Frage im Expertenforum Erziehung an Christiane Schuster:

Verhaltensauffällig ??

Christiane Schuster

 Christiane Schuster
Sozialpädagogin
Frage: Verhaltensauffällig ??

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Ich habe mal eine Frage. Ab wann gilt ein Kind als "verhaltensauffällig"? Unser Sohn ist gerade 4 geworden und überall wird uns gesagt, er "sei nicht normal". Aber er ist ein total lieber Schatz, zwar temperamentvoll, aber überdurchschnittlich schlau und aufgeweckt. Gut, was er hat, er hört manchmal nicht, ist trotzig, gut - andere Kinder in dem Alter auch. Er geht dann aber auch mit Drohungen auf andere los und sagt Sätze wie sein Freund Julian: "Wenn du das nicht machst, dann töte ich dich!" Und er ist - so lieb wie er auf der einen Seite ist - auch manchmal so unberechenbar. Er geht dann mit einer derartigen Kraft und Wut auf andere los und schreckt auch nicht vor Erwachsenen zurück. Er schlägt und schmeißt dann mit Gegenständen, wenn ihm Grenzen gesetzt werden. Unser Sohn war mit 2 3/4 zuerst in einem sehr kleinen KiGa, dort gingen dann irgendwann seine Aggressionen los. Mein Mann und ich hatten uns räumlich getrennt, als unser Sohn erst 20 Monate alt war. Aber er sprach und verstand schon alles und er hat vermutlich sehr viel mitbekommen an Wut, die da auf beiden Seiten war. Handgreiflichkeiten hat es aber nie gegeben! Ich mache mir dennoch Vorwürfe. Im alten KiGa, da war ein Junge, der hat unseren Sohn dauernd gepiesakt, und unser Sohn fing dann an total oft zu schlagen. Die Erzieherinnen sagten immer, ich solle mir keine Gedanken machen, er sei ja erst zweieinhalb und müsse erstmal lernen, anders zurecht zu kommen und lernen, dass man sich auch verbal wehren kann. Aber dann bekam ich einen Anruf - mein Sohn sei den ganzen Tag von diesem Jungen im KiGa gepiesakt worden und irgendwann hätte er es nicht mehr ausgehalten und sei mit einem KINDERBESEN !!! auf den anderen Jungen losgegangen und habe ihn ins Auge getroffen. Das Auge sah total schlimm aus, ich war fix und fertig. Ich habe meinem Sohn erklärt, der völlig verstört war, daß er so etwas nie mehr machen dürfe, daß vor allem das Auge tabu sei und auch alles andere und man nicht absichtlich jemandem weh tun dürfe. Das schien er dann verstanden zu haben, aber irgendwie hat er wohl gemerkt, aha, wenn ich haue, lassen mich andere in Ruhe. Ein Jahr später war dann wieder ein "Vorfall" mit dem selben Jungen. Er hatte meinen Sohn auf einen Tisch gelockt und hat ihn immer gehänselt und geschubst. Als mein Sohn dann zurückschubste, stolperte der andere Junge über seine Füße und fiel vom Kindertisch aufs Gesicht und schlug sich einen Zahn aus. Natürlich war wieder der andere Junge überhaupt nicht beteiligt und ab sofort wurde mein Kind nur noch als "böse" eingestuft. Im neuen Kindergarten geht es jetzt weiter. Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich denken soll. Neulich ist er total aggressiv auf einen Jungen losgegangen, weil dessen Mutter so ähnlich aussah wie ich und er dachte, ich würde ihn abholen und unser Sohn war eifersüchtig und da flog ein Stiefel. Woher hat er denn dieses Gewaltpotential? Warum tut er das, er weiß, daß er das nicht machen soll, jemanden schlagen, weh tun, er bereut es auch immer, aber dann macht er es wieder. Er ist deshalb seit Dezember bei einer Kinderpsychologin. Ich habe mit meinem Mann eine Familientherapie begonnen und als Paar arbeiten wir ganz viel auf. Wir haben uns auch wieder versöhnt und wollen zusammen ziehen. Dadurch ist unser Sohn viel glücklicher und gelöster. Am Montag hatten wir gemeinsam ein Elterngespräch im Kindergarten. Folgende Punkte waren auffällig: 1.) Emotionalität unkontrolliert Unser Sohn "flippt" immer aus und schmeißt mit Gegenständen oder haut um sich. 2.) Er droht mit Schlagen oder Töten wenn etwas nicht nach seinem Willen geht 3.) Er hat keinen Respekt vor den Erzieherinnen, d.h. er unterläuft permanent Grenzen, provoziert ohne Ende und will nur bestimmen 4.) Er wirkt einerseits lieb und goldig, verschmust etc. - dann wieder gewalttätig und unberechenbar. Das hat mir so Angst gemacht! Die Erzieherinnen meinten, es sei, als habe er zwei Persönlichkeiten. 