Carlami
Mein Kleiner ist fast 4 J. alt und seit einigen Wo. wohl in seiner Unabhängigkeitsphase und zusätzlich, wie mir scheint, in einer „Er-bestimmt-auch-mal-über-Mama“-Phase (z.B. ich soll aus einem anderen Raum zu ihm zur Toilette kommen, um die Spülung für ihn zu betätigen). Gehört das auch zur Unabhängigkeitsphase? Hinzu kommt sein starker Charakter mit ausgeprägtem Durchsetzungsvermögen und unermüdlicher Ausdauer (z.B. Wutausbrüche gehen eine Std. lang). Wenn er nicht sofort bekommt, was er möchte, gibt es immer regelmäßiger (z.B. um 05.00 Uhr, auf der Str. oder in der S-Bahn) Wutanfälle, während dieser er mich teilweise schlagen möchte („Nein, ich möchte nicht auf die Kissen schlagen, ich möchte Mama schlagen!") und letztens sogar unerwartet ins Gesicht geschlagen hat. Wichtig: ich gebe nach, wenn hinter dem Konflikt ein Grundbedürfnis (Müdigkeit o.ä.) steckt. Ich habe bereits einiges (mehr oder weniger pädagogisch Wertvolles) probiert: - vor/nach Wutanfall erklärt, - ihn bei Angriffen festgehalten, seine Ärmchen festgehalten oder gar ihn bei wiederkehrenden Angriffen aufs Bett geworden, - ihn angeschrien, er solle aufhören zu schreien, - Oropax verwendet um meine Nerven zu schonen, - in andere Räume geflüchtet und meine Tür abgeschlossen, - Türen geknallt, - das „Schlagenspiel" eingeführt (ihn jedes Mal relativ zurückgeschlagen bis er aufgehört hat zu schlagen), - ihn ins Treppenhaus vor die Tür gesetzt mit Ansage er könne rein, sobald er sich beruhigt habe (er tobt vor der Tür, läuft nicht weg o.ä.), - mich in der S-Bahn paar Schritte weg gestellt und sein Verhalten ignoriert, während sich die Mitfahrer_innen die Ohren zugehalten haben (was raten Sie in solch einer Situation?), - ihn auf der Str. immer wieder vom vorderen Teil des Kinderwagens an die Seite gezogen, wenn er wollte, dass ich stehen bleibe (woraufhin mir eine Dame Gewalt androhte, wenn ich „mein Kind weiterhin grob anfasse“ - was raten Sie in solch einer Situation?). Seit mir ein Pädagoge kürzlich zu s.g. "Zuckerbrot und Peitsche" geraten hat, da ich mich nicht "terrorisieren" lasse müsse, habe ich „ein Ass im Ärmel“ bevor sein Wutanfall los geht: - neues Spielzeug (z.B. eines vom vielen Zubehör bei Playmobil-Figuren), - eine Tüte getrocknete Erdbeerchips, - Tickets fürs Schwimmbad etc. Dabei lasse ich ihn entscheiden, WIE er ausrasten möchte („Hast du Wut? Schrei bitte in deinen Zimmer. Danach kommst du einfach zurück, Mama möchte kein Geschrei in der Küche.“). Nach einem Tag befolgter Regeln, gibt es Zuckerbrot/Belohnung (oder wie man es nennen möchte). Was halten Sie vom s.g. Zuckerbrot? Bis hierher habe ich ihn nicht bestraft, sondern das Prinzip der logischen Folge angewandt („Je schneller wir mit dem Zähneputzen fertig sind, desto schneller können wir spielen gehen!“). Wenn mir keine logischen Folge einfällt, streiche ich ihm seit neustem Dinge und fühle mich unlogisch dabei („Hör jetzt bitte auf zu schreien, sonst bleibt der Roller hier!“). Was halten Sie von Bestrafung? Durch die Maßnahmen Zuckerbrot und Peitsche will ich nicht seine Gefühle (z.B. durch Bestechung) unterdrücken, sondern bewirken dass er lernt sie zu beherrschen. Tue ich das hiermit aus Ihrer Sicht? Die Sorge schwingt mit, bei ihm eine Erwartungshaltung der permanenten Gegenleistung zu erzeugen (nicht dass er demnächst fragt: „Wieso gibt es heute keine Geschenke?") und das Potential seiner Hilfsbereitschaft zu unterdrücken (er soll nicht denken „Was springt dabei für mich raus?“). Wie sehen Sie das? Meist entscheidet er sich gegen den Wutanfall, weil er auf das Fähnchen auf dem Rapunzelturm wartet und seit dem Schlagenspiel, schlägt er seltener, leichter und hört schneller auf. Was halten Sie von diesen Maßnahmen, zu welchen anderen ohne Risiko der "Verschlimmbesserung“ können Sie mir raten, damit er lernt, seine Wut allmählich zu beherrschen und sie nicht an anderen auszulassen?
