Fannitastisch
Hallo, ich wende mich an Sie, weil ich meine Tochter nicht mehr wieder erkenne. Sie ist sechs Jahre und musste leider eine sehr schwere Zeit erleben. Ihr Papa und ich haben vor vier Jahren ein Haus gebaut, worauf sie sehr stolz war. Vor zwei Jahren haben wir uns getrennt. Sie hatte große Probleme zu akzeptieren, dass sie nun nicht mehr Mama und Papa unter einem Dach hatte; sie vermisste ständig den jeweils anderen. Vor 1 1/2 Jahren lernte ich meinen Partner kennen, der Moment wo man spürte, dass es ihr besser geht. Sie hat ihn sehr lieb und ihn vor einigen Monaten sogar unbedingt Papa nennen wollte. Wir waren uns jedoch von Anfang an einig, dass wir das nie wollen und dann kam sie plötzlich mit der Frage ob sie ihn Papa nennen darf. Wir klärten es mit ihrem echten Papa ab und gaben ihr zu verstehen, dass wir glücklich darüber sind, dass sie ihn mit solchen Augen sieht. Doch sie brachte es nicht wirklich fertig ihn dann auch so zu nennen. Man merkte ihr sofort an, dass sie nach dem ersten Mal "Papa" tüchtig in ihrer Gefühlswelt zerrissen war. Wir nahmen ihr den Druck und sagten, dass es vollkommen okay ist, wenn sie ihn weiter bei seinem Namen nennt und redeten sehr oft über das Thema. Ihr Papa hat zwischenzeitlich auch eine neue Freundin, die sie auch sofort ins Herz geschlossen hat. Ich weiß wie zerrissen die Maus durch die gravierende Lebensumstellung ist, auch wenn wir ihr es versucht haben so erträglich wie nur möglich zu gestalten indem wir uns alle sehr gut verstehen und in dem Sinne eine tolle Patchworkfamilie sind ohne diese Desaster der meisten üblichen Trennungen. Als sich meine Eltern trennten war ich erleichtert, denn mein Vater war ein Idiot. Aber sie leidet(e) darunter. Heute meint man anzunehmen, dass das überstanden ist, da sie nicht mehr so traurig ist und eben nicht mehr den anderen vermisst. Wir haben ihr klar gezeigt, dass sie nun zwei Zuhause hat und wir alle sie über alles lieben. Sie wirkt dieses Thema betreffen sehr entspannt. Viele gaben uns seinerzeit Mut, wir müssen ihr Zeit geben, andere wiederum sagten man müsse mir ihr zur Therapie weil sie diese Verlustängste hat. Andere wiederum meinen - wie auch wir - dass früher auch keiner zur Therapie gegangen ist und man das als Familie auch schaffen kann. Gerade weil bei uns ein liebevolles Miteinander unter strenger Beobachtung der Einhaltung der Grenzen das A und O ist. Doch nun nehmen ihre Phasen immer mehr Größe an, wo sie ihre Grenzen teilweise sehr hart austestet. Sie bummelt, sie will das letzte Wort haben, ständig das "aber..", sie ist sehr bockig und dickköpfig. Alles in allem wie ich es selbst als Kind war, deswegen erlebt sie bei uns einfaches Zurechtweisen sobald sie die Grenzen überschreitet. Die Tage meinte sie zB ihrem Papa gegenüber, dass sie sich wahnsinnig darauf freut mit ihrer Freundin und mir shoppen zu gehen, da ihr Kleiderschrank plötzlich leer war (Wachstumsschub der Extraklasse). Am besagten nächsten Tag hole ich sie und ihre Freundin vom Kiga ab. Sie sieht mich, dreht sich abgenervt blickend wieder um und ignoriert mich vollkommen. Als ich sie fragte ob sie mich denn nícht mal höflich begrüßen möchte so wie es sich gehört, meinte sie sie will nicht shoppen gehen, sie will auf den Spielplatz, ihre Freundin würde nämlich nur nerven und dann auch noch was gekauft haben wollen. Ich sagte ihr klar der Plan steht, wir müssen einkaufen gehen und danach wird es zu spät für den Spielplatz sein. Daraufhin fragte sie in einem sehr abwertenden Ton, was wir denn dann zuhause machen. Es war unmissverständnis, dass