Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Ingrid Henkes:

3-Jähriger möchte keinen Körperkontakt von der Mama

Ingrid Henkes

 Ingrid Henkes
Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

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Frage: 3-Jähriger möchte keinen Körperkontakt von der Mama

blume2508

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Sehr geehrte Frau Henkes, mein Sohn wird bald 3 Jahre alt und er möchte seit einigen Wochen keinen Körperkontakt zu mir (kein Kuscheln, kein Umarmen, kein Kuss auf die Stirn o.Ä.). Beim Verabschieden im Kindergarten darf ich nur "Tschüss" sagen ohne jegliche Berührung. Ich arbeite 2 Mal pro Woche ganztags. Wenn ich ihn dann abhole, würde ich ihn am liebsten umarmen und kuscheln, weil ich ihn zu dem Zeitpunkt schon sehr vermisst habe. Er sagt dann aber nur "hallo" und möchte keinen weiteren Kontakt.  Manchmal streichle ich ihn spontan am Rücken oder am Kopf (weil ich es vergesse, dass er es nicht möchte) und da zieht er sich auch sofort weg. Im ersten Lebensjahr war er sehr sehr viel in meinem Arm (und ich habe ihn auch gestillt). Im zweiten Lebensjahr war er zunehmend selbständig und hat öfter selbständig gespielt. Zwischen seinem 1. Geburstag und seinem ca. 30. Lebensmonat ist mir aufgefallen, dass er nie der große Kuschler war (d.h. er ist nicht von alleine zum Kuscheln gekommen, wie etwa seine Schwerster). Dennoch aber war es kein Problem, wenn ich ihm einen Kuss oder eine Umarmung gegeben habe. Für mich ist das eben (neben anderen Verhaltensweisen) eine Art meine Liebe auszudrücken und es fühlt sich schlimm an, dass er das nicht mehr möchte. Ich möchte dazu betonen, dass der Papa, die Tante etc. ihn kuscheln dürfen. Neulich nämlich hat ihm die Tante sogar mehrere Küsse auf die Wange gegeben und ich habe ihn später gefragt ob er sich nicht getraut hat NEIN zu sagen. Ich bin davon ausgegangen, dass er das ja eigentlich nicht mehr möchte. Er meinte dann, nein, das sei für ihn ok gewesen. Oft fehlt es mir so sehr, dass ich ihn frage, ob ich ihn umarmen darf. Er sagt dann "nein". Leider frage ich täglich, auch wenn ich das Thema wahrscheinlich nicht erwähnen sollte. Jedenfalls, was meinen Sie zu all dem? Ist es ein normales Verhalten, das ein 3-Jähriger aufzeigen kann? Woran kann dieses Verhalten liegen? Wie soll ich mich verhalten? Ist es ok, nach einer Umarmung zu fragen oder soll ich sein Bedürfnis akzeptieren und nicht mehr fragen? Vielen Dank für Ihre Hilfe.


Ingrid Henkes

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Guten Tag, das Verhalten Ihres Sohnes ist völlig normal. Ihr Sohn ist in einer psychischen Entwicklungsphase, in der er sich zunehmend aus den engen Bindungen der ersten Zeit lösen muss. Auch sein Anspruch auf Selbstbestimmung wächst. Den kann er noch nicht bei allem durchsetzen. Jedoch muss er das bei der Regulierung von Nähe und Distanz dürfen. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass Ihr Sohn mit seinem Verhalten in keiner Weise Ablehnung ausdrücken will. Das kommt im Denken von Dreijährigen nicht vor. Er möchte nur selber bestimmen, wer sich ihm wie nähern darf. Für Ihren Sohn ist es sehr bedeutsam, dass Sie durch sein Verhalten nicht gekränkt sind. Das würde ihn nur unnötig unter Druck setzen und sein Recht auf Selbstbestimmung bei Körperkontakt erschüttern. Die Ausübung dieses Rechts ermöglicht Ihrem Sohn zudem zukünftig Selbstschutz gegenüber evtl. übergriffigen Erwachsenen. Wenn Sie Ihren Sohn um Umarmungen bitten, könnte er einerseits ein schlechtes Gewissen bekommen und seine Distanzbestrebungen aufgeben, obwohl sie für seine Entwicklung wichtig sind. Zum anderen könnte das zu übersteigerten Machtgefühlen seinerseits führen, die für seine Entwicklung nicht günstig sind. Akzeptieren Sie das Verhalten Ihres Sohnes, möglichst ohne emotionale Betroffenheit. Möglicherweise zeigt er dieses Verhalten bei Ihnen, weil Sie die wichtigste und vertrauteste Bezugsperson sind. Daher wagt er vermutlich bei Ihnen am ehesten, auf Distanz zu bestehen. Zum anderen ist die Loslösung von der Mutter als primärer Bezugsperson am wichtigsten, um zu altersgemäßer Autonomie zu finden. Das sind notwendige Schritte in der kindlichen Entwicklung, die nichts mit Ablehnung oder einem Aufgeben der guten Beziehung zu tun haben. Die Beziehung zwischen Ihnen gelangt durch die psychische Entwicklung Ihres Sohnes auf ein neues Niveau. Wenn er sich seiner Selbstbestimmungsmöglichkeit sicher ist, wird Ihr Sohn die Distanz zu Ihnen wieder aufgeben. Ich bin allerdings der Meinung, dass Sie der Tante Ihres Sohnes sagen sollten, dass sie Ihren Sohn nicht mehr so ungestüm küsst. Sie weiß vermutlich, dass Sie unter seinem Distanzierungsstreben leiden und sollte daraus keine Konkurrenzsituation zwischen Ihnen entwickeln. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes


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