Liebe Carlami, meine Vorrednerin cube hat schon sehr ausführlich und richtig geantwortet. Ich werde die Worte hier nicht wiederholen nur die wichtigsten Punkte zusammenfassen: Erst einmal sollten Sie nicht zu viele Dinge ausprobieren. Für Ihren Sohn muss erkennbar sein, dass im Prinzip immer die gleiche Konsequenz erfolgt. Z.B. wenn er Sie schlagen möchte, Sie auf Abstand gehen oder den Raum kurz mit den Worten verlassen, dass Sie nicht geschlagen werden wollen. Sie haben schon gute Ansätze gefunden, wie z.B., dass Ihr Sohn bitte im Zimmer schreien soll, weil Sie kein Geschrei in der Küche möchten oder "Je schneller du die Zähne putzt, je schneller können wir spielen." In der Straßenbahn kann die Konsequenz sein, auszusteigen und zu warten, bis er sich beruhigt hat oder zurückzufahren, wenn das Ziel "nur" dem Vergnügen von Ihrem Sohn dienen sollte. Erklären Sie ihm Ihr Vorgehen vor dem Ausflug, damit er "gewarnt" ist. Versuchen Sie selbst geduldig und leise zu bleiben. Seien Sie das Vorbild für Ihren Sohn. Schlagen Sie zurück, zeigen Sie ihm, dass schlagen in Ordnung ist. Schreien Sie ihn an, zeigen Sie ihm, dass schreien in Ordnung ist usw.. Auch sollten Sie ihn nicht aussperren. Ihn in eine ruhige Ecke für eine Auszeit setzten ja, selbst den Raum verlassen ja, aber bitte nicht abschließen. Bei anderen Dingen, wie z.B. der Toilettenspülung, darf ein Kompromiss her. Es geht Ihrem Sohn nicht darum, dass er etwas "arbeiten" muss und diese Aufgabe an Sie abtreten möchte, sondern vielmehr darum, dass er unterbewusst noch nicht so viel Verantwortung tragen möchte und darum um Unterstützung bittet. Vielleicht gehen Sie bei entsprechenden Aufforderungen zu ihm und bieten an, gemeinsam abzuspülen. Geduld, eine klare Linie und manchmal auch ein wenig Trost ("Ich verstehe, dass du wütend bist.") sind gefragt. Viele Grüße Sylvia
cube
Sei mir nicht böse, aber nichts davon ist pädagogisch wertvoll. Ich denke auch, du hast evt (ich hoffe es!) den Pädagogen da mißinterpretiert. Zuckerbrot und Peitsche hört sich nach Bestrafung und Belohnung an - das ist allerdings eine sehr veraltete "Methode". Vielleicht meinte er eher etwas in der Richtung, dass ich gleich weiter erkläre. Denn man möchte weder ein Kind, dass aus Furcht vor Strafe "lieb" ist, noch eines, dass nur reagiert, wenn es dafür etwas wie zB Spielzeug bekommt. Beides nutzt sich eh schnell ab. Wenn ich eh bestraft werde, kann ich erst recht machen, was ich will/noch mehr "aufdrehen" - die Belohnungen müssen immer größer werden. Es ist übrigens kein Spiel, zurück zu schlagen. Schlagen ist Schlagen - ob leicht oder fest ist irrelevant. Es ist auch nicht nachvollziehbar, etwas nicht zu wollen und es deswegen selbst zu tun. Das ist reines Macht ausspielen gegenüber Schwächeren. Aufs Bett werfen zählt auch dazu, Macht und größere Stärke zu zeigen = den Anderen klein zu machen. Ein Kind ins Treppenhaus vor die Türe zu setzen ist ebenso erniedrigend. Ihr schließt damit euer Kind nicht nur aus eurer Gemeinschaft aus (wie zB bei aus Zimmer schicken), ihr schließt es aus eurem Lebensort aus. Ich bin mir nicht sicher, in wie fern euer Kind inzwischen auf Grund solcher Dinge einfach schon ein grundsätzlich oppositionelles Verhalten zeigt, weil er sich in dieser Welt mit Schlagspielen, Ausgrenzungen, Strafen eh nach dem Motto verhält "ist der Ruf erst ruiniert, lebst sichs gänzlich ungeniert". Heute setzt man auf "logische Konsequenzen". Heißt: wenn Kind zB abends rumzickt bzgl. Zähneputzen, kannst du ihm (logischerweise) sagen, dass ihr umso