Frage im Expertenforum Erziehung an Christiane Schuster:

Beißkind

Christiane Schuster

 Christiane Schuster
Sozialpädagogin
Frage: Beißkind

Mitglied inaktiv

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Ich brauche mal Trost und vielleicht auch Rat von Eltern, die hier Erfahrungen haben. Ich habe ein sogenanntes Beißkind und bin seit fast 9 Monaten einem kaum vorstellbaren Terror ausgesetzt. Als mein Sohn im April in den KiGa kam, war er 3 1/4 , gut drauf, gut entwickelt, energisch und hatte bereits die eine oder andere aggressive Phase hinter sich. D.h., er biß mal in der Spielgruppe und hatte eine derbe An-den-Haaren-zieh-Phase. Aber das war vorbei als er in die KiTa kam. Quasi mit dem ersten Tag im Kindergarten fing es wieder an – mit der Beißerei. Und das praktiziert er in großem Ausmaß, so dass man durchaus behaupten kann, dass beinahe jedes Kind in der KiTa (und besonders die aus seiner Gruppe) mehrfach zum Beißopfer wurden. Die Bissverletzungen sind teilweise recht heftig, manchmal ist es nicht so schlimm. Anfangs wurde es von den Kindergärtnerinnen noch auf die leichte Schulter genommen, mittlerweile haben sie aber festgestellt, dass sie noch nie ein Beißkind mit solchen Ausmaßen hatten. Ich war zunächst überzeugt, dass mein Sohn zu früh in die KiTa geschickt wurde. Aber einerseits brachte mir die Überlegung nicht viel, dass ich arbeiten gehe und das auch gerne beibehalten möchte/muß und zweitens geht er echt gerne dorthin. Es gab nie ein NEIN – DA WILL ICH NICHT HIN und nie Geheule. Er liebt seine Erzieherinnen und hat auch ein bisschen Kontakt zu den anderen Kindern und wird auch liebevoll dort empfangen – mit Ausnahme der frisch gebissenen Kinder. Mittlerweile haben wir alles angeleiert, was es nur anzuleiern gibt: Erziehungsberatung, Triple P, Psychologische Beratungen, ärztl. Untersuchungen, Ergotherapie… Nichts deutet darauf hin, dass etwas nicht stimmt – gesundheitlich gesehen. Auch spricht alles gegen ADS oder dergleichen. Es gibt gute Phasen, aber dann beißt er wieder drei Tage hintereinander. Zur Zeit haben wir ausgemacht, ihn jedes Mal nach einem Biß nach Hause zu holen. Da ich vom Home Office arbeite, kann ich das einigermaßen leisten, er muß halt alleine im Kinderzimmer spielen. Das geht einigermaßen friedlich, ist aber natürlich keine Dauerlösung. Unsere Familie dreht ziemlich am Rad und der Hauptgrund liegt wohl darin, dass der Druck von außen immer größer wird. Wir werden dauernd von den Eltern angerufen, wir werden dauernd angesprochen, wann unser Kind denn endlich I-Kind wird, ob es schon beim Psychologen sitzt und behandelt wird, ob wir assozial sind, ob wir nicht in der Lage sind, unser Kind zu erziehen etc etc. Es ist echt schlimm. Den neusten Höhepunkt haben wir erreicht, als vor 14 Tagen ein Elternpaar Beschwerde beim Träger des Kindergartens eingereicht hat. Sie haben um „Entfernung“ unseres Kindes aus der KiTa ersucht, unser Kind der Körperverletzung und die Erzieher wegen unterlassener Hilfeleistung angeschwärzt. Gott sei Dank stehen KiTa und Träger hinter uns. Sie sagen ganz richtig aus, dass auch Kinder mit Auffälligkeiten in dieser KiTa willkommen sind und dass man zur Aufgabe hat, diese Auffälligkeiten „abzustellen“. Somit droht uns kein Rausschmiß. Gestern wurde dieser Junge neu gebissen, die Eltern sind offenbar zum Arzt gerannt (es war nicht wirklich ein schlimmer Biß), wollten den Biß attestieren lassen und damit eine Anzeige bewirken. Es ist ja schon fast lächerlich, würden wir hier nicht die Hauptrolle spielen. Der Kindergarten gibt den Rat, weiterhin dranzubleiben, weil ich wirklich schon soweit bin, ihn in einen anderen Kindergarten zu geben. Puh. Das war ein langer Brief. Gibt’s jemanden, der mir Trost spenden kann? Anzumerken wäre noch, dass die meisten Eltern mich schneiden und mein Sohn auch Dinge in die Schuhe geschoben bekommt, mit denen er nichts zu tun hatte. Es gibt noch was zu sagen: mir tun die Opfer auch furchtbar leid und ich würde alles darum geben, dass mein Sohn es nicht mehr tut. Gruß von Katja


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Hallo Katja Haben Sie auch schon mal einen Seh- und Hörtest bei Ihrem Sohn angeregt, da das Beißen durchaus seine Ursache in einer Unsicherheit haben kann, wie ich aus eigener Erfahrung in der Gruppenarbeit weiß? Ebenso sollten Sie seinen Tagesablauf insgesamt überdenken, indem Sie ihn z.B. zu einem Rollenspiel ermutigen (mit Hand-, Finger-Puppen oder personifizierten Kuscheltieren) um verschiedene Situationen nachzuspielen, damit Unverstandenes erkannt und aufgearbeitet werden kann. Fühlt er sich in der sicherlich recht großen Kita-Gruppe zu wenig beachtet, sodass er mit seinem (beißenden) Verhalten "nur" auf sich aufmerksam zu machen versucht? In diesem Fall wäre es sicherlich von Vorteil, wenn Ihr Sohn in der Kita und auch zu Hause stets neue, konkrete Beschäftigungs-Angebote erhielte, an Denen Sie oder auch die Erzieherin sich (vorübergehend) beteiligen würden. Geben Sie Ihrem Sohn doch mal stets etwas zum Beißen Geeignetes in seiner Tasche mit und bitten Sie ihn möglichst gelassen, lieber in diesen Gegenstand (Obst o.Ä.) zu beißen, damit er seine "Freunde" nicht verärgert, die eigentlich gerne mit ihm spielen möchten. Einen Kiga-Wechsel sollten Sie dennoch in Erwägung ziehen, da m.E. nach die Vorurteile gegenüber Ihrem Sohn und Ihnen, bzw. Ihrer Familie derart verhärtet sind, dass kaum noch die Möglichkeit besteht, dass Ihr Sohn -wie alle übrigen Kinder auch- voll in die bestehende Gruppe integriert werden kann. Nachdenkliche Grüße und: bis bald?


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