Frage im Expertenforum Erziehung an Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens:

Kind, 6,5 J. terrorisiert uns den ganzen Tag

Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens

Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens
Diplom Sozialpädagogin

zur Vita

Frage: Kind, 6,5 J. terrorisiert uns den ganzen Tag

Okt.baby

Beitrag melden

Sehr geehrte Expertinnen, Wir sind Eltern einer 6,5jährigen Tochter und gerade völlig verzweifelt. Sie war schon immer ein eigensinniges Kind, aber gerade spitzt es sich total zu, ich sehe leider keinen Auslöser, sie geht immer noch in dn gleichen Kiga, die familiäre Situation ist die gleiche, keine neuen Freunde o.ä. Wir haben ihr wohl zu lange alles hinterhergetragen und sie lässt uns gerne machen. Seit ca. einem Jahr haben wir angefangen, nach und nach von ihr mehr Selbständigkeit einzufordern, sich selbst waschen, keine Hilfe beim anziehen, selbst Zähne putzen etc. Wie gesagt nach und nach und nichts was sie nicht selbst bewältigen könnte. Es ist immer ein Kampf, sie bockt total, fordert von uns lautstark, dass wir das alles machen sollen und kriegt einen halben Nervenzusammenbruch, wenn wie sie auf die nächste Aufgabe hinweisen, z.b. nach dem waschen eben auch abtrocknen. Sie macht dann richtig Theater, lässt sich mit dem Gesicht nach unten auf den Boden fallen, beschuldigt uns, wir würden wollen, dass sie erfriert und wickelt sich in den Badezimmerteppich ein. Oder sie stürmt wurentbrannt davon.wennwir uns aus der Situation rausziehen und den Raum verlassen ider gleich gar nicht mitgehen, findet sie dennoch einen weg zum streiten, sie kommt immer wieder zu uns und pöbelt uns an zum Beispiel. Dabei fällt es ihr offensichtlich schwer, aus der Streitspiralewieder wieder rauszukommen. Sie sagt dann Sachen, die sie sicher nicht so meint, z.b. dass sie ohne gute Nacht zu sagen ins Bett geht etc.. so reagiert sie immer, wenn sie a) etwas selbständig machen soll, was früher wir für sie gemacht haben, b) sie überhaupt etwas machen soll, z.b. zu mir kommen, damit ich ihr die Haare machen kann und c) sie etwas nicht bekommt z.b. mal kein Hörbuch beim Frühstück oder nicht noch eine Süßigkeit, nicht jetzt Fernsehen etc. Und sie hört nicht, macht scheinbar absichtlich das Gegenteil- wir sagen, komm bitte her, sie fährt mit dem Fahrrad davon etc. Das alles tut sie zu jeder Tageszeit, auch in der Früh, also hat das wohl nichts damit zu tun, dass sie schon den ganzen Tag z.b. im Kiga kooperiert hat und nun einen Puffer braucht. Im Kiga ist sie übrigens sehr brav. Sie ist aufh grundsätzlich ein kluges liebes Kind, woanders stets schüchtern und brav, auch ängstlich und anhänglich. Zuhause aber ein Tyrann. früher waren diese Probleme vielleicht jeden zweiten - dritten Tag da, seit drei Wochen mehrmals täglich und ich weiß nicht warum. Früher hatten wir versucht, noch unbedingt einen guten Abschluss zu finden und z.b. nicht zerstritten ins Bett zu gehen, sondern uns zu vertragen. Oder den Streit beizulegen und doch den geplanten Ausflug zu machen. Mittlerweile aber nicht mehr, weil ich nicht bereit bin, mich mehrmals täglich zu versöhnen, nur damit alles zwei Stunden später erneut losgeht. Wir haben als Konsequenz schon viele Unternehmungen und Aktivitäten ausfallen lassen, haben fast keine Zeit und keine Kraft mehr zum gemeinsamen spielen, vorlesen etc. Wenn sie sich beruhigt hat, reden wir mit ihr darüber, sie scheint alles zu verstehen, mittlerweile hort sie aber nur mit halbem Ohr zu und antwortet nur widerwillig. Ich spüre mittlerweile, wie sehr mich das belastet und mir nachhaltig die Laune verhagelt und sogar schon psychosomatische Beschwerden hervorruft. Haben Sie einen Rat für uns?


