Frage im Expertenforum Erziehung an Christiane Schuster:

Hilfe! aufsässiger 4-jähriger - vorsicht lang...

Christiane Schuster

 Christiane Schuster
Sozialpädagogin
Frage: Hilfe! aufsässiger 4-jähriger - vorsicht lang...

Mitglied inaktiv

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Guten Morgen, mein 4jähriger Sohn macht mich im Moment völlig fertig. Ich weiß langsam keinen Rat mehr. Ich habe das Gefühl, wir haben uns einen richtigen Tyrannen „erzogen“. Bisher habe ich es immer mit „logischen Konsequenzen“ versucht. Klappte auch ganz gut, inzwischen scheint ihn das nicht mehr wirklich zu interessieren. Beispiel 1: Wir sind unterwegs - einkaufen oder spazieren - wenn wir stehen bleiben und im Geschäft z. B. ein Verkäufer mit mir spricht, fängt er spätestens nach 2 Minuten an wild hin und her zu rennen und lacht sich dabei kaputt. Wenn ich dann sage „bitte nicht so wild, hier kann was kaputt gehen oder du kannst dich verletzen“ macht er natürlich immer wilder fängt unter Umständen an mich zu schlagen und läuft dann immer wieder lachend weg, in der Hoffnung, dass ich die Verfolgung aufnehme. Ich bleibe dann stehen und Rede mit der anderen Person weiter. Aber es ist nicht so, dass er dann irgendwann aufgeben würde. An der Hand halten kann ich ihn nicht, weil er dann extrem rumzerrt und ich ihn kaum halten kann. In diesem Fall hatte ich dann 2x angedroht, anschl. nicht mit ihm zum Rummel zu gehen, wenn das hier nicht klappt. Er hat weiter gemacht, wir sind nicht zum Rummel gegangen. Am nächsten Tag, gleiches Spiel bei einer anderen Situation, ebenfalls angedroht, nicht zum Rummel zu gehen - nichts genutzt. Obwohl er ja am Vortag gesehen hat, dass wir tatsächlich nicht gegangen sind und er unbedingt wollte, hab ich das Gefühl er lernt daraus nichts. Beispiel 2: Als Antwort auf unsere Bitten wie z. B. „bitte iss ordentlich“ etc. erhalten wir - ebenso die Großeltern - Antworten wie: Soll ich dich abschießen, tot schießen etc. (hat er vermutlich aus dem Kindergarten). Ich erkläre, dass solche Antworten nicht schön sind und ich traurig bin, wenn ich so was hören muss. Macht aber scheinbar alles nur noch schlimmer. Er hört prinzipiell nicht wenn ich etwas sage, er erzählt mir dann einfach etwas anderes, was er gerade möchte und scheint manchmal tatsächlich nicht zu wissen, was ich gerade gesagt habe. Wenn ich mich dann mal alleine zu ihm in s Zimmer setze und in Ruhe erkläre, dass das so nicht geht. Versucht er ernst zu kucken muss sich aber den Mund zu halten und erklärt mit, dass er sonst lachen muss. Witzig finde ich das schon lange nicht mehr. Ich frage mich, ob wir langsam ein Fall für den Psychologen sind. Ich weiß einfach nicht, wie ich auf diese Aktionen reagieren soll… Vielleicht weiß jemand Rat oder hat ähnliche Erfahrungen? LG Emily


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Hallo Emily Nein, ein Fall für einen Kinder-Psychologen ist Ihr Sohn nach Ihrer Beschreibung nicht, da er sich durchaus altersgerecht verhält: Mit seinem Verhalten möchte er Ihnen zeigen, dass er schon "groß und stark" ist, während er gleichzeitig seinen eigenen Willen mit all`seinen bisherigen Erfahrungen durchzusetzen versucht und Ihre jeweiligen Reaktionen testet. Diese Phase ist (leider) geradezu notwendig, damit die Kinder ihre Persönlichkeit stärken, ihre individuelle Position innerhalb ihrer Umgebung finden und auch zu verteidigen lernen. Bei aller "Normalität" ist gerade jetzt ein umsichtiges, reflektiertes Handeln Ihrerseits notwendig, damit Ihr Sohn lernt, sich auch an begründete Grenzen und Regeln halten zu müssen, die nicht unbedingt den eigenen Wünschen entsprechen. Achten Sie bitte bei Einkäufen, Spaziergängen o.Ä. darauf, dass Ihr Sohn stets beschäftigt ist und erst gar nicht auf die Idee kommen wird, provozierend auf sich aufmerksam machen zu müssen. Je mehr Sie ihn zurechtweisen, umso provokanter wird er reagieren.- Auf die aus dem Kiga "aufgeschnappten" Worte empfehle ich Ihnen, gar nicht zu reagieren oder aber mit einem schon beinahe ein wenig arroganten: "Na, du bist wohl doch noch zu klein, um zu wissen, wovon du da sprichst -oder soll ich es mal erklären?"- Auf erklärende Gespräche sollten Sie vorläufig verzichten, da sie Ihren Sohn lediglich dazu anregen werden, seine innere Unsicherheit mit Provokation zu überspielen. Halten Sie durch, liebe Grüße und: bis bald?