länger noch eine Geschichte lesen könnte, je schneller er jetzt fertig wird. Oder umgekehrt "wenn es so lange Dauert, kann ich nichts mehr vorlesen". Eieruhr ist hier hilfreich, um die Zeit, die man als Obergrenze angibt, deutlich zu machen. Dann muss aber auch konsequent sein und im Zweifel das Gezeter weg nicht mehr Vorlesen aushalten. Also dass, was du eigentlich genau richtig angefangen hast. Du schreibst, es geht erst seit mehreren Wochen so - und in der Zeit hast du alles Mögliche schon ausprobiert. das ist zu viel in zu kurzer Zeit. Dem Kind kann ja gar nicht klar werden, was in Zukunft deine Strategie ist und was du dir an Verhalten erwünschst. Ich glaube, du erwartest, dass solche Dinge nach kurzer Zeit angekommen sein müssen und Kind sich entsprechend verhält. Da muss ich dir leider sagen: das funktioniert idR so nicht.Die Spanne, wie schnell ein Kind sich kooperativ verhält, kann von sehr schnell bis dauert Monate gehen. Unser Kind war mit 4 auch so bzgl. Wutanfällen. Die konnten locker 45 Minuten dauern. Sehr anstrengend. Ich bin einfach (auch wenn es schwer war), bei meiner Aussage "nein, es gibt jetzt nicht noch ein Müsli, aber du kannst gerne noch einen Apfel haben" geblieben. Und glaub mir, unser Kind hat sogar versucht, den Kühlschrank umzukippen ;-) Ich war sozusagen sturer - aber ruhig. Man hat auch gemerkt, er schafft es einfach nicht, da alleine wieder raus zu kommen. Er war selber verzweifelt und dadurch noch wütender. Ich habe ihm zB altes Papier/Werbung hingelegt - die hat er dann zerrissen. Danach haben wir dann daraus Kugeln geknüddelt und Zielwerfen auf den Papierkorb gemacht. Irgendwann hat er gemerkt: hey, damit kann ich mich selbst doch beruhigen. Und die Wutausbrüche wurden generell weniger/kürzer. Ich habe ihn nicht bestraft, sondern eher getröstet. Ihm sowas gesagt wie "du warst sehr wütend, weil ...das kann ich verstehen. Aber ich möchte trotzdem nicht xy". zB geschlagen werden. Mit 4 kann auch schon verstehen, wenn Mama fragt "wie würdest du dich fühlen, wenn du geschlagen würdest?". Empathie/sich in andere hineinversetzen muss ein Kind erst lernen. Das passiert nicht von selbst und erst recht nicht, wenn es zurück geschlagen wird. Schreianfälle in der Bahn oder ähnliches - ja, das muss man als Mutter evt. auch einfach mal aushalten. Su kannst mit ihm vorher besprechen, was du erwartest und ihm auch gleich sagen, was passiert, wenn es nicht so läuft. Wie zB dann können wir leider nicht zum Schwimmen, sondern werden wieder zurück fahren. Dann habe ich nämlich keine Lust mehr." Ich bin auch schon mit einem tobenden, ums ich schlagenden Kind aus der Bäckerei wieder raus gegangen. das haben wir genau 1 x gemacht - dann wir der Drops gelutscht. Kind wusste: Mama macht das. Kind brüllt die Hütte zusammen - dir ist das zu laut und deswegen gehst du in ein anderes Zimmer. Ebenso mit schlagen: du willst nicht geschlagen werden, deswegen gehst du ein Stück von ihm weg/raus oä. Du musst für dich und für dein Kind klar in deinen Handlungen sein. Dein Kind muss verlässlich wissen, was passieren wird. Es muss sich auf dich und deine Handlungen verlassen können. Wie eist es denn im KiGa? Rastet er da auch so aus?
Frau_H.
Ich bin voll und ganz bei cube. Insbesondere auch die Kopplung von (materieller) Belohnung an bestimmte Gefühle finde ich schwierig... Ein kleiner Buchtipp von mir: "Mama, nicht schreien! Liebevoll bleiben bei Stress, Wut und starken Gefühlen" Fand ich gut zu lesen und sehr praxisnah!
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