5.) Mein Sohn braucht Ruhephasen um kurz vor 12 Uhr und um kurz vor 15 Uhr. Er zieht sich dann selbständig zurück in ein Eckchen und spielt allein etwas Ruhiges. Wenn ein anderes Kind das nicht respektiert, bekommt es eins übergebraten. Ich habe das auch schon gemerkt, dass mein Sohn bei zu vielen Reizen nicht abschalten kann. Da ich berufstätig bin, ist er nunmal den ganzen Tag im Kindergarten, aber er ist dort auch gern, er mag es nur nicht, dort zu schlafen. Ich fehle ihm schon, das merkt man, er ist total anhänglich, wenn ich dann da mit ihm zu Hause bin und er erwartet dann auch, daß ich mich von 16 Uhr bis 21 Uhr um ihn kümmere - 5 Stunden spielen, malen, kneten, etc. Aber ich habe auch meine Termine und muß im Haushalt mal was machen. Und habe auch nur begrenzte Kräfte. Um ihm eine festere Struktur zu ermöglichen, haben wir dann immer regelmäßig Dinge gemacht. Das führte dazu, daß er ruhiger wurde. Montags hatten wir bis vor kurzem Musik, da wollte er dann aber nicht mehr hin, das war ihm zu Kleinkindermäßig. Demnächst möchte er montags ins Fußballtraining. Dienstags arbeite ich bis 16 Uhr und hetze dann zum KiGa und schaffe es gerade noch, ihn bis um 16.30 Uhr abzuholen. Da machen wir meist nichts mehr nachmittags zu Hause. Mittwochs arbeite ich bis 19.30 Uhr, da wird er von einem Babysitter abgeholt, die betreut ihn dann, bis ich komme. Donnerstags hat er Bälletraining und freitags geht er nicht in den KiGa, da spielen wir zu Hause und um 12 Uhr ist er bei der Kinderpsychologin bis 13 Uhr. Danach treffen wir uns noch mit Freundinnen mit Kindern. Seit er nicht mehr so viel "Programm" hat, ist er ruhiger geworden. Papa kommt dann regelmäßig an den Wochenenden. Mir tun die Auszeiten durch die Arbeit auch gut, ich war lange Zeit arbeitssuchend und frustriert. Dennoch höre ich von allen Seiten: Ihr Sohn fällt hier auf, dabei reiße ich mir Arme und Beine aus um alles richtig zu machen. Mein Mann ist am WE entspannt, hat nicht den Alltag komplett zu bewältigen. Ich habe das Gefühl, unter den riesigen Anforderungen zusammen zu brechen. Ich dachte bisher immer, ich wäre eine gute Mutter, aber wenn unser Kind so "auffällig ist", trifft das dann überhaupt noch zu? Es ist aufgefallen, dass unser Sohn ruhiger geworden ist und dass er nicht mehr so viel haut, seit er nachmittags nach dem KiGa mehr Ruhe hat, mein Mann und ich wieder verliebt sind und unser Sohn zur Psychologin geht. Trotzdem mache ich mir Sorgen. Ist er wirklich so "verhaltensauffällig"? Jeder sagt, er sei ein so süßer aufgeweckter kleiner Junge und wir lieben ihn von Herzen und sind stolz. Dennoch ist er "der Kindergartenschreck" und wird überall als "Achtung, er kommt" behandelt. Mich macht das sehr traurig. Was kann ich tun, um meinem Sohn das Hauen abzugewöhnen?


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Hallo Ratsuchende Ein auffälliges Verhalten zeigen jeweils die Kinder, die sich in irgendeiner Weise von den übrigen Kindern unterscheiden. Wann diese Auffälligkeit nicht mehr als Individualität bezeichnet werden kann sondern behandlungsbedürftig ist, entscheiden zunächst diejenigen Personen, die das auffällige Kind mit den übrigen Kindern gemeinsam betreuen. Da Sie selbst nun nicht mehr weiter wissen, empfehle ich Ihnen, bei den Leuten Rat einzuholen, die Ihren Sohn und sein Verhalten in der Gruppe persönlich kennen: Sprechen Sie bitte sowohl mit den ErzieherInnen, als auch mit der Kinderpsychologin, als auch mit dem Kinderarzt Ihres Sohnes und bitten Sie um Ratschläge, bzw. Erziehungsberatung. Viel Kraft, liebe Grüße und: bis bald?


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