Was nun?

Liebe Frau Schuster, heute schreibe ich Ihnen unter einem anderen Namen. Sie werden sicher Verständnis dafür haben, dass ich dies nicht unter dem bekannten Namen schreiben möchte. Gestern hat mir meine Tochter, fast fünf Jahre, beim Mittagessen zugeflüstert, dass mein Vater, also ihr Opa, sie unsittlich berührt hat. Ich habe nochmal nachgefragt, um sicher zu gehen, dass ich sie richtig verstanden habe. Meinem Mann hat sie es dann ebenfalls zugeflüstert, weil sie das darin vorkommende "böse" Wort nicht laut aussprechen wollte. Ich bin total geschockt! Glaube ihr aber alles, weil ich es selbst erlebt habe als ich Kind war. Ich mache mir riesige Vorwürfe, weil ich nicht geglaubt habe, dass er es immer noch oder wieder macht. Schließlich ist es bei mir schon 25 Jahre oder länger her. Ich bin davon ausgegangen, dass er vom Alter her und vom gesundheitlichen Zustand gar nicht mehr in der Lage wäre. Ich weiß auch nicht, ob das mit meiner Tochter einmal oder schon mehrmals war. Ich war einfach zu geschockt, als dass ich noch anders reagieren konnte. Sie hat mir gesagt, dass es gekitztelt hat. Sie wirkte auch nicht verstört oder so. Es war ihr halt irgendwie komisch. Sie ist auch sonst völlig normal. Mein Sohn, neun, und meine Tochter waren regelmäßig jeweils im Wechsel alleine ca. 2 - 3 x wöchentlich für einige Stunden beim Opa. Vor einem Jahr ist meine Mutter gestorben. Ich denke, dass vorher noch nichts geschehen ist, da sie ja immer dabei war, wenn die Kinder zu Besuch waren. Mein Sohn hat noch nichts in dieser Richtung gesagt. Ich weiß aber nicht, ob mein Vater sich auch Jungen vergeht. Da ich sowohl von meinem Vater, als auch von meinen älteren Brüdern missbraucht wurde, kann ich das nicht ausschließen, denn meine Brüder müssen ja auch einen Grund dafür gehabt haben, dass sie sich so verhielten. Der Missbrauch hörte auf, als ich meine Periode bekam und somit hätte schwanger werden können. Danach habe ich es einfach verdrängt. Erst als ich selber Mama wurde, kam es wieder hoch. Ich konnte einfach nicht begreifen, wie man einem Kind gegenüber sexuelle Gefühle entwickeln konnte. Das lag mir soooo fern. Und erst da habe ich begriffen, dass es Missbrauch war, was ich erlebt habe. Mein Vater war nicht brutal oder hätte mir wehgetan. Ich hatte danach eigentlich ein normales Verhältnis zu meinem Vater. Zu meinen Brüdern habe ich keinen Kontakt. Ich weiß jetzt gar nicht, was ich machen soll. Mein Mann ist auch noch geschockt und muß erstmal das gehörte verarbeiten. Ich habe vorher nie mit jemandem darüber gesprochen. Meine Kinder lieben ihren Opa, aber dass sie nie mehr alleine zu ihm können, steht fest. Mein Sohn hat das gestern nicht mitbekommen. Mit meiner Tochter habe ich noch nicht weiter gesprochen. Ich weiß auch nicht, ob ich es von mir aus nochmal ansprechen soll. Lieber wäre mir, sie würde es vergessen. Natürlich würde ich mit ihr darüber reden, wenn sie es nochmal thematisiert. Aber wie erkläre ich den Kindern, dass sie nicht mehr zum geliebten Opa dürfen, bzw. nicht allein. Obwohl ich ihn gerade nicht ertragen könnte und deswegen auch nicht mit ihnen dahin fahren würde. Mein Sohn hat ja gar nichts mitbekommen. Ich kann ihm doch schlecht sagen, dass Opa seine Schwester und Mutter missbraucht hat. Er hat ja nicht mal eine Vorstellung von Missbrauch. Und Details wird er von mir sicher nicht hören. Und wie gehe ich mit meinem Vater um? Ich bin völlig durcheinander und ratlos. Entschuldigen Sie bitte das Wirrwarr. Ich hoffe, Sie können mir irgendwie weiterhelfen. Aber bitte geben Sie mir nicht den Rat einer Psyochtherapie. Das kann und will ich nicht.