Hallo, meine Maus wird in ein paar Tagen 15 Monate alt und wir stillen doch noch recht viel. Sie isst alles vom Tisch, mag aber morgens, mittags vorm schlafen und nachmittags und abends vorm schlafen die Brust und nachts 3 bis 4 mal auch noch. Sie trinkt auch wirklich richtig. Wenn ich es ihr verweigere weint sie ganz schlimm und ich gebe ihr die Brust. Das ist gemein und ich halte es auch nicht aus. Der Kinderarzt meinte sie braucht es nicht. Wie soll ich mich verhalten. In 2 Monaten gehe ich wieder arbeiten und weiss noch nicht wie ich es handhaben soll so wie es jetzt ist.
von
PUSCHL0102
am 29.08.2019, 21:21
Antwort auf:
Wieviel Stillen in der Nacht
Liebe PUSCHL0102,
es gibt keinen Grund, dass Du etwas daran ändern musst, dass Du dein Baby nach Bedarf stillst und auch in den Schlaf stillst, es sei denn DICH persönlich stört
etwas daran. Auch die immer wieder geäußerten Argumente, das Baby würde auf diese Weise
verwöhnt oder es würde so nie lernen alleine einzuschlafen bzw. nie wieder aus dem Elternbett
ausziehen, sind nicht stichhaltig. Babys in diesem Alter können noch nicht verwöhnt werden
und Kinder, die sich den Platz im Elternbett nicht erkämpfen oder ertrotzen mussten, ziehen
von selbst aus dem Elternbett aus, sobald sie reif genug dafür sind. Im Gegensatz dazu wollen
viele Kinder, die als Babys alleine schlafen mussten noch lange ins Elternbett, weil ihr Bedürfnis
(noch) nicht gestillt wurde. Sobald ein Baby die nötige Reife hat, lernt es alleine (ein)zuschlafen
und wird auch längere Schlafphasen haben.
Genauso wie Du es beschreibst, machen es Mütter seit Urzeiten mit ihren Babys und es hat
noch nie einem Baby geschadet.
Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist es so, dass Mütter ihre Babys in den Schlaf stillen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses „natürliche" Verhalten des Babys nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys wissen nicht, was zur Zeit „Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben.
Es hat seinen Grund, warum stillende Mütter die besten Einschlafhilfen SIND. Beim Saugen an der Brust findet ein Baby das, was es braucht: Trost, Nahrung, Sicherheit. Es liegt vermutlich an einer gewissen neurologischen Unreife, wenn einige Babys das mehr brauchen als andere, und es "verwächst" sich wirklich von alleine!!
Sehr empfehlenswert ist von Sibylle Lüpold das Buch: "Ich will bei euch schlafen - Ruhige Nächte für Eltern und Kinder." Von ihr ist auch die Broschüre "Kinder brauchen uns auch nachts", in der 20 namhafte Experten wie Dr. William Sears, Prof. Dr. Gerald Hüther und Prof. Dr. Remo Largo gute Argumente liefern , weshalb von der Anwendung eines Schlaftrainings, wie zum Beispiel der Ferber-Methode, abzuraten ist.
http://www.fuerkinder.org/files/broschre_kinder_brauchen_uns_auch_nachts_de.pdf
Dein Kind kann nicht "verwöhnt" werden, wenn es viel Nähe und Zuwendung bekommt. Eine Kollegin von mir hat dazu einen schönen Text geschrieben, aus dem ich jetzt einen Abschnitt zitiere:
"Das Kind wird verwöhnt und verzogen.
"Ja, das ist jetzt schon total verwöhnt" "Ihr verzieht das Kind, nachher will es nur noch auf den Arm" "So lernt das Kind ja nie alleine einzuschlafen, alleine zu spielen, sich mit sich selbst zu beschäftigen ..." "Wie soll das Kind denn seinen Rhythmus finden, wenn Du es ständig mit der herumziehst".
So und ähnlich lauten viele Aussagen wohlmeinender Freunde, Verwandte und auch wildfremder Menschen, von denen man auf der Straße angesprochen wird.
Was ist dran an dieser Theorie, dass das Baby durch die Zuwendung, die es erhält verwöhnt und verzogen wird?
Bernadette Stäbler beschreibt in ihrem Buch "Mama" die Angst, sein Kind nicht richtig zu erziehen: "Und schon ist sie da, diese Angst, sein Kind zu verziehen. Welche Ursachen hat sie? Denn, wer dieses unschuldige Baby anschaut, fühlt sich sehr glücklich. Niemand kann sich vorstellen, dass es eines Tages unerwünschte Handlungen vollbringen wird. Wenn wir also von "verziehen" sprechen, haben wir ein älteres Kind vor Augen. Das Kind im Trotzalter, das immer "nein" ruft, läßt seine Mutter denken: "Was für einen Dickkopf habe ich mir großgezogen. Sicher habe ich es falsch gemacht!"
Ist es wirklich so wichtig, dass unsere Kinder vor der Zeit lernen, alleine zu schlafen, alleine zu sein und sich mit sich selbst zu beschäftigen? Ist es notwendig, dass wir Erwachsenen unseren Lebensrhythmus ändern und an das Baby anpassen, damit sich das Kind gut entwickelt?