sie sehr abwertend über ihr Zuhause dachte und auf keinen Fall in dieses "Loch" will. Dabei haben wir ein sehr schönes Zuhause und sie hat ein wunderschönes Kinderzimmer mit eigenem Bad. Wir fuhren also los und da sich ihr Bock zuspitzte sagte ich, dass ich vor hatte mit beiden noch ein Eis essen zu gehen, aber wenn sie weiter so drauf ist, gehe ich mit ihrer Freundin allein, denn sie wäre die Einzigste die traurig sein könnte, denn sie muss zugucken wie meine Maus haufen Sachen bekommt und eben ihre Freundin gar nichts. Die Situation spitzte sich weiter gravierend zu, sodass ich unterm Strich mit ihrer Freundin ein Eis in der Hand hilt und sie weinend zwei Meter von uns weg stand und weiter bockte. So handhabe ich es seit dem sie in meinem Leben ist. Ein Mal als sie irgendwo zwischen zwei und drei Jahren war, wollte sie auch sehr heftig ihren Bock durchsetzen und weinte bitterlich, meckerte und strampelte, stampfte auf etc. - das volle Programm. Ich sagte ihr bestimmt, dass es das was sie wollte nicht gibt und Punkt, reichte ihr meine Hand und lief mit ihr weiter. Keine Minute später Diskussion und wieder dieses Ausarten. Ich ließ sie los, beobachtete sie und als sie fertig war, schrie ich durch die Gegend, wetterte, fluchte und stampfte mit den Füßen. Sie guckte mich an als hätte ich zehn Augen und war offensichtlich über das Benehmen ihrer Mama schockiert. Ich sagte nur, dass das eben nicht gerade toll aussieht, wenn man sich so benimmt und seit dem passierte das nie wieder. Wir führen seit der Trennung ein Abendritual durch, indem wir ihr für den Tag ein glückliches, neutrales oder böses Smilie geben und sich bei einer gewissen Anzahl von guten Smilies in Folge einen zuvor ausgemachten Wunsch erfüllt bekommt. Letzten Abend - nachdem sie sich nach meiner Einschätzung erkundigte und sie leider böse ausfiel - erkundigte sie sich bei meinem Partner nach dessen Einschätzung und auch er gab ihr einen bösen Smilie. Die Begründung nervte sie sichtlich extrem ab und so gähnte sie provokant und schaute mich zornig und abgenervt an. Hinzu kommt dass sie völlig in Panik verfällt und Angst hat, dass sie jemals ein Geschwisterchen bekommt. Alles in allem für uns als Team bislang handelbar gewesen. Wir wiesen sie in ihre Schranken und zeigten ihr immer klar ihre Grenzen. Dann ging es wieder eine Zeit lang bis zur nächsten Phase. Nur das was heute morgen passierte brachte mich an den Rand meiner emotionalen Grenzen. Ich erkenne meine Maus nicht mehr wieder und habe sofort eine Krisensitzung der gesamten Familie einberufen. Denn heute morgen geschah das: Sie kam ganz aufgeregt zu mir und bat mich mit ihr ins Zimmer zu kommen, da sie mir was ganz schönes zeigen möchte. Dort angekommen sah ich einen wunderschönen Regenbogen mitten in ihrem Zimmer der durch den Sonnenstrahl auf einer CD in ihr Zimmer gezaubert wurde. Wie bei uns immer wollte ich davon ein Foto machen (will sie selbst immer). Nach dem ersten Foto nahm sie die CD weg. Ich sagte "Lass die CD bitte liegen" und erklärte ihr, dass durch die CD der Regenbogen zustande kommt. Nach wenigen Sekunden nahm sie wieder die CD weg. Ich sagte "Lass bitte die CD liegen!" und sie erwiderte in einem sehr überheblichen Ton "Das ist meine CD!". Ich wies sie darauf hin, dass ihr Ton mehr als unangebracht ist und schickte sie in ihr Bad um sich kindergartenfertig zu machen und redete weiter, dass wir ihre überhebliche Art nicht dulden. Daraufhin drehte sie sich im Bad um und kam zurück und schmiss mir die Tür vor der Nase zu. Ich war perplex und öffnete sie sofort