Hallo Herr Dr. Posth,
meine Tochter 23 Monate hat jetzt ihre ersten großen Trotzanfälle. Das heißt, dass Kleinigkeiten sie ganz fürchterlich aufregen, sie rumbrüllt und dergleichen. Ich weiß, alles ganz normal.
Seit neuestem zieht sie sich dann auch von uns zurück. Beispiel: Sie wollte beim Essen das scharfe Tomatenmesser haben und als sie es nicht bekommen hat, kam der Trotzanfall: Toben, Brüllen, Treten und schließlich der Rückzug ins eigene Bettchen, wo sie noch eine ganze Weie laut geschluchzt hat, wir ihr aber nicht nahe kommen durften.
Ist das richtig, wenn wir sie dann "austrotzen" lassen? Nach 5-10 Minuten kommt sie dann von alleine wieder zu uns und ist wieder gut gelaunt.
Vielen Dank für ihre Antwort
Kathi
Mitglied inaktiv - 20.05.2003, 19:11
Antwort auf:
Trotzanfälle - wie reagieren?
Liebe Kathi, das mit dem Trotzen ist etwas komplizierter, als einem die 0815-Psychologie gerne erzählen möchte. Es ist natürlich richtig, den Trotzanfall nicht zum Anlaß zu nehmen, einen Kniefall vor dem Kind zu machen. Damit nützt man werder dem Kind noch sich selbst. Aber der Trotzanfall kommt nicht einfach so. Er hat etwas mit der Intensität des eigenen Willens zu tun und dem dringenden Bedürfnis, sein erwachendes Selbst "durchzuboxen". Ich glaube dieser Begriff sagt Entscheidendes. Vom Selbst zehrt aber der Mensch sein Leben lang. Später nennt man diese Auswirkungen das Selbstbewußtsein eines Menschen. Erst, wenn man solche Zusammenhänge begriffen hat, kann man sich kompetent über das Trotzen äußern.
Daraus ergibt sich, daß das frische Selbstgefühl, weil ja noch wie zarter Stoff in der Luft zerreißbar, in 0-kommanichts von den Anderen heruntergemacht werden kann. Diese Sorge jedenfalls hat das Kind und es wehrt sich heftigst dagegen. Sobald es also die Übermacht von anderer Seite, -Elternautorität, natürliche Gewalten-, spürt und seinerseits unter Erfüllungszwang des eignene Willens steht(davon zehrt das sich entwickelnde Selbst), bricht es je nach Temperament mehr oder weniger aggressiv aus ihm heraus. Trotz ist so betrachtet eigentlich Selbstverteidigung des aller Schwächsten (oder emotionale Abfuhr wie extremer Ärger). Aber mit dem Schönheitsfehler, daß vom eigenen Willen via Einsicht und Vernunft noch nicht abgelassen werden kann, und der Wille einstweilen starr und unverrückbar auftritt. Das Kind ist also doppelt in der Klemme. Manche Kinder steigern sich da bis in den Psychokollaps (sog. Wegschreien oder Affektkrampf).
Was also tun? Selbst kann man ja ruhig bleiben, obwohl die Nichtigkeit des Anlasses oder der Zwang zum schützenden Eingreifen einem schon mal die Schweißperlen auf die Stirn treibt. Die größere Not ist aber beim Kind!! Die soziale Trennung für den Moment ist das Äußerste, was geht, und wenn sich das Kind in wenigen Minuten wieder beruhigt hat, ist die Versöhnung umso wichtiger und beglückender für beide Seiten. Das funktioniert immer dann gut, wenn das Urvertrauen zwischen Kind und Eltern stabil ist, was zeigt, wie wichtig das erste Lebensjahr für die Sozialisation und das zwischenmenschliche Verhalten schon gewesen ist. Gehen Sie auch über den Suchlauf auf die versch. Antworten zu Trotz und Trotzen. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 23.05.2003
Antwort auf:
Trotzanfälle - wie reagieren?
Hi,
ich habe vor kurzem etwas über dein Problem gelesen (im letzten Eltern-Heft). Da haben die geschrieben, dass dieses "Trotzen" am Anfang einfach mit den Kindern passiert und sie es nicht wirklich steuern können. Sie lernen aber mit der Zeit, es bewusst einzusetzen, wenn die Eltern dem Trotzen nachgeben... Darum glaube ich, dass ihr euch richtig verhaltet, zumal deine Tochter ja auch von selbst wieder zu euch kommt. Die ablehnende Haltung ist - so denke ich - auch nur eine Methode, die sie ausprobiert, um ihren Willen durchzusetzen, sie droht euch ja mehr oder weniger mit dem Entzug ihrer Liebe (was sie natürlich letzten Endes nicht tut). Ich denke, ihr solltet bei eurer Haltung bleiben und vor allem - das stand auch in dem Bericht - sie viel loben, wenn sie mal was richtig macht... z.B. wenn sie mal von selber sagt, das das Messer zu scharf für sie ist und sie es nicht haben will!
Viel Glück
Tinchen
Mitglied inaktiv - 21.05.2003, 11:44