Auch hierzu möchte ich wieder aus dem Buch von Bernadette Stäbler zitieren: "In vielen ursprünglich lebenden Kulturen, die wir "primitiv" nennen, wurden inzwischen Untersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse eine Umwälzung unserer Ansichten über die herkömmliche Kindererziehung mit sich brachten. Ich möchte eine afrikanische Studie herausgreifen und vereinfacht darstellen:
Die erste Gruppe gebar ihre Babys zuhause und ließ diese keinen Moment allein. Geborgen bei der Mutter, wurden sie nach Bedarf gestillt und mussten niemals schreien. Bald ging die Mutter wieder auf das Feld, um die gewohnte Arbeit zu verrichten, das Neugeborene in ein Tragtuch geschlungen.
Die Kontrollgruppe bekam ihre Babys im Krankenhaus mit aller medizinischen Hilfe, einschließlich schmerzlindernden Medikamenten. Gleich nach der Geburt wurden Mutter und Kind getrennt, um zu ruhen. Die Babys bekamen Fläschchen und Schnuller, weil dies "das Moderne" war. Daheim schliefen die Kinder in ihrem Bettchen, in ihrem eigens dafür hergerichtetem Zimmer. Allein, ohne Körperkontakt. Alles ging recht zivilisiert zu, nämlich nach einem genauen Zeitplan, denn die Kinder sollten sich früh an ein geordnetes Leben gewöhnen und weder kleine Tyrannen noch nervös werden.
Ein Jahr später offenbarte sich das Unerwartete: Die Kinder der ersten Gruppe waren in allem den anderen voraus: Sie waren intelligenter in ihren Verhaltensweisen und auch viel sozialer eingestellt, selbst die körperliche Entwicklung war besser, obwohl sie die ganze Zeit "festgebunden" waren.
Ähnliche Ergebnisse ergaben vielseitige Studien in den verschiedensten Kulturkreisen.
Wenn wir versuchen, dies mit einer natürlichen, einfühlsamen Intelligenz nachzuvollziehen, wissen wir, warum das Ergebnis so ausfallen musste.
Das Baby fühlt sich bei seiner Mutter geborgen. Es muss seine Kräfte nicht für das Weinen verbrauchen. Der mütterliche Körper gibt ihm Wärme. Wenn das Baby sich an seine Mutter schmiegt, fühlt es ein wenig von dem Glück, das es neun Monate lang im Mutterleib haben durfte. Es kennt von daher ja auch schon die Herztöne seiner Mutter, es kennt sogar schon ihre Stimme und nun sieht es endlich ihr Gesicht, ihre Augen und darf an der Brust trinken, wenn es möchte. Das ist das Glück, die mütterliche Liebe, die Impulse gibt für die Intelligenz und das soziale Verhalten. Wenn das Baby sich an die Körperbewegungen der Mutter anpassen muss, während sie ihre alltägliche Arbeit verrichtet, übt es in wundervoller Weise seine Muskeln und den Gleichgewichtssinn." (Aus: Denise Both: „Tragen")
Also, ganz klar: Du machst nichts falsch.
Ich hoffe, ich kann dich beruhigen... auch mit 15 Monaten merken unsere Kleinen: bei der Tagesmutter gelten andere Regeln, und dein Kind wird sich dort eingewöhnen, es muss dazu wirklich nicht abgestillt werden!
Denk dran: Unsere Kinder sind super clever, sie spüren genau, was Sache ist und dass bei der Tagesmutter ein anderer Ort ist als Zuhause, mit anderen Abläufen. Und sie schaffen es...
Toll wäre, wenn es euch möglich ist, die Eingewöhnung ganz sanft zu machen, so dass Dein Kind nicht gleich den ganzen Tag dort ist sondern zunächst einmal nur ein paar Stunden. So kann es allmählich Vertrauen aufbauen, und das wird es ihm leichter machen, sich an die neuen Abläufe zu gewöhnen.
Vertraue darauf: Dein Baby wird es schaffen, und je langsamer die Eingewöhnung sein kann, desto leichter wird es ihm- und dir - fallen!
Es gibt noch einen weiteren Grund, NICHT abzustillen: Der Wechsel zur Tagesmutter und damit die Trennung von dir sind große Veränderungen, die deinem Kind viel abverlangen. Wenn es zuhause dann doch noch weiterstillen darf, abends, nachts und morgens früh etwa, tankt es dabei Sicherheit und Geborgenheit und die Bestätigung: Alles ist gut. Darum empfehle ich abstillen erst dann, wenn sich das Kind gut an eine neue Situation gewöhnt hat.
LLLiebe Grüße
Biggi
von
Biggi Welter
am 29.08.2019
Antwort auf:
Wieviel Stillen in der Nacht
Wow vielen Dank für die wirklich tolle und ausführliche Antwort. Bei uns ist es sogar ein wenig anders. Mein Mädchen geht nur 5 Stunden für 2 Tage in die Kita und sonst bin ich da und sie schläft wirklich gut alleine in ihrem Bett ein. Manchmal mit Brust und manchmal ohne. Ich hole sie nachts zum stillen zu mir und mal bleibt sie da weil ich einschlafe oder ich lege sie wieder sanft in ihr Bettchen. Das ist alles kein Problem. Machte mir halt Sorgen weil alle sagen ich mache etwas falsch. Ein so altes Kleinkind nachts nich so oft zu stillen ist falsch.
von
PUSCHL0102
am 29.08.2019, 22:10