Sylvia Ubbens

Sylvia Ubbens

Beitrag melden

Liebe Okt.baby, wie meine Vorrednerinnen schon geschrieben haben, sollten Sie überlegen, was Ihnen wirklich wichtig ist und das dann auch durchsetzen, ohne große Diskussionen. Fangen Sie gerne so an, dass Sie eine positive Konsequenz anführen, während Sie Ihre Tochter bitten, etwas zu erledigen. "Wenn du jetzt die Zähne putzt, haben wir anschließend Zeit ein Buch zu lesen." Für Dinge, die nicht erlaubt sind, wie z.B. bei Stop wegzufahren oder Steine zu werfen, gibt es eine logische Konsequenz. "Da du nicht auf mein Stop gehört hast, gehen wir jetzt nach Hause und ich schiebe dein Fahrrad." Ihre Tochter darf die Erfahrung machen, dass eine Handlung auf ihr Verhalten folgt. Protestiert Ihre Tochter in irgendeiner Form, dann lassen Sie sie protestieren/wütend sein und gehen nicht weiter darauf ein. Dann wird es irgendwann langweilig. Viele Kinder sind in den letzten Wochen/Monaten vor Schulbeginn eher unausgeglichen. Sie wissen um die Veränderung, aber nicht, was auf sie zukommt. Das verunsichert sie (innerlich) und sie verhalten sich manchmal wie ein Kleinkind, manchmal provozierend usw.. Das geht mit Schuleintritt i.d.R. wieder vorbei. Viele Grüße Sylvia


cube

Beitrag melden

Das kommt mir sehr sehr bekannt vor :-) Sowohl als Vorschulkind als auch jetzt nochmal, als vorpubertierender, in Kürze 10-jähriger. Und ich glaube, du/ihr steckt in der gleichen Spirale, in der auch wir steckten. "Das muss doch jetzt endlich mal klappen", "warum macht sie das??", "kann doch nicht sein, dass schon wieder..." und gekrönt von "das können wir doch so nicht durchgehen lassen". Man fühlt sich halt auch Null respektiert und das macht zusätzlich wütend. Man sagt eine total einfache, normale Sache wie Zähneputzen an - und es wird einfach nicht gemacht. Das geht doch so nicht! Und schwupps, fängt man doch an, sich in eine "Diskussion" verwickeln zu lassen, in der man auf jeden Satz eine neue Anklage, Vorwürfe etc zu hören bekommt und ganz schnell vom eigentlichen Thema "jetzt Zähne putzen" weg ist. Ich glaube, ähnlich wir wir/ich, nimmst du das zu persönlich und willst unbedingt deine einmal getroffene Ansage durchsetzen - und erwartest, dass sie doch endlich mal auf dich hören soll und einfach das machen, was du gesagt hast. Vergiss das ;-) Ab dem Moment, wo du anfängst, dich darauf einzulassen, ist der Drops gelutscht. Nichts davon ist wirklich ernst oder persönlich gemeint. Euer Kind weiß vermutlich selber nicht, warum sie gerade so ausflippt. Ganz schnell geht es eben nur um "dagegen sein" - egal mit was. Und auf keinen Fall nachgeben :-) Überlegt euch, was wirklich Pflicht ist - wie Zähneputzen, in´s Bett gehen oder was für euch einfach unverrückbar gemacht werden muss wenn ihr es sagt. Dafür solltet ihr passende Konsequenzen haben. Die sollten ihr klar sein und die zieht ihr durch. Diskutieren spart ihr euch aber. Zähne nicht putzen? Dann gibt es am nächsten Tag keine Süßigkeiten/Medien oder was bei euch eben ziehen würde. Das ist dann IHRE Entscheidung - ihr seid da raus. Ruhig, klar und ohne weitere Diskussionen. So etwas wie das Gesicht nicht abtrocknen - darüber würde ich kein Fass aufmachen. das ist reine Provokation, auf die ihr eben auch einsteigt. Wenn sie das nasse Gesicht nicht stört ... euch ist es egal. Ihr müsst ja nicht mit nassem Gesicht rumlaufen. Ich denke, ihr müsst bei solchen Dingen einfach lockerer werden und ihr gar nicht erst die Möglichkeit geben, mit wo etwas Aufmerksamkeit zu provozieren. Sie wälzt sich auf dem Boden? Pfff ... kann sie gerne machen, aber dabei musst du ja nicht zuschauen. Hörspiel beim Essen? Da würde ich eine klare Regel draus machen - mal ja, mal nein ist ein Garant für Streit. Dann lieber ganz klar "Essen = Hörspiel aus" (ist bei uns auch so) oder der Hunger kann nicht so groß sein und sie kann gerne verzichten und in ihrem Zimmer weiter hören. Glaub mir, je mehr ihr euch dem entzieht, umso mehr wird das wieder aufhören. Je mehr ihr aber auf jede Kleinigkeit besteht - übernehmt ihr eigentlich doch wieder die Verantwortung, die sie doch eigentlich selber dafür tragen soll. Mir fällt es auch heute noch schwer, nichts zu sagen, wenn die Zahnbürste erst 5 in der Luft geflippt wird und dabei dreimal runter fällt, anstatt einfach nur mal zu putzen - aber ich beiße mir auf die Zunge und räume einfach weiter Wäsche in die Maschine. Und dann word doch geputzt. Sobald ich etwas sage .. "man! wollte ich doch! NIE!!! lasst ihr mich mal Spaß haben! Genau wie mit xy .." und schwupps, ist der Kampf eröffnet ;-)


