Frage im Expertenforum Erziehung an Christiane Schuster:

Kind kein kleiner Erwachsener

Christiane Schuster

 Christiane Schuster
Sozialpädagogin
Frage: Kind kein kleiner Erwachsener

Mitglied inaktiv

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Hallo Frau Schuster, ich habe folgendes Problem: Mein Sohn ist mittlerweile 4,5 Jahre alt. Es kommt häufig zu Konflikten zwischen meinem Sohn und meinem Mann, da mein Mann unseren Sohn wie einen Erwachsenen behandelt. Die Erwartungen kann Fabian mit seinen 4,5 Jahren natürlich nicht erfüllen. Die Situation spitzt sich mittlerweile hin zu einer totalen Ablehnung des Papas, welcher aber trotz vieler Gespräche und Hinweise gar nicht einsieht und verstehen will, dass es sich um ein 4,5jähriges Kind und nicht um einen kleinen Erwachsenen handelt. Die Situation belastet das Familienleben und die Erziehung an sich sehr stark. Haben Sie für mich Tipps und vielleicht auch einen Buchtipp, wie ich meinen Mann verdeutlichen kann, dass Fabian ein Kind ist und nicht so hohe Anforderungen wie ein Erwachsener erfüllen kann? Vielen Dank für Ihre Hilfe.


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Hallo bluejamo Geben Sie Ihrem Mann einmal zu bedenken, dass sich Erwachsene ihre Umgebung erst so geschaffen haben, dass sie sich darin wohl fühlen. Dieses Schaffen hat aber sicherlich auch bei ihm zu Höhen und Tiefen geführt, was unbedingt zu einer Persönlichkeits-Entwicklung dazu gehört. Er wird es sich bestimmt auch nicht bieten lassen, wenn von ihm etwas gewünscht oder gar gefordert wird, weil MAN es so regelt; er wird reagieren mit seiner eigenen Vorstellung, weil "ICH es so haben und regeln möchte". Eben zu diesem eigenständigen Menschen möchte er sicherlich auch seinem geliebten Sohn verhelfen. Von Jemandem einen blinden Gehorsam zu verlangen und ihn damit zu einem erwachsenen, unmündigen, unkritischen, wenig kreativen Menschen werden zu lassen möchte auch Ihr Mann ganz bestimmt nicht. Darum wird er die Wünsche seines Kindes respektieren müssen und ihm helfen, in eine SICHERE Selbstständigkeit zu gelangen. Hat er gegenüber Fabian eine Erwartungshaltung wie gegenüber einem Erwachsenen, wird er seinen Sohn überfordern, der bei zunehmendem Druck dann zunehmend "seine Ohren auf Durchzug stellen" und sich zunehmend von ihm abwenden wird. Einen Buchtipp gebe ich Ihnen nicht, aber schauen Sie doch mal in die Kopie eines Textes von Maria Montessori: " Ein Kind ist kein kleiner Erwachsener Der Erwachsene hat sich mit seiner produktiv nach außen gerichteten Arbeit eine Umgebung geschaffen, die seinen Bedürfnissen entspricht. Die Welt des Kindes und das Ziel seines Lebens und seiner Arbeit ruht hingegen in seinem Inneren und nicht in der Außenwelt. Das Kind trägt nicht die verkleinerten Merkmale des Erwachsenen in sich, sondern in ihm wächst sein eigenes Leben, das seinen Sinn in sich selbst hat. Das Reifen des Menschen im Kinde ist eine andere Art von Schwangerschaft, die länger währt als die Schwangerschaft im Mutterleib. Das Kind trägt selbst den Bauplan seiner Persönlichkeit in sich und benötigt durch den Erwachsenen Hilfen, sich nach diesem frei entwickeln zu können. Lehrer, Mütter und Väter sollten sich in Bescheidenheit und Geduld üben, wenn sie mit dem Kind in Berührung kommen. Das ganze unbewusste Streben des Kindes geht dahin, sich durch die Loslösung vom Erwachsenen und durch Selbständigkeit zur freien Persönlichkeit zu entwickeln. Die Vorbereitung der Umgebung und die Vorbereitung des Erziehers oder Lehrers sind das praktische Fundament der Montessori-Pädagogik. Der Erwachsene muss auf seine eigene Aktivität zugunsten des Kindes verzichten. Er muss passiv werden, damit das Kind aktiv werden kann. Er muss dem Kind die Freiheit geben, sich äußern zu können; denn es gibt kein größeres Hindernis für die Entfaltung der kindlichen Persönlichkeit, als einen Erwachsenen, der mit seiner ganzen überlegenden Kraft dem Kind gegenüber steht. Die Grundlage der Montessori-Pädagogik ist nicht das Nachdenken darüber, wie man das Kind lehren oder erzieherisch beeinflussen kann, sondern wie man ihm eine Umgebung schaffen kann, die seiner Entwicklung förderlich ist, um es dann in dieser Umgebung sich frei entwickeln zu lassen. Geleitet durch sensible Phasen, in denen das Kind seine Aufmerksamkeit zielgerichtet auf ein bestimmtes Interesse richtet, beschreitet es seinen Weg zu seiner Persönlichkeit. Im Verlauf einer solchen sensiblen Periode eignet sich das Kind sehr leicht und ganzheitlich neue Sachverhalte an. In der frühen Kindheit werden vor allem sensible Phasen für Bewegung, Sprache und Ordnung beobachtet. Ab dem 4. Lebensjahr beginnt das Lesen, Schreiben und Rechnen sowie die Fähigkeit zu sozialen Bindungen, erste Freundschaften entstehen. Zwischen sechs und zwölf Jahren entwickelt sich das Gewissen und der Sinn für Gerechtigkeit, die Kinder wollen selbst Regeln aufstellen. Gleichzeitig erweitert sich der Aktionsbereich auf das Leben in der Gemeinschaft und in Gruppen. Die Montessori-Pädagogen lassen das Kind niemals alleine auf seinem Weg zu seiner Persönlichkeit. Sie bieten Hilfen, stellen aber auch Grenzen dar und stehen ausschließlich im Dienste der individuellen Entwicklung des Kindes. " Liebe Grüße und: bis bald?


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