kennen zu lernen, sprich mehr Zeit miteinander verbringen können. Dabei ist mir allerdings bewusst, dass ich und mein gut gefüllter Terminkalender hierfür genauso verantwortlich sind wie mein Partner und sein Terminkalender. Den Umstand, dass sie ein Geschwisterchen bekommen, haben die zwei, wenngleich nicht mit Begeisterung, zu unserer Erleichterung aber sehr gut aufgenommen. Mit seinen Kindern wohnt mein Partner in einer Wohnung, rd. 20 Autominuten von mir entfernt. Ich selbst miete ein im Familienbesitz befindliches Haus, das genügend Platz für fünf Menschen bietet. Langfristig wollen wir hier zusammen wohnen, haben aber, insbesondere um die Kinder meines Partners nicht zu überfordern, beschlossen, dass wir hier nichts über's Knie brechen und uns für einen langsamen, fließenden Übergang entschieden. Wie genau der aussehen soll, wissen wir nicht, planen aber gerade, wie wir den beiden an meinem Wohnsitz schöne Kinderzimmer einrichten können, damit sie eigene Rückzugsorte haben. Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Prozess des Zusammenziehens noch etwa ein Jahr dauern wird. Für mich, die lange davon ausging, ein Kind ohnehin allein großzuziehen, ist das in Ordnung, ich sehe ein, dass es wahrscheinlich vernünftig so ist. Schöner fänd' ich natürlich eine schnellere Umsetzung unserer Pläne. Was mich aktuell grämt, mitunter sogar ärgert, ist der Umstand, dass mein Partner in meinen Augen – und hier benötige ich bitte dringend einen objektiveren Blick - zu wenig dafür tut, dass wir eine Chance haben, als Patchworkfamilie zusammenzufinden. Ich möchte den weiteren Ausführungen voranstellen, dass ich unendlich dankbar bin, dass er dieses Wagnis mit mir eingegangen ist, an meiner Seite bleibt und versucht, alles, was da so auf uns zukommt, unter einen Hut zu bekommen. Er ist ein kluger, reflektierter, warmherziger Mensch, der immer versucht, es allen recht zu machen und Kompromisse zu finden. Das führt allerdings auch dazu, dass unangenehme Situationen, die mit Reibung verbunden sind, eher gemieden werden. Ein Beispiel, das mich jetzt gerade sehr beschäftigt und auch dazu geführt hat, dass ich diesen Eintrag schreibe: Seit seiner Trennung ist es so, dass sein jüngerer Sohn, wenn die Kinder bei ihm sind, mit im väterlichen Bett schläft. Da dies im Wohnzimmer steht (die Wohnung ist klein), zieht sich mein Partner dann ins Kinderzimmer zurück, falls er noch nicht schlafen will. Möchte ich ihn abends besuchen, bleibt uns nur, in der Küche oder im Kinderzimmer zu sitzen, an eine Übernachtung meinerseits vor Ort ist im Prinzip nicht zu denken. Anders herum ist es genau so: Bei mir wäre ausreichend Platz, gemeinsam zu übernachten und am nächsten Tag gemeinsam zu starten. Auch das haben wir bisher allerdings nur zwei mal gemacht, wobei das zweite Mal sehr unglücklich verlief, da mein Partner im Prinzip die ganze Zeit am Bett seines jüngeren Sohnes wachen musste und am Folgetag entschieden hat, noch vor einem gemeinsamen Frühstück die Zelte abzubrechen. Grundsätzlich steht eigentlich nie zur Debatte, dass mein Partner und seine Söhne mal bei mir bleiben, wenn sie mich nachmittags / abends besuchen. Auch Spielzeug wird kaum mitgebracht, sodass sie sich mal länger beschäftigen und wir – mein Partner und ich – etwas Zeit (und sei es auf ein Getränk!) in Ruhe miteinander verbringen könnten. Sind also die Kinder bei ihrem Papa, haben wir keine echte Chance, Paar zu sein. Mich macht das traurig und ich will nicht glauben, dass das so sein muss. Da ich niemanden unter Druck setzen möchte und natürlich auch weiß, dass es nicht einfach ist, Paar-Zeit freizuschaufeln, wenn verhältnismäßig kleine Kinder da sind, habe ich mich bisher sehr mit Kommentaren zurückgehalten. Verbringen wir Zeit zu zweit, weil die Kinder bei der leiblichen Mutter sind, ist diese Zeit sehr schön. Gestern aber habe ich meinen Partner darauf angesprochen, was der Grund dafür sei, dass er mit seinem Jüngsten noch immer nicht wirklich geübt habe, dass dieser im eigenen Bett durchschläft. Im Ergebnis, so die Antwort, sei es wohl v.a. Bequemlichkeit, also wenig Lust, hier Kämpfe auszufechten. Außerdem habe bisher ja keine echte Not bestanden, etwas zu ändern. Er wolle die Situation nun aber ernsthaft angehen. Etwas anderes („kalte Füße“, Wahrung der eigenen Freiheit / Unabhängigkeit durch die eigene Wohnung) stecke nicht dahinter, ich solle mir keine Sorgen machen. Je länger ich darüber nachdenke, umso mehr ärgere ich mich über diese Antwort. Selbst wenn nicht in wenigen Tagen unser gemeinsames Kind käme, wäre es doch eigentlich schon lange wichtig gewesen, sich darum zu kümmern, dass auch für mich im wahrsten Sinne des Wortes ganz selbstverständlich Platz in seiner Familie ist. Oder? Jetzt habe ich ziemlich viel geschrieben, ich hoffe, das ist alles nicht zu unstrukturiert. Es sind so viele Aspekte, die mich derzeit beschäftigen und ich weiß nicht, wie ich diesen diffusen Groll / diese diffusen Sorgen vor der Geburt ablegen soll geschweige denn, wie wir nach der Geburt mit diesen Dingen umgehen sollen. Können Sie mir Bitte ein wenig beim Ordnen helfen und ein paar Ideen an die Hand geben, was ich tun kann? Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Hilfe! Carina