Frage im Expertenforum Erziehung an Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens:

Reaktion

Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens

Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens
Diplom Sozialpädagogin

zur Vita

Frage: Reaktion

Schnecki2014

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Liebe Frau Ubbens! Mein 6jähriger Sohn (kommt am Montag in die Schule) ist im Moment leider etwas schwierig. Er ärgert sehr gerne andere, macht abfällige Bemerkungen, ist absichtlich lästig und motzt viel herum. Ich schiebe das auf den Schulanfang und mache mir da keine großen Gedanken. Wenn er es allerdings geschafft hat, alle anwesenden Personen zu verärgern, fängt er zu weinen an und erklärt, nicht mehr bei uns sein zu wollen, weil ihn keiner lieb hat. Das geht von der Ankündigung zu gehen, über die Ankündigung auszuziehen und - ganz schlimm - bis zur Ankündigung, nicht mehr leben zu wollen. Gestern hat er erklärt, er stürzt sich jetzt aus dem Fenster. Ich bin völlig überfordert damit und wüsste gerne, wie ich damit umgehen soll. Einerseits würde ich gern vermeiden, dass es überhaupt zu solchen Äußerungen kommt und andererseits hätte ich gern von Ihnen eine Tip, was ich sagen oder tun soll, wenn er so redet. Gestern habe ich ihn dann lange gekuschelt und ihm gesagt, dass ich nie will, dass er weggeht. Davor haben wir aber lange herumgetan und es war von ärgerlichem Schimpfen über den Versuch vernünftiger Argumentation bis "zieh dir vorher wenigstens noch den Pyjama an" alles dabei. Vielen lieben Dank Schnecki


Sylvia Ubbens

Sylvia Ubbens

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Liebe Schnecki, viele Kinder sind in der Zeit vor Schulbeginn unruhig und unausgeglichen. Sie wissen nicht, was auf sie zukommt und fühlen sich "bedroht". Diese Unsicherheit wollen sie an irgendwem oder irgendetwas auslassen. Kaum ist die Unruhe gestiftet kommt das schlechte Gewissen und die Kinder suchen Trost. Versuchen Sie, die Ruhe zu bewahren, trösten ggf. erst einmal die Geschwister und wenden sich dann Ihrem Sohn zu. "Ich finde nicht in Ordnung, dass du deine Schwester geärgert hast. Trotzdem habe ich dich lieb." Äußert Ihr Sohn, dass er gehen möchte, können Sie entgegnen, dass Sie sich wünschen, dass er bleibt, ohne intensiver auf das Thema einzugehen. Sagt er mehr als einmal, dass er weggehen will o.ä., gehen Sie nur einmal darauf ein und ignorieren dann seine Aussagen. "Wenn du kuscheln möchtest, kannst du zu mir kommen." Danach liegt es an Ihrem Sohn Ihr Angebot anzunehmen oder auch nicht. Viele Grüße Sylvia


