Kleinkind reagiert auf alles mit Wutausbrüchen

Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Frage an Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Diplom Sozialpädagogin

Frage: Kleinkind reagiert auf alles mit Wutausbrüchen

Hallo Frau Ubbens, ich habe eine Tochter (2 J., 7 M.) und einen Sohn (7 Wochen). Meine Tochter versteht das Wort „nein“ absolut nie. Sie ist sehr lebhaft und will alles selbst machen. Da sie sich in der Autonomiephase befindet, ist das ja auch normal, aber auch dann, wenn ich ihr den Freiraum gebe, handelt sie stets so, dass die Situation für mich UND für sie zu einer emotionalen Kernschmelze führt. Das Ganze geht ca. seit ihrem zweiten Geburtstag so. Beispiel von heute: Ich hole sie aus der Kita ab, sie soll Hausschuhe aus- und Sandalen anziehen. Ich frage, ob sie das selbst machen will oder ich helfen soll. Sie will es selbst machen. Sie zieht die Hausschuhe aber nicht aus, sondern rennt durch die Gegend. Auf die Aufforderung hin, sie solle die Schuhe ausziehen, schüttelt sie den Kopf. Irgendwann ziehe ich ihr die Hausschuhe dann aus. Sie rastet aus, will, dass ich ihr sie wieder anziehe, damit sie sie ausziehen kann und verspricht mir es zu tun. Dann springt sie wieder auf, lacht (mich aus), rennt rum. Das gleiche Spiel wiederholt sich noch weitere zwei- bis dreimal, bis es mir reicht, ich ihre Schuhe wechsle und sie dann schreiend und tretend aus der Kita raustrage. Das Ganze mit dem schweren MaxiCosi mit Baby am anderen Arm. Ich weiß, Grenzen austesten und provozieren kommt bei Kindern oft vor, aber irgendwann müssen wir die Kita nunmal verlassen, da hilft das bloße Wissen darüber auch nichts. Draußen auf der Straße tritt und schreit sie weiter auf meinem Arm. Ich setze sie ab, biete ihr meine Hand als Alternative an. Sie will nicht. Ich trage sie wieder, sie fordert die Hand. Ich setze sie wieder ab, sie will die Hand nicht usw. Letztendlich habe ich sie mir dann wortwörtlich quer unter die Achsel geklemmt, weil sie so nur die Luft, aber nicht mich und den MaxiCosi treten konnte. Kurz vor dem Parkplatz verließen mich die Kräfte und ich nahm sie an die Hand. Sie schrie weiter, ließ sich hängen, fast über den Boden schleifen, weiterhin kreischend. Ich habe ihr doch Alternativen und Entscheidungsmöglichkeiten gegeben und trotzdem endet es so, dass ich völlig am Ende bin und sie ebenso. Oft geht es dann auch auf meiner Seite nicht ohne zu schreien - worüber sie allerdings meistens lacht. Ich darf auch bei uns im Haus NICHTS machen. Heute habe ich eine elektrische Rollade runtergemacht, ohne sie zu beteiligen. Sie hat so lange geschrien, bis sie auf der Couch vor Erschöpfung umgekippt ist. Mein Mann darf nicht alleine auf die Toilette, dann flippt sie auch aus. Einmal habe ich die Autotür alleine geschlossen. Sie hat danach 45 Minuten auf der Fußmatte gelegen und geschrien. Man kann sie nicht beruhigen, nicht ablenken, trösten oder irgendwas. Was kann ich noch tun? Ich kann nicht mehr glauben, dass das noch unter „normale Autonomiephase“ fällt. Mein Mann (der übrigens auch unseren Sohn nicht anfassen darf) und ich haben kein Leben mehr. LG Maya

