Evermore
Guten Tag Frau Henkes, ich habe mich schon einmal an Sie gewandt, als mein jetzt 29 Monate alter Sohn noch ein Baby war. Damals wie heute war die Situation so, dass ich krankheitsbedingt in einem anderen Zimmer geschlafen habe als Papa und Sohn und dass unser Sohn meinen Mann mir gegenüber deutlich bevorzugte. Sie schrieben mir damals, dass es natürlich sei, dass unser Sohn sich auf meinen Mann fokussiert, da dieser nachts bei ihm war (und ist) und ihn zur damaligen Zeit viel trug und körperlich einfach präsenter sein konnte. Bis heute ist es so, dass unser Sohn deutlich mehr den Kontakt zu meinem Mann sucht, wenn wir beide anwesend sind. Wenn er die Wahl hat, wendet er sich zum Trösten, für Körperkontakt und für emotionalen Halt (wenn er z.B. gegenüber Fremden unsicher ist) an ihn und nicht an mich. Er hat noch nie viel gekuschelt, mag Körperkontakt nur, wenn er diesen selbst initiiert und kommt meist zu meinem Mann, wenn er Bedürfnis nach Nähe hat. Er sagt auch häufiger, dass er mit Papa kuscheln möchte und explizit nicht mit mir, wenn wir zu dritt im Zimmer sind. Er hatte auch eine Phase, in der er monatelang sagte, dass ich weggehen solle, wenn wir zu dritt waren. Wenn ich mit ihm allein bin, ist er mir gegenüber jedoch offen, möchte zwar auch da nicht kuscheln, sucht aber gelegentlich doch Körperkontakt, indem er z.B. ab und zu kurz den Kopf auf meinen Schoß legt oder mich an der Hand nimmt. Er hat Spaß, wenn wir beide miteinander spielen, wendet sich auch an mich, wenn er an fremden Orten oder gegenüber fremden Personen unsicher ist. Bin ich alleine mit ihm, habe ich nicht den Eindruck, dass etwa unsere Bindung gestört wäre. Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass er in Gegenwart meines Mannes so auf ihn fokussiert ist und freue mich, dass die beiden solch ein gutes Verhältnis zueinander haben. Es tut mir zwar weh, wenn er sagt, dass er nur mit Papa kuscheln möchte und ich doch weggehen solle, aber ich versuche, damit erwachsen umzugehen und mich in solchen Momenten nicht von meiner Traurigkeit leiten zu lassen, sondern ihm weiterhin zugewandt, aber nicht aufdringlich zu begegnen. Kürzlich gab es aber eine Situation, die mich sehr verunsichert hat. Unser Sohn hatte nachts einen Wutanfall, weil mein Mann ihm ein Nasenspray gegen seine verstopfte Nase geben wollte. Ich setzte mich dazu und er brüllte mehrfach, dass er mich nicht möge und ich weggehen solle. Dass er in der Emotion so etwas sagt, ist schon öfter passiert, aber später wiederholte er dies, als er sich bereits wieder beruhigt hatte. Ich hatte mich zu den beiden ins Bett gelegt, unser Sohn wollte sich nicht dazulegen, starrte nur geradeaus. Auf Nachfrage, was denn los sei, wiederholte er, dass er mich nicht möge und Angst vor mir habe. Das traf mich sehr. Ich fragte, was ihm denn Angst mache, woraufhin er antwortete: „Ich habe Angst vor Mamis Händen und vor ihrer Nase. Die Mami gefällt mir nicht.“ Ich kann mir nicht erklären, warum er vor mir Angst haben könnte. Ich liebe unseren Sohn sehr und hoffe und denke, dass er sich meiner Liebe bewusst ist. Ich versuche immer, mich ihm gegenüber ruhig und zugewandt zu verhalten, auch wenn ich klare Ansagen formulieren muss. Ein paar wenige Male bin ich lauter geworden und einmal habe ich ihn in einer Ausnahmesituation richtig angeschrien, ihm aber hinterher noch einmal in Ruhe erklärt, warum ich so reagiert hatte. Daher habe ich die Vermutung, dass er nicht tatsächlich Angst vor mir hat, sondern es etwas anderes ist, das ihn so stört. Ich frage mich schon lange, ob unserer Beziehung schadet, dass ich nachts i.d.R. nicht zugegen bin. Unser Sohn sucht nachts viel Körperkontakt; alleine schlafen klappt noch nicht. Ohne hier ins Detail