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Hallo Emily, manchmal geraten wir Eltern ja leicht in den Teufelskreis, dass wir den halben Tag nur noch ermahnen und erklären. Einem kleinen Kind ist das schlicht zuviel und es reagiert mit noch mehr Verweigerung und Bockigkeit. Dann ermahnen wir noch mehr, sind noch gereizter - und das Kind wird noch "anstrengender", weil es sich durch das viele Ermahnen zunehmend abgelehnt fühlt. Irgendwann weiß es dann gar nicht mehr, wie man von der Mama eigentlich auch positive Aufmerksamkeit bekommt und beschränkt sich darauf, negative Aufmerksamkeit einzufordern und zu erzwingen. Ich hab' auch zwei Kinder. Zunächst mal muss ich Dir tröstend sagen: Das Theater Deines Kleinen, sobald Du mit jemand anderem sprichst, ist absolut normal. Kleine Kinder hassen einfach nichts mehr, als wenn die Aufmerksamkeit der Eltern von jemand anderem (gern auch am Telefon) abgelenkt wird. Es ist ihnen angeboren, dass sie dann versuchen müssen, durch auffälliges oder störendes Verhalten die Aufmerksamkeit der Mutter zurückzugewinnen. Sie können gar nicht anders. Wohl damit Kinder im Alltag nicht zu sehr an den Rand der Aufmerksamkeit geraten, hat die Evolution dieses Verhalten eingerichtet. Es ist eine große Leistung, wenn Dein Sohn normalerweise zwei Minuten aushält, bevor er anfängt zu stören (mein Dreijähriger wartet leider nicht so lang). Was das Matschen beim Essen angeht, auch das machen sie alle! Auch ich sagen meinen Kindern leierkastenartig, doch bitte nicht zu matschen, nichts herunterklatschen zu lassen, nicht mit den Fingern in den Becher zu grapschen und sich über den Teller zu beugen, seufz... Es dauert leider Jahre, bis die Kleinen das können. Die bekannte Familientherapeutin und Buch-Autorin Ursula Neumann ("Wenn die Kinder klein sind, gib ihnen Wurzeln - wenn sie groß sind, gib ihnen Flügel") betont gegenüber geplagten Eltern dazu immer wieder: "Kinder MÜSSEN beim Essen matschen. Es matscht sozusagen ganz von selber mit ihnen." Du siehst, das Problem ist bekannt und hat nichts mit Deinem Sohn zu tun. Natürlich kann man den Kindern vermitteln, dass das Matschen grundsätzlich nicht erwünscht ist - ganz abstellen kann man es leider so früh nicht. Du bist sicher weniger genervt, wenn Du Dir klar machst, dass Dein Sohn ein ganz normales Kind ist, das tut, was alle Kinder tun. Du brauchst sein Verhalten nämlich dann nicht persönlich zu nehmen, nicht als Provokation oder Schikane zu verstehen - und ihm selbst keine negativen Bewertungen aufzudrücken wie "Aufsässigkeit". Wenn er bei Gardinenpredigten grinsen muss, liegt das übrigens nicht daran, dass er das Ganz lustig fände. Es ist eine typische Übersprunghandlung eines Kindes, das sich gerade sehr unwohl fühlt. Auch Erwachsenen kann es passieren, dass sie in spannungsreichen Situationen plötzlich unpassenderweise das Lachen unterdrücken müssen (sogar auf Beerdigungen, oder als TV-Sprecher beim Vortragen trauriger Nachrichten, oder bei Stress mit dem Chef etc.). Um mit ihm zusammen wieder aus dem Alltag aus Nerverei und Ermahnungen herauszukommen, kannst Du vielleicht eine neue Strategie verfolgen: Ihn zum Beispiel ganz bewusst jedes Mal loben, wenn er Dir bei etwas hilft oder zwei Minuten geduldig war, während Du mit jemandem gesprochen hast, wenn er mal vorsichtig ist, mal nicht matscht etc. Leider bemerken wrir Eltern das nämlich fast nie und springen nur an, wenn das Kind sich NICHT erwünscht verhält. Störendes Verhalten bei ihm würde ich dagegen nicht mit allzuviel Aufmerksamkeit belohnen. Wenn er was von "toschießen" sagt, musst Du überhaupt nicht groß reagieren. Er weiß genau, dass er da etwas Unschönes sagt, das brauchst Du ihm nicht umständlich zu erklären. Es reicht, wenn Du kurz sagst, dass Du das nicht möchtest. Danach würde ich abrupt das Thema wechseln. Wenn er merkt, dass Du dieses Verhalten nicht interessant findest, wird es auch für ihn langweilig. Wenn Du aber auf alles, was er macht, immer zuverlässig anspringst, verstärktst Du dieses Verhalten. Langen Gelabers kurzer Sinn ;-) : Überlege doch mal, was Du an Deinem Sohn richtig gut findest. Lobe ihn viel, lass ihn viel mitmachen und mithelfen, gibt ihm ein bisschen Verantwortung und kleine Aufgaben ("Meinst Du, Du kannst schon allein die Spülmaschine einräumen?"). Mach' ihn stolz. Lobe ihn auch vor anderen. Last but not least: Bei uns hilft es bei schlechter Stimmung, zwischendurch einfach mal wieder mehr Unsinn zu machen, bis beide Kinder vor Lachen quieken. Das entspannt total, wenn man als Mutter zu sehr auf dem Nörgel-Trip unterwegs ist... Alles Liebe, Bianca


