Frage: "ich kann das nicht"

Hallo, Unsere 5jährige Tochter hat momentan recht viele Situationen in denen sie mit sich selbst viel zu hart ins Gericht geht. Sie will was zeichnen, es gelingt ihr nicht so wie sie möchte schon gibts dicke Tränen. Wenn man sie dann motivieren möchte, es nochmal zu versuchen kommt ein "ich kann das nicht" "das ist hässlich" usw. Versucht man es gemeinsam wird es fast noch schlimmer. Neulich wollte sie ein Muster zeichnen, das ist erst nicht gelungen, dann meinte ich wir malen gemeinsam und dann ist sie richtig ausgeflippt weil das was sie gemalt hat nicht exakt so ausgesehen hat wie das was ich gemalt hatte (war ein simples Zickzackmuster und ich fand ihres war von meinem nicht so unterschiedlich). Sie hat sich selbst völlig runtergemacht und ist wegen jeder weiteren Kleinigkeit gleich wieder in Tränen ausgebrochen, egal welcher Vorschlag (erstmal was anderes machen, ein ander mal nochmal versuchen etc) war dann nicht mehr gut. Ja sie ist ein sensibles Kind und wir tun prinzipiell alles um ihr Selbstvertrauen zu stützen. Wir lassen sie selber probieren, loben (ehrlich), sie weiß dass sie bei uns immer Rückhalt hat, sie kann und darf fast überall mitmachen/helfen, sie bekommt Zeit für sich etc. Sport-der wie man sagt das Selbstbewusstsein stärken soll- fällt flach weil sie sämtliches gar nicht erst probieren mag auch wenn es ihr gefällt (hier kommt prophylaktisch ein "ich kann das nicht"). Ich glaub manchmal sie ist von sich selbst enttäuscht wenn sie was nicht auf Anhieb kann. Ein Beispiel: Sie wollte unbedingt eine Gitarre. Sie hat dann einmal probiert, festgestellt dass sie es nicht kann und damit war das Thema durch (was ja an sich völlig ok ist, wenn es sie nachher nicht beschäftigen würde). Sie sieht aber durchaus bei uns dass man Dinge lernen und üben muss, dass man die meisten Dinge eben nicht auf Anhieb kann und eben nach ihren Worten "schlecht ist" oder "hässliches" produziert (ich vermute die Diktion kommt von den Kindern im Kindergarten untereinander, denn von uns Eltern sagt das keiner). Wie können wir sie hier ein wenig mehr unterstützen? Ich finde es schade dass sie sich selbst so "klein" macht, wo sie doch so viel kann und auch für ihr Alter wirklich sehr selbstständig ist.

von Lyra1804 am 25.03.2021, 15:52



Antwort auf: "ich kann das nicht"

Liebe Lyra1804, zeigt Ihre Tochter ihr Verhalten "nur" zu Hause oder auch im Kindergarten? Oft zeigen Kinder das "Ich kann das nicht"-Verhalten vornehmlich zu Hause für ihre engsten Bezugspersonen. Dort bekommen sie Rückendeckung (Aufmerksamkeit), für ihr vermeintliches Nichtkönnen. Versuchen Sie, dem "Ich kann das nicht" wenig Beachtung zu schenken. Reagieren Sie beispielsweise mit einem "Ich weiß, dass du es kannst. Versuch es gerne noch einmal." Bieten Sie Mitarbeit insofern an, als dass Sie Arbeitsmaterial zur Verfügung stellen. "Ich hole dir ein neues Blatt Papier. Dann kannst du es noch einmal zeichnen." Ansonsten warten Sie ab, dass Ihre Tochter um Mithilfe bittet. Weint sie dabei schon, erklären Sie ihr, dass Sie gerne helfen, allerdings erst, wenn sie im normalen Ton danach fragt. Ansonsten gilt es, die Ruhe zu bewahren. Ihre Tochter wird im Laufe der Zeit zufriedener mit ihren Leistungen werden, auch, wenn es vermutlich noch ein kleines Weilchen dauern wird. Viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 26.03.2021



Antwort auf: "ich kann das nicht"

