Frage im Expertenforum Erziehung an Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens:

Gefühlsbewältigung Kleinkind

Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens

Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens
Diplom Sozialpädagogin

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Frage: Gefühlsbewältigung Kleinkind

Rosarot6835

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Hallo Frau Ubbens. Ich habe eine Frage zum Thema Gefühlsbewältigung in der Autonomiephase. Ich hatte mit meiner Tochter (fast 2) in der Kita eine Situation, die bei mir noch Fragen aufwirft. Sie hatte beim Abholen einen Trotzanfall und ließ sich nicht anziehen. Ich hoffte, sie würde sich schnell beruhigen und hielt es aus. Als aber Zeit zum Gehen war und sie immer noch nicht bereit war sich anzuziehen verließen wir das Gebäude zusammen mit den Erzieherinnen. Draußen ließ sich meine Tochter problemlos von einer Erzieherin anziehen. Diese sagte mir dann, ich soll nicht abwarten bis sie kooperiert (in diesem Fall aus Zeitgründen) oder ich die Nerven verliere. Diesen Moment würde meine Tochter provozieren, um ihre Grenzen zu erfahren. Ok, soweit gebe ich ihr recht. Aber jetzt frage ich mich, was so schlimm dabei ist ihren Trotz geduldig auszuhalten, natürlich sofern ich die Zeit dazu habe. Wie oder welche Gefühle darf sie denn ausleben? Sie soll ja einerseits lernen, Gefühle zu regulieren und Wege finden mit ihnen gesellschaftskonform umzugehen, aber andererseits soll ich ihr den Weg aus der Überforderung weisen und sie -wie in diesem Beispiel- einfach ruhig anziehen. Wann soll ich denn jetzt vorzeitig einschreiten und wann macht es Sinn abzuwarten? (Körperlich geht sie nicht gegen mich oder zerstört Gegenstände.) In der Wut wirft sie immer mit voller Kraft den Kopf nach hinten. Auf dem Schoß trifft sie den Brustkorb, sie macht es aber auch auf dem Boden. Alternativen akzeptiert sie nicht wie stampfen oder mich zum Beispiel fest drücken. Verletzt hat sie sich natürlich noch nicht dabei. Ich befürchte aber, dass es vielleicht mal passiert. Wie ändere ich dieses Verhalten oder sucht sie sich selbst andere Möglichkeiten zur Regulierung? Vielen Dank für Ihre Hilfe! Liebe Grüße


Sylvia Ubbens

Sylvia Ubbens

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Liebe Rosarot6835, im Alter Ihrer Tochter dürfen Sie noch Kompromisse eingehen bzw. Ihrer Tochter aus ihrem Frust helfen. Das hat nichts damit zu tun, dass sie ihre Gefühle nicht zeigen darf. Sie verbieten den Frust ja nicht. Im Fall Kindergarten kann das bedeuten, dass Sie den Kompromiss eingehen zu sagen, "Du kannst noch das Buch zuende angucken (oder womit sich Ihre Tochter gerade beschäftigt), dann gehen wir Schuhe anziehen." Ist das Buch zuende durchgeblättert nehmen Sie Ihre Tochter an die Hand und gehen zur Garderobe. Wenn Ihre Tochter es zulässt, ziehen Sie ihr dort die Schuhe und Jacke an und verlassen die Einrichtung - mit oder ohne Protest. Auch in ähnlichen Situationen, in denen Sie erklären, was als Nächstes passieren wird und Ihre Tochter möchte nicht, dürfen Sie Ihr Ziel verfolgen und ggf. den Protest / den Frust unterbrechen. Anders in Situationen, in denen Sie von vorneherein Alternativen, beispielsweise einen Apfel oder eine Birne als Zwischenmahlzeit anbieten, Ihre Tochter aber Kekse möchte, die Sie ihr nicht geben möchten. Auch hier gilt es, dass Sie an Ihren Worten festhalten. Gleiches gilt bei Verboten. Ihre Tochter kann ihre Gefühle ausleben, ohne dass Sie diese durch ein Handeln Ihrerseits unterbrechen (müssen) und lernen, sich selbst zu regulieren. Sie wird zu Ihnen kommen, wenn sie Ihre Unterstützung, Ihren Trost möchte. Viele Grüße Sylvia


User-1736455377

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Naja, mit dem sehr geduldigen Warten deinerseits hat deine Tochter bekommen, was sie wollte: ihr seid so lange geblieben, bis sogar die Erzieherinnen gehen müssen. Mit nicht mal 2 ist sie auch noch zu jung das Konzept der "Ausnahme" (heute habe ich Zeit dafür, morgen aber nicht) kognitiv wirklich zu verstehen. Gefühle begleiten oder zulassen heißt nicht, immer abwarten bis Kind sich selbst dazu entscheidet, deinen Wünschen/Aufforderungen zu folgen. Dass hieße ja, Kind bestimmt am Ende, wann etwas gemacht wird und aller anderen müssen ihre Gefühle aushalten dabei. Sinnvoller wäre ihr zu sagen "ich verstehe, dass du gerne noch bleiben würdest - aber ich möchte jetzt fahren/wir müssen jetzt aber los" oä. "Ziehst du dich selber an oder soll ich das für dich tun?" Damit gibst du ihr eine Wahl/Selbstbestimmungsrecht und im besten Fall konzentriert sie sich auf diese Entscheidung und nicht mehr auf Nicht-gehen-wollen. Dann kannst du ein bisschen warten und ihr ankündigen, dass ihr jetzt geht und du sie anziehen wirst. Lässt sie das nicht zu, geht ihr halt ohne Jacke etc raus. Wichtig ist nämlich am Ende dennoch, dass DU bestimmst/entschieden hast, das ihr jetzt geht und das auch durchziehst.


Rosarot6835

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Ich verstehe was du meinst. Mir fällt das Thema unheimlich schwer irgendwie. Leider ist sie währenddessen nicht wirklich empfänglich für Vorschläge. Letztlich bin ich ja auch ohne Anziehen gegangen. Das war auch nicht das erste mal. Wahrscheinlich warte ich durchaus zu lange ab, das bestreite ich nicht. Aber die Erzieherin meinte auch, wenn ich die Zeit habe darf ich diese Konflikte schon „ausdiskutieren“. Manchmal klappt das ja auch, aber eben nicht immer. Dass sie Führung braucht verstehe ich. Ich habe allerdings Probleme den Mittelweg zu finden zwischen wie streng ich sein muss, damit sie mir nicht irgendwann auf der Nase herumtanzt und ihre Selbstbestimmung zu unterstützen, um aus ihr einen selbstbewussten Mensch zu machen. Wieviel „Fehler“ sind vertretbar , eventuell später noch korrigierbar? Bei meiner Familie heißt es leider immer, sie darf nicht schreien, wenn sie dort in Betreuung ist. Dieses Verhalten wird nicht akzeptiert. Für mich kommt an, sei ruhig und unterdrücke deine Gefühle. Diese Dinge meine ich mit „Fehler“. Ich versuche das zu kompensieren.


Rosarot6835

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Dazu kommt, dass sie dickköpfig ist. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man einen Dickschädel nicht mit Druck zu etwas zwingen kann. Druck erzeugt Gegendruck. Man muss ihn überzeugen oder biegen. Und ich will sie ja nicht brechen sondern nur formen. Sie ist noch zu jung, klar, aber die Richtung weise ich ja schon jetzt. Oder denke ich schon zu weit voraus?


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