gehen zu wollen, ist es krankheitsbedingt für mich schwierig zu realisieren, dass ich permanent bei den beiden im Zimmer schlafe, weil ich mein spezielles Bett benötige und nachts oft aufstehen muss. Kürzlich thematisierte unser Sohn dies selbst und fragte, warum Papa nachts bei ihm sei und ich nicht. Ich erklärte es ihm, so gut ich konnte. Als er sich dann letztens wie beschrieben äußerte, fragte ich ihn, ob er traurig sei, dass ich nachts nicht mit im Zimmer bin. Er bejahte dies genauso wie die Frage, ob er sich wünsche, dass ich mit im Zimmer schlafe. Da ich sowieso schon länger am Überlegen war, ob ich künftig versuchen kann, irgendwie mitsamt meinem Bett mit im Zimmer zu schlafen, versprach ich ihm, dies gleich ab der nächsten Nacht zu tun. Ich sagte ihm auch, dass ich ebenfalls traurig bin, wenn ich nicht bei ihm und meinem Mann schlafen kann. Nach diesem Gespräch legte er sich hin und suchte vergleichsweise viel Körperkontakt zu mir, ebenso am nächsten Tag. Zugleich bekräftigte er aber tagsüber, als ich ihn fragte, ob er tatsächlich Angst vor mir habe, dass dies stimme – er meinte, er habe Angst vor meinem Kopf. Nun meine Fragen an Sie: Ich habe nun zwei Nächte mit im Zimmer geschlafen, allerdings erwies es sich als schwierig. Letztlich schlief ich in beiden Nächten kaum. Ich weiß nicht, ob es auf Dauer möglich und sinnvoll ist, dies durchzuziehen. Wenn ich wieder alleine schlafen müsste, würde ich versuchen, meinem Sohn zu erklären, dass ich nicht ganz gesund bin und deshalb einen anderen Raum zum Schlafen brauche. Ich möchte nicht, dass er glaubt, meine Abwesenheit läge an ihm oder ich würde weg von ihm wollen. Haben Sie einen Tipp, wie ich ihm dies altersgerecht vermitteln kann? Wie schätzen Sie seine Aussagen ein? Kann es tatsächlich sein, dass es nicht wirklich Angst mir gegenüber ist, die ihn umtreibt, sondern vielleicht eine Enttäuschung oder Unsicherheit darüber, dass ich eben nachts oft nicht anwesend bin? Vielleicht verunsichert es ihn auch, dass er wahrnimmt, dass es mir oft körperlich nicht gut geht? Schließlich sage ich ihm auch gezwungenermaßen, dass ich ihn nicht viel tragen kann, wenn er das möchte, dass ich ihm nicht hinterherkomme, wenn er schnell Laufrad fährt etc. Schließlich mache ich mir Sorgen, dass unsere Bindung gestört sein könnte, einfach aufgrund seines oftmals ablehnenenden Verhaltens im Alltag, wenn mein Mann verfügbar für ihn ist, und insbesondere aufgrund seiner Aussagen in der erwähnten Nacht und am Folgetag. Wie schätzen Sie dies ein? Vielen Dank für Ihre Rückmeldung!
Guten Tag, ich teile Ihre Einschätzung. Vermutlich drückt Ihr Sohn mit dem Wort Angst aus, dass er Ihr Verhalten nicht verstehen und einschätzen kann. Vermutlich hat er bei dem beschriebenen Ereignis in seiner Aufregung nicht verstehen können, warum Sie plötzlich mit ihm Bett lagen, obwohl das sonst nicht der Fall ist. Ich entnehme Ihrem Schreiben, dass Ihr Sohn noch nicht weiß, dass Sie nicht gesund sind und dass mit Ihrer Erkrankung Einschränkungen verbunden sind. Selbst wenn er noch nicht alles verstehen kann, ist es wichtig, dass Ihr Sohn dies erfährt, soweit es für einen Zweieinhalbjährigen verstehbar ist. Vermutlich wird Ihr Sohn dann immer noch den Wunsch haben, dass Sie mit im Zimmer schlafen. Er könnte jedoch zunehmend besser einschätzen, warum das nicht möglich ist. Kinder können in der Regel mit einem solchen Wissen gut umgehen und akzeptieren die Einschränkungen des betroffenen Elternteils. Möglicherweise könnte Ihnen eine professionelle Unterstützung dabei helfen, Ihren Sohn altersgerecht auf die Information über Ihre Erkrankung vorzubereiten. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes
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