Ich bin sehr gespannt, was Frau Ubbens antworten wird, denn unser Kind war/ist genau so. War = inzwischen ist er 8, es ist besser geworden aber nach wie vor kenne ich das, was du beschreibst sehr gut. Allerdings ist er eher die Fraktion "wütend werden" bzw. Wut zeigen, ist aber eigentlich enttäuscht/traurig?/verunsichert?. Bei unserem Kind hat das hervorheben dessen, was an zB dem Bild doch alles gut wäre eher bewirkt, dass er noch mehr dagegen geredet hat. Also haben wir uns irgendwann auf etwas weniger "Aufmerksamkeit" eingependelt. Eher sowas wie "also ICH finde es gut gelungen" (wenn du das anders siehst, ist das deine Meinung) und dann nicht weiter darauf herumgeritten. Auch eher "wenn du Hilfe brauchst/möchtest, sag Bescheid" anstatt sie mehr oder weniger aufzudrängen in bester Absicht. Unser Gefühl war, je mehr wir helfen wollen, um so mehr wird das als Bestätigung dafür genommen, dass man es alleine eh nicht kann. Unsere Klassenlehrerin hat dazu etwas sehr Schlaues gesagt: ein Einzelkind hat eine soziale Gruppe - die Eltern. Mit denen vergleicht es sich auf Elternniveau. Während Geschwister eine eigene Gruppe bilden, innerhalb derer sie sich auf Kinderniveau vergleichen. Da die Eltern natürlich eh in den Augen der Kinder alles können, fällt es Einzelkindern oft schwerer, nicht von vorne herein das Gefühl zu haben, es eh nicht gut genug (im Vergleich zu den Eltern) zu können. Deshalb schlägt das gut gemeinte Helfen wollen oft in noch größere Dramen um. Das Helfen wird gleichbedeutend mit "wieder gezeigt bekommen, wie schlecht man im Vergleich ist/was man noch nicht kann". Tricky. Aber diese Erklärung hat uns zumindest geholfen, das komplett ablehnende Verhalten bei Hilfsangeboten zu verstehen. Daher haben wir das eben so zurückgefahren auf ein Angebot, über das er selber entscheiden kann. Oder auch gar nichts wirklich zu einem Ausbruch gesagt außer "was ist denn los?" und "aha. Verstehe". Also Interesse und Verständnis/zur Kenntnis nehmen, aber kein "ums Kind herumtanzen und alles tun wollen, damit es sich besser fühlt". Denn nach dem rumwüten, ohne das dies durch unsere Motivationsversuche noch befeuert wurde, hat er dann oft selbst einfach noch mal angefangen und dann war es gut. Vielleicht müssen die Kids auch manchmal die Gelegenheit haben, mit ihren Emotionen erst selbst klar zu kommen. Sie ist ja nicht wirklich alleine dabei. Natürlich hat das auch etwas mit dem Charakter des Kindes zu tun - nicht jedes Einzelkind ist so. Aber die sensibleren oder auch einfach (ganz ohne "Fehler" in der Erziehung!) etwas unsichereren Kinder scheinen da eher hin zu tendieren.

von cube am 26.03.2021, 09:09



Antwort auf: "ich kann das nicht"

Ich hab umgekehrt Kind um Hilfe gebeten, weil ich etwas (vorgeblich oder tatsächlich) alleine bzw. ohne ihre Hilfe gerade nicht hinbekomme. Etwas festhalten, beim Kochen mal bitte xy anreichen/umrühren oder so. Und auch mal absichtlich zB etwas "falsch" gezeichnet, um es nochmal zu probieren. 1. auch ich bin nicht perfekt/kann alles super gut auf Anhieb 2. etwas "falsch" zu machen ist nicht das Ende der Welt, ich versuch es einfach noch mal - also zeigen, wie man mit Mißerfolgen anders umgehen kann Tatsächlich zeichne ich wirklich grottenschlecht :-) Nur unser Kind meint, ich wäre Picasso :-)))

von cube am 26.03.2021, 09:48



Antwort auf: "ich kann das nicht"

Unsere Tochter ist zwar erst 23 Monate, aber was Cube schreibt, ist echt super hilfreich für später! Echt toll, dass man hier auch unter anderen Fragen spannende Antworten findet, die einem selber auch helfen.

von Sabrina5020 am 26.03.2021, 13:14



Antwort auf: "ich kann das nicht"

@Cube danke für Deinen Input Bzgl Hilfe-die Idee kommt nicht von mir sondern sie kommt und sagt erst "machst du mir... /zeichnest du mir....". Dann will sie das nachmachen (und ich mach schon bewusst Dinge die so angelegt sind dass sie es auch schaffen kann), klappt das nicht exakt so wie ich es gemacht habe kommen die Tränen. Selbst wenn es wirklich ähnlich ist, sie ist dann mit sich selbst extrem pingelig. Und ja sie sieht uns auch "stümpern"-ich lerne zB gerade ein neues Musikinstrument und nunja da ist man eben anfangs nicht gut. Sie hilft uns viel und sie bekommt auch Aufgaben die "nur sie" kann ;-) , nur sie ist recht schlau und überringelt es rasch wenn man Situationen gestaltet. Aber vielleicht probieren wir es auch mal mit etwas weniger Aufmerksamkeit, vielleicht hilft das ja. Danke jedenfalls

von Lyra1804 am 26.03.2021, 15:10



Antwort auf: "ich kann das nicht"