cube

Beitrag melden

Habt aber auch im Kopf: einerseits will sie schon groß sein und ganz viel selbst entscheiden - andererseits möchten Kinder dabei doch gleichzeitig auch ein Stück weit "klein" bleiben und von den Eltern betüddelt werden. Wie zB mit Hilfe beim Anziehen. Überlegt euch, wie wichtig es euch ist, dass sie sich wirklich immer und ohne Ausnahme alleine anzieht - oder ob ihr nicht doch auch mal sogar von selbst anbietet "komm, soll ich dir heute mal helfen?" Sowas wirkt oft auch Wunder - und es tut dem selbstständig(er) Dinge machen keinen Abbruch. Sie kann es ja - lasst sie ruhig ab und zu auch mal klein sein und sich betüddeln lassen ;-) "IHR lasst mich erfrieren" - KInderlogik: DU müsstest ihr ja nur helfen, dann würde sie nicht frieren. Aber eigentlich weiß sie ganz genau, dass SIE sich ja nur anziehen müsste und dann wäre ihr warm. Lass dich auf solche absurden Vorwürfe eben gar nicht ein - oder eben doch auch mal helfen mit etwas Spaß dabei "ojemine! Nein, dass geht natürlich gar nicht. Bevor die zum Eiswürfel wirst, werd ich dir wohl lieber schnell mal helfen". Mit etwas Spaß kann man auch viel entzerren und nein, euer Kind wird nicht denken, dass sie sich durchgesetzt hat. Es ist eher so, dass die Mischung es macht - ein bisschen Spaß und damit auch mal sozusagen nachgeben wirkt sich nicht gleich negativ auf das ganze Erziehungskonzept aus; sorgt aber oft für eine viel entspanntere Atmosphäre. Mein Mann kann das besser als ich - der ist der Spaßkasper bei uns ;-)


Maja30

Beitrag melden

Hey! Ich bin mal auf die Antwort gespannt. Meine ebenfalls 6,5 jährige Tochter ist genauso wie deine Tochter. Lg


Okt.baby

Beitrag melden

Hallo cube, danke für die Tips. Gelassenheit wäre schon gut, ich weiß nur nicht ob das bei uns hilft. Ich denke nämlich, dass wir keine unmöglichen oder unwichtigen Sachen verlangen. Zähneputzen, sich abends waschen, nicht abhauen, wenn ich sage, sie soll da bleiben, den Nachbarn keine Steine suf die Terrasse schmeißen. Ich meine, ich verlange nicht, dass sie mit Messer und Gabel isst oder selber die Zahnseide nutzt o.ä. Wenn ich mal Ausnahmen mache und doch helfe, sind die nächsten Tage umso schlimmer, weil sie komplett verweigert, diese Sache, bei der geholfen wurde, nun wieder selbst zu tun. Merkt man z.b. auch nach einer Krankheit, da nehmen ich ihr viel ab, und danach dauert es wieder bis wir wieder „drin“ sind. Mich beschäftigt auch dieses Wütende in ihr in der letzten Zeit und dass sie gar nicht auf uns hört? Mittlerweile mache ich mir Sorgen bzgl. Ausflüge und Urlaub, dass sie extra abhaut oder irgendwas anderes dummes macht-im Ausland, im Wasser o.ä. Das ist dann nicht das halbwegs sichere Zuhause. Danke für eure Antworten und die die noch kommen.