von Maya1807 am 22.08.2023, 14:59



Antwort auf: Kleinkind reagiert auf alles mit Wutausbrüchen

Liebe Maya, fragen Sie Ihre Tochter nicht ob, ob sie bestimmte Dinge machen möchte oder nicht. Geben Sie die "Antwort" vor, wie beispielsweise im Kindergarten. "Ich ziehe dir jetzt die Hausschuhe aus." Möchte Ihre Tochter es selbst machen, kann sie es Ihnen dann mitteilen oder Sie machen es wie von Ihnen angekündigt. Achten Sie auf jeden Fall darauf, dass Ihre Tochter, erst einmal in der Garderobe angekommen, nicht wieder weglaufen kann. Unterbrechen Sie das Spiel Ihrer Tochter, noch bevor es angefangen hat. Auch, wenn es Protest gibt. Viele Kinder im Alter Ihrer Tochter können mit zu vielen Entscheidungsmöglichkeiten noch nicht umgehen, da sie vom Grundsatz her oft nicht wissen, was sie wirklich möchten. Eine Entscheidungsmöglichkeit sollte nicht sein, ob etwas wie getan werden soll, sondern kann vielmehr sein, ob Kind Käse oder Wurst auf das Brot möchte. Und auch, wenn Ihre Tochter derzeit oft frustriert reagiert, wenn etwas von Ihnen als Eltern getan wurde, so sollten Sie Ihre Tätigkeiten nicht von der Gefühlslage Ihrer Tochter beeinflussen lassen. Sie wollen die Tür schließen, dann schließen Sie die Tür. Sie wollen das Rollo runterlassen, dann lassen Sie es runter. Und vor allem sollte der Papa sich nicht vorschreiben lassen, ob er das Baby anfassen darf oder nicht. Ihre Tochter darf sich zu Papa und Baby setzen und somit zeitgleich Nähe von Papa bekommen und wenn sie es so nicht möchte, wütend werden. Es gilt, als Eltern den Frust des Kindes auszuhalten und dem wenig Aufmerksamkeit zu schenken, damit es nicht attraktiv wird frustriert zu sein, da Mama und Papa sich dann intensiv mit mir beschäftigen. Viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 23.08.2023



Antwort auf: Kleinkind reagiert auf alles mit Wutausbrüchen

Liebe Maya, Vielleicht habe ich noch ein paar konkrete Hinweise. Ich kenne deine Situation nur zu gut, meine Tochter war genauso. Leider auch schon vor der Geburt des Geschwisterchens. Ich beziehe mich mal konkret auf das Abholen. Dein Baby ist gerade einmal 7 Wochen und du musst schon so stressige Situation bewältigen, Baby, Maxi-Cosi und Kleinkind tragen. Du bist wahrscheinlich völlig erschöpft und überfordert. Das ist zu viel und leider überträgt es sich auf deine Große, wenn sie dafür sensibel ist. Am besten wäre natürlich du musst gar nicht abholen oder könntest das Baby zuhause lassen. Wahrscheinlich würdest du das tun, wenn es möglich wäre. Mir hat erstens geholfen sofort beim Abholen etwas zu essen parat zu haben. Meine Kinder sind nach der Kita immer total hungrig. Damit konnte ich die Große in Ruhe auf meinem Schoß halten, sie umziehen, ein bisschen kuscheln und erzählen. Sie war dann zufriedener und nicht von vornherein so überdreht. Wenn der Nachmittag schon schlecht startet ist der Ton leider oft gesetzt u man ist total erledigt. Wenn mein Baby auf der Autofahrt eingeschlafen ist, habe ich es manchmal tatsächlich im Auto gelassen und konnte mich auf die Große konzentrieren. Alles andere als optimal, selbstverständlich habe ich das nicht gemacht, wenn es warm war und ich habe ein zweites Telefon als Babyfon benutzt. Es hat mir aber geholfen die Abholsituation zu entspannen. Und als letzten Tipp binde ich alles was geht in ein Spiel ein. Aber auch das erfordert Kraft, die eine Mama im Wochenbett nicht unbedingt aufbringen kann. Ich drücke dir die Daumen, dass du Entlastung findest. Bei meiner wurde es übrigens mit knapp vier Jahren schlagartig deutlich besser. LG

von Rosalie88 am 28.08.2023, 18:57