User-1736455377

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Das eine solche Äußerung erschreckend ist, kann ich absolut verstehen! Wir hatten eine solche Situation auch schon mal und da unser Kind da schon 2-3 Jahre Älter war (also noch eher weiß, was Tod wirklich bedeutet), haben wir einen KJP zu rate gezogen. Ohne jetzt haarklein auf alles einzugehen, was auf unser Kind zutraf: ein 6-jähriger hat schon eine Vorstellung davon, was sterben, tot sein bedeutet - aber immer noch auf eine kindliche Art die irgendwo de Option offenhält, dass das Leben dann nicht für immer vorbei ist. Die Absolutheit, die damit verbunden ist, ist Kindern in diesem Alter noch nicht so bewusst wie einem Teenie od Erwachsenen. In dem Alter ist eine solche Aussage ähnlich wie das berühmte "du bist die blödste Mutter/ich hab dich nicht mehr lieb/dann bist du nicht mehr meine Mutter/Freundin" etc. Also Ausdruck von absoluter Unzufriedenheit mit der Situation, ohne Mechanismen gelernt zu haben, damit adäquater umzugehen. Mit 6 merkt er nämlich auch, was er evt. dazu beigetragen hat und das jetzt nicht rückgängig zu machen ist.Also will man sich der Situation einfach komplett entziehen. En Stück weit auch, die Verantwortung von sich schieben. Und dazu kommt: die Reaktion der Eltern. Entsetzen,Furcht um ihn und idR alles, was vorher war an Ärger sofort vergessen. Natürlich war es richtig, ihn zu trösten und nicht einfach zu gehen nach dem Motto "so einen Quatsch höre ich mir nicht an". Aber am Ende war sein Verhalten vorher plötzlich unwichtig, oder? Mein Rat wäre also: sieh eine solche Äußerung als Ausdruck von Unvermögen, mit der Situation, die man selbst mit geschaffen hat, umzugehen. Aber nutze sie, um ihn zu fragen, was er denn jetzt empfindet. Warum fühlt er sich so schlecht, dass er lieber gerade nicht mehr da wäre. Von da aus könnt ihr dann weiter arbeiten/reden, was er und ihr evt. besser machen könntet. Ich würde dir auch dringend davon abraten, ihn so in Diskussionen oder Streitereien vorpreschen zu lassen, dass alle sauer sind. Er ist 6 - und da bestimmen manche Dinge immer noch die Eltern. Er darf das gerne blöd finden - aber ihr beginnt bitte keine Diskussion darüber, warum sich zB die Zähen geputzt werden müssen. dass ihr JETZT Einkaufen fahrt usw. Da ist es eher so, dass man vielleicht noch mal einen gefühlten Schritt zurück machen muss und wie mit einem 4-jährigen ganz klare Konsequenzen/Regeln setzt. Dann ist man eben wieder bei "wenn Bettfertig machen so lange dauert, kann es keine Geschichte mehr geben". Ganz ruhig, aber bestimmt. Ihr braucht euch nicht aufregen, weil euer Sohn einfach nicht euren Argumenten folgen mag ;-) und er kommt nicht in die Situation, im Prinzip ebenbürtig als ebenbürtiger Diskussionspartner angesehen zu werden - das ist er noch nicht und die Konsequenzen wie "jetzt sind alle sauer (wegen dir)" kann er weder überblicken, noch damit dann umgehen.


Schnecki2014

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Danke für deinen Input. Du hast völlig recht, es ist ein Versuch von ihm, sich seiner Handlungen zu entziehen, das merkt man auch ganz deutlich. Er möchte erreichen, dass sich alle auf ihn stürzen und ihm sagen, wie sehr sie ihn lieb haben und dass vergessen ist, dass er einen Moment zuvor alle wütend gemacht hat. Ich habe aber nicht wirklich eine Möglichkeit, ihn davon abzuhalten, dass alle sauer auf ihn sind. Denn dem geht nichts voraus. Er steht da, alles ist gut, plötzlich tritt er das Spielpferd seiner Schwester, haut seinen Bruder und schmeißt irgendwas runter. Da hat er innerhalb von 3 Sekunden schreiende Geschwister und eine schimpfende Mama. Gestern wusste ich nicht einmal, was der Auslöser war, weil seine Schwester ihm noch Sekunden vorher gesagt hat, dass sie froh ist, ihn zu haben. Seine Antwort drauf war, dass er will, dass sie nicht mehr seine Schwester ist. Daraufhin hab ich ihn gefragt, warum er das sagt und schon waren wir mitten in "ich stürze mich jetzt aus dem Fenster".


Schnecki2014

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Das mit dem Versuch vernünftiger Argumentation und Pyjama anziehen kam ja nach seiner Äußerung. Ich habe versucht ihm darzulegen, dass seine Schwester ihm gerade gesagt hat, dass sie froh ist ihn zu haben und dass ich gar nichts gesagt habe, aus dem er schließen könnte, dass ich ihn nicht mehr liebe habe. Und in meiner Ratlosigkeit wollte ich es dann ins Lächerliche ziehen und habe gemeint, er soll sich wenigstens den Pyjama anziehen, bevor er sich aus dem Fenster stürzt. Er übertreibt auch immer so. Ich will zB grad was lesen und sag ihm, ich will jetzt kurz meine Ruhe haben und er geht mit hängendem Kopf weg und erzählt dem Papa, dass ich ein Jahr nicht mit ihm reden will. Ich kenn mich nicht mehr aus.


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