und fragte was das jetzt bitte sollte und sie meinte etwas kleinlaut, dass sie pullern will. Ich verwies sie wieder darauf, dass ihre Art nicht mehr tragbar ist und sie das nie wieder tun soll, dass es Konsequenzen haben wird, die noch beraten werden müssen und gab ihr an, dass sie noch drei Minuten haben bis sie Zähne geputzt wieder bei mir steht. Daraufhin schaute sie mich auf einer Art an, die ich noch nie bei ihr gesehen habe , als würde sie sagen wollen "Du dämliche Kuh, ist mir doch egal was du sagst." und zupfte sich provokant in Zeitlupe ein Klopapierstückchen ab. Daraufhin stand sie 2 Minuten in der Ecke und nachdem ich ihr deutlich machte wie enttäuscht und traurig ich bin kam sie an und suchte Nähe. Ich wies sie ab. Ich verstehe meine Maus nicht mehr. Bislang wurde ich immer als Mama mit einer liebevollen Strenge bezeichnet. Heute sehe ich mich als Versagerin.... :'(
Liebe Fannitastisch, Kinder haben andere Interessen als Ihre Eltern. Sie sind auch sprunghafter in ihren Entscheidungen. Das Kleiderkaufen war eine schöne Idee, doch im Laufe des Vormittags kam der "Konkurenz"gedanke bzgl. der Freundin auf und die Idee war doch nicht mehr so toll. Lieber wollte Ihre Tochter etwas "neutrales" mit Ihnen und der Freundin unternehmen. Das Zuhause ist auch nicht ein "Loch", bietet nur nicht für den Moment die Abwechslung, die sie sich vorstellte. Vor allem hatte sich Ihre Tochter in den Kopf gesetzt, nicht Einkaufen zu gehen und dann wäre alles andere nicht so toll gewesen. Warum führen Sie das Abendritual mit den Smilies durch? Sicherlich ist es schön, wenn Ihre Tochter sich nach einigen positiven Smilies eine Kleinigkeit aussuchen darf, es ist aber am Abend nicht so schön, bildlich darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass der Tag aus Sicht der Eltern nicht so gut gelaufen ist. Das haben Sie ja schon in der entsprechenden Situation verdeutlicht, so dass ein "Aufwärmen" an sich nicht mehr nötig ist. Ihre Tochter ist altersgemäß in einer Phase, in der sie ihren eigenen Willen ausbaut. Diesen Willen immer adäquat auszudrücken und evtl. erfüllt zu bekommen, gilt es jetzt zu lernen. Mit der CD wollte sie vermutlich ausdrücken: Ich bekomme auch nicht immer das, was ich möchte, also möchte ich auch nicht, dass du das schöne Foto mit meiner CD bekommst. Du verhinderst, dass ich immer alles schön habe, also verhindere ich jetzt mal, dass du es schön hast. Es ist ein ganz normaler Entwicklungsprozeß. Sie dürfen Ihrer Tochter gerne sagen, dass Sie darüber traurig sind. Verlassen Sie beim nächsten Mal dann einfach das Zimmer. Dass wird Ihre Tochter mehr "wurmen", als wenn Sie sich auf den Kampf einlassen. Kinder probieren sich immer wieder aus, mal etwas weniger, mal etwas mehr. I.d.R. sind es die Eltern, die diese Phasen am meisten "zu spüren bekommen". Bei ihnen fühlen sich die Kinder sicher. Sie wissen um die Liebe und Geborgenheit und dass sie ihnen nicht wirklich lange böse sind. So ist es derzeit auch bei Ihnen und Ihrer Tochter. Nehmen Sie es nicht persönlich. Sie sind eine gute Mutter und Ihre Tochter weiß das. Viele Grüße Sylvia
Fannitastisch
Weckt mich bitte jmd auf?? habe mit ihr erst kurz gesprochen und sie in den Arm genommen. sagte dann jetzt geh ins Bett schlafen. keine zehn Minuten später singt sie lauthals in ihrem Zimmer!!! 😳 merkt sie überhaupt noch was? ich würde in ihrer Situation lieb sein. sie singt quietschvergnügt nachdem sie mir gezeigt hat völlig fertig zu sein. ihre Aussage: ich kann nicht schlafen, deswegen singe sie. ????? ist man dann nicht einfach ruhig und trällert nicht noch lauthals rum? dreht sie völlig frei? so viel provokanz - weiß mir keinen Rat mehr :'(
