Liebe Frau Ubbens, mein Sohn (5,10 Jahre alt) war schon immer ein sehr aktives, fröhliches, mutiges, sensibles, aber euch willenstarkes Kind. Nach einer traumatischen Geburt hatte ich sein erstes Lebensjahr mit leichten Depressionen zu kämpfen. In dieser Zeit hatte ich stets das Gefühl, ein anstrengendes Kind zu haben, das schwer zufriedenzustellen ist (Einschlafen nur auf dem Arm, nie länger als 30 Minuten geschlafen, ständiges Einfordern von Aufmerksamkeit...) aufgrund meiner seelischen Verfassung (ich fühlte mich oft schlecht und hilflos als Mutter) und seinem temperamentvollen Charakter hatten wir immer wieder Phasen, in denen ich wegen Überforderung die Kontrolle verlor, ihn anschrie, manchmal grob mit ihm umging oder ihn auch feste packte, wenn er viel schrie und sich nicht beruhigen ließ. Spätestens nach der Geburt meiner Tochter (3 J.) und der innigen Beziehung zu ihr, weiß ich, dass in der Beziehung zu meinem Sohn einiges schief gelaufen ist. Die Bindung zu ihr ist eine unglaublich positive und bedingungslose Liebe und Fürsorge, während sie zu meinem Sohn angespannt ist. Er fing auch sehr spät mit dem Sprechen an (2,5 Jahre), spricht nun aber perfekt und viel. Wegen seiner sprachlichen Entwicklung und wahrscheinlich der teils angespannten Beziehung zwischen ihm und mir, hat er jahrelang bis er ca. 4 wurde, ziemlich schnell zugehauen (auch andere Kinder) und bekommt oft Wutanfälle, wenn es nicht nach ihm geht oder etwas nicht klappt. Insgesamt hat er eher eine geringe Frustrationstoleranz. Nun hat vor 2 Wochen seine Bezugserzieherin in einem langen Entwicklungsgespräch davon gesprochen, dass er zwar nicht mehr so oft in Konflikte mit den anderen Kindern gerät wie früher, ABER : 1. Es fehle ihm an Empathie, er könne sich nicht so gut in die Lage der Kinder versetzen, mit denen er sich anlegt und sei dabei oft rücksichtslos und es falle ihm schwer, auf Kompromisse einzugehen. 2. Ihm fehle es an dem körperlichen Feingefühl, wenn zum Beispiel ein Spiel mit Abklatschen gespielt wird, könne er seine Stärke nicht vernünftig einsetzen, sodass manche Kinder bei seinem Abklatschen wegfliegen und dann weinen würden. 3. Er interpretiere oft das versehentliche Anschubsen (z.b. beim Anziehen) oder wenn eines der Kinder ausversehen sein Legogebautes kaputt macht als pure Absicht und wehrt sich daraufhin zu heftig, in dem er dann voll zurückschubst, das Kind anschreit oder seine Sachen auch kaputt macht. Deshalb und weil ich in dem Gespräch auch sagte, er sei auch zu Hause momentan sehr emotional und würde mich manchmal hauen, wenn er frustriert ist, empfahl die Erzieherin, einen Kinderpsychologen. Dies hat mich sehr betroffen gestimmt, ich war tagelang außer mir, weil ich seit Jahren weiß, was bei uns alles schiefgelaufen ist und mein Bestes gebe, die Bindung zu meinem Sohn zu stärken: ich lobe ihn viel, wir kochen und backen viel, gemeinsames Einschlafen, wir spielen und basteln viel zusammen und dann das!? Zuerst habe ich den Vorschlag von der Erzieherin total abgewehrt, weil ich der Meinung bin, dass sich früher oder später fast alles verwächst und sooooo auffällig kommt er mir nicht vor. Er hat seit Jahren einen besten Freund, wenn wir im Freibad oder auf dem Spielplatz unterwegs sind, hat er meistens andere Kinder um sich (manchmal ist er ihnen allerdings zu wild und dann hat er nie Probleme, alleine zu spielen). Ich hoffe, dass Sie ein gutes Bild von unserer Situation bekommen haben und mich darin bestärken, nicht den Rat der Erzieherin zu befolgen?? Ganz ehrlich bin ich es eher, die vielleicht professionelle Hilfe bräuchte, zumindest vor 4 Jahren. Das Geschehen kann man nicht rückgängig machen und ich kämpfe täglich mit Schuldgefühlen, eine überforderte und nicht emphatisch Mutter für meinen Sohn in seinen ersten Lebensjahren gewesen zu sein:(. Gestern geschah etwas, dass mich wieder an den Kinderpsychologen denken ließ: Weil er sich morgens nach mehrmaligen Bitten, sich anzuziehen, nicht anzog, sagte ich zu ihm, dass ich vor Wut platzen könnte. Daraufhin sagte er zu mir, dass er mich umbringen könnte vor Wut!! Ich war so entsetzt, dass ich erstmal ins Bad flüchten musste. Mein Mann sprach mit ihm dann ernsthaft, zu dem hat er ein viele engere Bindung als zu mir. Ob er überhaupt wisse, was umbringen bedeute, dass er dann keine Mama mehr hätte usw. Daraufhin sagte er zu meinem Mann: Er wolle keine eh Mama mehr, weil die viel zu streng sei und ihm keinen 2. Nachtisch erlaube (da ist banal und kindlich, ich weiß). Aber seitdem frage ich mich nun immer wieder zum gefühlt 1000sten mal in den letzten Jahren: was stimmt bei uns nicht? Er fühlt sich insgesamt von mir nicht richtig angenommen, weil ich ihn wirklich oft zurechtweisen muss. Ich kann aber nicht anders, wenn er einfach nicht reagiert, wenn ich mit ihm rede, er immer wieder seine Schwester ärgert, gemein zu ihr oder seinen Freunden wird. Ja, ich sehe an ihm mehr negatives als Positives, aber ich gebe mir wirklich mein Bestes, ihn zu stärken. Ich danke Ihnen fürs Lesen und freue mich über eine Antwort, Lena
von Lenamaus am 03.02.2020, 10:38