cube

Beitrag melden

Wenn es mit auch mal etwas lockerer sein nicht klappt, dann wohl nur über Konsequenzen wie zu Kleinkinderzeiten: Steine auf Nachbars Terrasse - dann muss sie eben rein kommen. Sie haut ab - dann müsst ihr wieder nach Hause. Oder es kann halt nicht mit dem Rad gefahren werden. Natürlich wird auch das Wutanfälle nach sich ziehen - aber durch die müsst ihr dann eben durch, bis sie merkt, dass ihr eure Ansagen wirklich ernst meint. Sie ist ja aktuell Vorschulkind, oder? Das ist eine spannende, aber auch beängstigende Phase für die Kids. Einerseits die Freude auf´s Groß-sein - andererseits die Furcht vor dem Ungewissen. Auch das kann dazu beitragen, dass Kinder einfach nicht mit sich selbst klar kommen. Das heißt natürlich nicht, dass man deswegen alles durchgehen lassen muss/soll - aber evt. liegt es aktuell eben auch daran und dann gibt sich das auch wieder. Ich bin aber auch gespannt, was Frau Uebbens dazu sagt :-)


vb123

Beitrag melden

Wusste gar nicht, dass mein Sohn eine Zwillingsschwester hat… Hatte vor einiger Zeit etwas ähnliches gepostet. Einige gute Tipps habe ich bekommen. Insbesondere, keinen Kampf daraus zu machen. Da ich es jedoch schwer fand, dass mein Kind einfachste Bitten/ Aufforderungen ignoriert oder bewusst nicht befolgt, hat sich bei uns Folgendes etabliert: Früher: „Zieh bitte deine Schuhe an.“ „Nein, mach Du. Ich kann/ will das nicht machen, weil xyz und Mama, Du bist schuld, wenn ich das KiGa-Frühstück verpasse. Und dann verhungere ich und dann buahwäh Etcpp. Jetzt: „Es ist Zeit zum Schuhe anziehen. Machst Du das heute selber und verdienst Dir einen Sticker oder ist heute Mama-Tag?“ und zu 75% wird sich für den Sticker entschieden. Die anderen 25% mache ich kommentarlos. Wie andere bereits angemerkt haben: Das Pflichtprogramm setze ich konsequent durch (Zähne, Straßenverkehr, Benehmen gegenüber anderen, Sonnencreme und so). Bei den anderen Dingen, die ich nur von meinem Kind will, weil ich denke, dass es das doch problemlos alleine könnte, bin ich inzwischen entspannter. Außerdem habe ich angefangen, mehr Verantwortung zu „übertragen“. Socken zusammensuchen und in den Schrank legen, selber duschen und Haare waschen, das Geschwisterchen an die Hand nehmen. Das hat auch zu mehr Selbständigkeit in anderen Bereichen geführt. Mal schauen, wie es weitergeht, wenn die Sticker aufgebraucht sind.


sari3005

Beitrag melden

Hallo, wir haben auch eine 6 jährige Tochter und auch bei uns im Alltag kommen ähnliche Situationen vor. Gerade nach Geburt ihrer Schwester wurde es schlimmer. Es bringt nichts gegeneinander zu kämpfen. Es führt nur zur Frustration auf beiden Seiten. Ich glaube eure Tochter ist gerade sehr überfordert und das Verhalten, was sie zeigt, nur der Ausdruck dessen, was sie fühlt. Bestrafe nicht ihr Verhalten, bleib mit ihr in Verbindung, im Gespräch. Das ist der Schlüssel. Druck erzeugt immer Gegendruck. Du sagst selbst, ihr fordert mehr Selbständigkeit. Das kannte sie vorher so nicht und es fällt ihr schwer. Versuche auf sie einzugehen, ihr Dinge wieder abzunehmen, die ihr schwer fallen. Und überlegt euch doch einmal, ob es wirklich so wichtig ist, dass manche Dinge genau in dem Moment so ausgeführt werden müssen. Du wirst sehen, es erspart euch einiges an Frustration. Wenn sie z. B mal nur abwäscht und nicht abtrocknet, ist es doch auch schon toll. Sag iht das. Und versuche sie zu verstehen. Ich sehe, dass es dir gerade etwas viel ist, soll ich dir vielleicht helfen? Willst du vielleicht lieber morgen abwaschen, wenn es dir heute etwas viel ist? Kinder wollen nicht terrorisieren, sie sind Teamplayer. Versuche mit ihr zu sprechen, warum es ihr nicht gut geht und was ihr gemeinsam an der Situation ändern könnt. Denn eins ist klar, gut fühlen wird sich eure Tochter in den Streitsituationen sicherlich nicht. Und bitte nicht mit Liebesentzug bestrafen, gemeinsame Aktivitäten sein lassen etc.. Ihr findet bestimmt einen Weg! Ihr müsst auch viel an euch selbst arbeiten, das ist meist die größte Überwindung.


Bei individuellen Markenempfehlungen von Expert:Innen handelt es sich nicht um finanzierte Werbung, sondern ausschließlich um die jeweilige Empfehlung des Experten/der Expertin. Selbstverständlich stehen weitere Marken anderer Hersteller zur Auswahl.