nina229
Hallo liebe Fannitastisch, eigentlich schreibe ich nicht in diesem Forum, aber dein Beitrag hat mich bewegt. Deine kleine Tochter tut mir sehr leid. So wie du die Situation schilderst, erscheint mir deine Tochter wie eine ganz normale 6jährige, die eben ein kleiner Mensch mit eigenem Willen ist und keine funktionierende Maschine. Sie ist kein Erwachsener, sondern ein kleines Mädchen. Du verwendest Begriffe, z.B. "nicht tragbar sein", die mich an einen Chef erinnern, der seinen Angestellten herabwürdigt. Wie muss sich deine Tochter dabei fühlen? Wahrscheinlich ähnlich wie bei eurem Abendritual, bei dem du als Erwachsene, der deine Tochter vertraut und die sie liebt, das kleine Mädchen wie bei einer Leistungskontrolle bewertest. Wie soll deine Tochter sich als Mensch angenommen und geliebt fühlen, wenn sie an ihrer Leistung gemessen wird? Wie würdest dich fühlen, wenn dein Partner, dir jeden Abend als Ritual eine Rückmeldung über dein Verhalten am Tag gibt? Deine kleine Tochter war 4 Jahre alt bei eurer Trennung. Was denkst du, wie ein so kleines Kind eine Trennung sieht? Sie wird sich schuldig fühlen und sich fragen, was sie falsch gemacht hat, das Mama und Papa nun auseinander sind, denn in diesem Alter kreist das Denken noch sehr um das ICH. Und in dieser Situation hast du abends dein Bewertungssystem eingeführt. Deine Tochte muss gedacht haben, das sie ein schlechter Mensch ist. Um was geht es dir, frage ich mich? Was ist das Ziel deiner Erziehung? Wenn ich lese, dass deine Tochter, dich, als erwachsene, reife Frau an deine emotionalen Grenzen bringt, weil sie dir widerspricht und eine Tür zudonnert, habe ich den Eindruck, es geht hier darum, die Machtposition auf keinen Fall zu verlieren. Das Ergebnis einer Erziehung solcher Art wird vielleicht ein gehorsamer, anpassungsfähiger oder ein wütender, rebellischer Mensch sein, je nach Temperament, aber sicher kein selbstbewusster, in sich ruhender Erwachsener. Deine Tochter liebt und braucht dich. Du schreibst selbst, dass sie deine Nähe sucht, nachdem du geschimpft hast. Sie braucht deine Geduld und dein Verständnis. Sie braucht das Gefühl, dass du SIE als kleine Person liebst und nicht ihr Verhalten oder ihre Leistung. Schmeißt die Smiles gemeinsam weg, sprecht lieber gemeinsam über euren Tag. Nimm deine Tochter in die Arme, frage sie wie es ihr mit dir geht und was sie von dir braucht und denke daran, sie ist ein Kind, kein zu kontrollierender Erwachsener. Nina
Fannitastisch
Liebe Nina, ich danke dir für deine klaren Worte. :-) Das Ritual mit den Smilies hatten wir schon ab ihrem dritten Geburtstag eingeführt, nachdem uns dies eine Erzieherin in ihrem Kindergarten empfohlen hatte. Es schlief nur ein und ich ließ es wieder aufleben. Sie freute sich bislang immer darauf, aber in den letzten Tagen schien es ihr eher nervig zu sein. Dass hier der Eindruck entstand, dass sie als Maschine zu funktionieren hat, ist sehr bedauerlich. So ist es keinesfalls.
Fannitastisch
Danke Frau Ubbens für Ihre Einschätzung. Das Abendritual war eine Empfehlung einer Pädagogin und bislang verlangte sie freudig selbst danach.
nina229
Hallo nochmal liebe Fannitastisch, ...was einem Erzieherinnen so alles empfehlen ;). Ich bin froh, dass bei mir einfach nur ein falscher Eindruck entstanden ist und wünsche dir mit deiner Tochter alles Gute. Entschuldige, falls ich den falschen Ton getroffen habe. Alles Gute Nina
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