Mitglied inaktiv

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Hallo Bianca, vielen Dank für die ausführliche "Beratung". Mit Absatz 1 hast du völlig recht, es ist nur wirklich schwierig da rauszukommen. Wenn man selbst den Eindruck hat, dass man nichts zum Loben finden kann. Ich weiß auch, dass andere Eltern unserer Kita, ähnliche Antworten von den Kindern bekommen. Das Matschen mit dem Essen war nur ein Beispiel. Da versuche ich auf die Zähne zu beißen. Schlimmer finde ich das wilde Rumgefuchtel und nachahmen einer "Schießerei", da kippen die Becher etc. Und hier denke ich, sollte man einem 4-jährigen schon klar machen können, dass das nicht geht. Ein Problem sind diese Aktionen in der Öffentlichkeit, mit denen er versucht mich zu provozieren. Wenn ich mich nicht um die Aktionen kümmere, gibt er trotzdem nicht auf. Den Rat mit dem Loben werde ich auf jeden FAll befolgen, da werde ich wohl sehr genau suchen müssen ;-) Aber es ist im Augenblick echt so, dass ich ihm nicht den Rücken zudrehen darf.... Bin ich auf der Toilette, räumt er den Kühlschrank aus... LG Emily


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Hallo, vielen Dank für den Rat - ist auch verständlich. Aber wie reagiere ich, wenn er mich in der Öffentlichkeit bzw. im Beisein anderer Personen schlägt oder boxt (er macht es nur im Beisein anderer Personen). Ich versuche nicht darauf zu reagieren bzw. dies zu ignorieren. Weiß nicht, ob das angebracht ist... LG Emily


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Hallo Emily Da Sie dieses Verhalten bestimmt nur bis zu einer gewissen Grenze ignorieren können und Ihr Sohn eigentlich auch eine Reaktion von Ihnen erwartet, rate ich Ihnen, ihn ganz ruhig und gelassen zu fragen, ob er mit Ihnen ein "Boxkämpfchen" machen möchte, worauf Sie ggf. dann spielerisch eingehen müßten. Da Sie Damit aber nicht die erwartete Reaktion : Schimpfen, zeigen, vermute ich, dass er das Interesse zu schlagen, zu boxen o.Ä. verlieren wird. Auf die Reaktion Ihres Sohnes bin ich gespannt.- Liebe Grüße und: bis bald?


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