Wenn sie fragt "machst du mir mal/kannst du mir xy " könntest du ja mal probieren, sie "hinzuhalten" mit einer vorgeschobenen Tätigkeit, die du machen musst und sie solle doch schon mal anfangen, du kämst dann gleich dazu? Wenn sie darauf nicht eingeht, also wartet, dann könntest du auch sagen, ihr malt gemeinsam. Also nicht DU malst ihr etwas vor, sondern ihr malt beide ein eigenes Bild oder jeder mal ein Stück - aber eben nicht du für sie. Ein Stück weit müssen Kinder aber eben auch lernen, dass Mißerfolge zum Leben dazu gehören bzw. es in ihrer Hand liegt, was man daraus macht. Unser Kind ist ja nun schon älter und da sag ich dann tatsächlich auch öfter mal (nett natürlich), dass "kann ich nicht" eben auch der einfachste Weg ist - aber ganz sicher niemals zum gewünschten Ziel führen wird. Tatsächlich hat das viele Helfen, immer wieder trösten, "natürlich bist du nicht dumm/schlecht darin oä" auch ein Stück weit dazu geführt, dass er es eben auch gar nicht mehr wirklich probiert hat. In Tränen auszubrechen führt halt idR auch dazu, dass man Mitleid bekommt und einem immer wieder geholfen wird. Spätestens in der Schule ist das immer wieder helfen aber auch mal vorbei und die Kids müssen SELBST WOLLEN. Denn ansonsten kannst du dich auf den Kopf stellen und mit den Füßen wackeln - wenn Kind nicht von sich aus will und dafür auch mal ein Stückchen höher springt als es eigentlich bequem wäre, wird das seeehr anstrengend für alle ;-)

von cube am 26.03.2021, 17:34



Antwort auf: "ich kann das nicht"

Rückwirken betrachtet würde ich sogar sagen: wir haben von Anfang an ganz unbewusst zu viel geholfen. Einzelkind halt - volle Aufmerksamkeit :-) Kind will rutschen - klar, ich helf dir hoch. Kind will schaukeln - warte, ich schubs dich an. Kind will Dreirad fahren - oh, ist das noch so schwer? Warte, ich schieb dich ein Stückchen an. usw. In der Retrospektive würde ich sagen, wir/ich hätte öfter einfachmal abwarten sollen ob Kind nicht selbst - nach Nölen, wüten etc - es doch selbst zumindest probiert. Und dann hätte man immer noch helfen können. Oder vielleicht sogar besser: erklären, wie es jetzt zum Ziel kommt. So dass es letztendlich selbst geschafft wurde und nicht von anderen "gemacht". Bzgl. Malen hab ich unserem Kind übrigens mal einfach Bilder verschiedener Künstler ausgedruck bzw. im I-Net gezeigt: sowas wie Dali zB. oder andere Künstler, die nicht Wirklichkeitsgetreu malen. Und dazu eben erklärt, dass es in der Kunst kein Richtig oder Falsch gibt. Und später auch mal gezeigt (Comic-Fan :-), wieviele Skizzen ein Comic-Zeichner macht, bevor er sagt "so soll es sein".

von cube am 26.03.2021, 17:50



Antwort auf: "ich kann das nicht"

Zu Deinem ersten Post-ja das sich selber überwinden, sich selber motivieren lernen ist das was mir ein wenig zu denken gibt. Denn es kommt der Punkt wo man es eben können sollte, sonst wird es für alle unbequem. Zum Thema wenn ich dann zb nicht male dann kommt momentan eben entweder ein sofortiger Tränenausbruch (echte Enttäuschung) oder manchmal noch ein trotziges "ich hab Dich nicht mehr lieb" (was von uns nicht groß kommentiert wird). Oft versucht sie aber einfach abzugucken was wir tun und wird dann traurig wenn sie das nicht genauso kann. Sie stellt an sich eben ganz ganz hohe Ansprüche. Zum Thema selber machen lassen-sie ist in vielen Bereichen sehr selbstständig was so ziemlich allen auffällt die sie kennen. Es gibt bei ihr keine Langeweile, sie weiß sich zu beschäftigen, ist in vielen Bereichen schon wirklich auch eine Hilfe. Es gilt bei uns: "Erzähle mir und ich vergesse, zeige mir und ich erinnere, lass es mich tun und ich verstehe". Sie kann darf und soll (fast) alles erstmal selber probieren und bewusst vormachen tun wir ihr so wenig wie irgend möglich (dagegen bin ich selber allergisch, hab ich schon in meiner Kindheit gehasst :-) ). Ob wir sie manchmal zu sehr verhätschelt haben-vielleicht. Denn eigentlich gilt bei uns dass man sich gegenseitig hilft, jemanden mit vorgeschobenen Gründen auflaufen lassen gibt es hier nicht.

von Lyra1804 am 26.03.2021, 18:55