Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Dr. med. Rüdiger Posth:

Alleine einschlafen

Dr. med. Rüdiger Posth

Dr. med. Rüdiger Posth
Facharzt für Kinderheilkunde, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut

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Frage: Alleine einschlafen

Mitglied inaktiv

Sehr geehrter Herr Dr. Posth, Ich möchte Ihnen zuallererst danken für Ihre umfangreichen und sehr einfühlsamen Ausführungen zum Seelenleben unserer Kinder. Ich finde meine inzwischen 27 Monate alte Tochter in all Ihren Texten immer wieder, meine persönlichen Erfahrungen stimmen bis auf ganz wenige Ausnahmen mit Ihren Aussagen überein. Nun habe ich hier einmal eine Frage zum „Alleine einschlafen“. Sie wissen ganz sicher, daß man unter dem Stichwort „Regulationsstörungen“ eine ganze Reihe von Schlafstörungen findet, unter anderem: „nicht alleine einschlafen können“, „verlängertes Schlafen im Elternbett“. Die Frage, welche mich jetzt bewegt, ist: ab wann sollten denn Kinder wirklich zu der so genannten „Selbstregulation“ in der Lage sein und alleine einschlafen können. Sie bestärken hier im Forum die Eltern immer wieder, ihren Säuglingen aktive Einschlafhilfen zu geben. Gerade erst haben Sie geschrieben, daß Babys in der Loslösungsphase unbedingt in den Schlaf begleitet werden müssen. Nach meinen Erfahrungen ist es gerade in der Trotzphase auch sehr wichtig und entspannend, das Kind nicht ins „Bett zu schicken“, sondern so lange bei ihm bleiben, bis es schläft (nicht umsonst lesen wir immer wieder von den 2-jährigen, welche ständig aus dem Bett klettern und 20 x im Wohnzimmer stehen). Ab wann macht es nun – vor allem auch für das Kind und nicht nur für die Eltern – Sinn, die Selbstberuhigung bis hin zum Einschlafen zu beherrschen? Ist dies verbunden mit dem Zeitfenster, in welchem Kinder im allgemeinen gut aus dem Elternbett ausziehen? Ist es eventuell auch gekoppelt mit der Fähigkeit, „Fremdbestimmung“ durch naturgegebene Zwänge akzeptieren zu können (ich denke, es könnte ähnlich sein wie mit dem sauber- und trockenwerden, das Kind muß in der Lage sein, zu akzeptieren, daß geschlafen werden muß, auf die Toilette gegangen werden muß, auch wenn es eigentlich noch viel lieber ganz andere spannende Dinge tun würde)? Die meisten Experten erwarten dieses „Alleine Einschlafen“ spätestens ab dem 6. Monat, die Begründungen dafür kennen Sie sicher alle. Ihre Meinung dazu würde mich sehr interessieren, da wir uns in einem anderen Forum über den „Gewinn, welchen die Fähigkeit eines kleinen Säuglings, alleine einschlafen zu können, diesem bringt“ nicht einig werden können. Vielen Dank im Voraus. Elke


Liebe Elke, die meisten Ratgeber aus dem medizinisch-psychologischen Bereich richten sich derzeit nach der sogenannten Regulationstheorie, die in wesentlichen Zügen von M.Papousek und Ihren Mitarbeiter(inne)n entwickelt worden ist. Das hat den einen Grund, der lautet, bisher gibt es keine andere Theorie. Was es gibt, sind ethnologische Studien, die andere Aussagen treffen, und es gibt viele verschiedene, sehr private Meinungen und Empfehlungen (auch zwischen Buchdeckeln), die aber alle ein grundlegendes Konzept vermissen lassen. Mit dem Begriff emotionales Bewußtsein und der emotionalen Integrationstheorie versuche ich -sagen wir- eine Art Gegenkonzept zu entwickeln, welches den Ehrgeiz besitzt neueste neurowissenschaftliche Erkenntnisse über die Hirnfunktionen zu berücksichtigen. Warum ich das tue, ich meine, daß der entscheidende Teil der Regulationstheorie, nämlich die behauptete Fähigkeit des Säuglings zur Selbstregulation nicht wirklich existiert und letztlich eine Kopfgeburt von uns Erwachsenen ist, weil wir zur Rechtfertigung unseres Denkens und Handeln eine solche Theorie brauchen. Das schreibe ich Ihnen, damit Sie wissen, daß das, was ich hier anbiete und vertrete, nicht umfangreicher Beobachtungen und Überlegungen entbehrt und vielleicht im Moment die wichtigste Theorie ist, die das kindliche Wohl absolut in den Vordergrund gestellt sehen möchte. Nun noch konkret. Ich meine, die Fähigkeit zur emotionalen Selbstregulation ist an zwei Entwicklungsschritte gebunden: erstens die geistig-seelische Erfahrung eines autonomen Selbst; zweitens die Übernahme der Bestimmungsmacht, was soviel heißt wie, daß ein Kind lernt, selbst Entscheidungen zu treffen und auszuführen. Dazu müssen Loslösung und Trotz weitgehend durchlaufen sein, was den Alterszeitpunkt auf etwa vier Jahre festlegt, übrigens ein Alter, das man früher auch schon rein intuitiv für fortgeschrittene Selbständigkeit im Kindesalter angenommen hat. Natürlich gibt es Kinder, die auch schon etwas früher erste Selbstkompetenz übernehmen können. Andere brauchen wiederum auch länger. Was Sie denken und wie Sie handeln, ist also meiner Meinung nach vollkommen richtig. Viele Grüße PS: von welchem anderen Forum ist denn die Rede?


Mitglied inaktiv

Hallo, Dr. Posth, vielen Dank für Ihre Antwort, so ähnlich hatte ich mir dies nach ihren Ausführungen und meinen Beobachtungen an meiner Tochter schon gedacht. Wir streiten uns - wie immer bei diesem Thema - sehr heftig bei Eltern.de, im Forum "endlich ruhige Nächte". Viele Grüße Elke


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