Sehr geehrter Herr Dr. Paulus,
ich habe vorige Woche Freitag mit Roxi 300 begonnen. Sonntag hatte ich einen positiven Schwangerschaftstest. Ich hatte auf embryotox.de geschaut und war zu dem Ergebnis gekommen, dass ich das Medikament weiter nehmen konnte. Wegen der Feiertage konnte ich erst gestern zum Arzt. Da hatte ich morgens die letzte Tablette genommen.
Jetzt sagte meine Ärztin, ich hätte die nicht nehmen dürfen. Es könnte sein, dass noch das alles oder nichts Prinzip gilt (das müsste man dann in zwei Wochen sehen, oder?) oder dass das Kind einen Herzfehler bekommt.
Ich habe im Internet nichts dazu gefunden. Hat meine Ärztin recht oder können Sie mir die Sorgen nehmen? Vielleicht hat sie sich ja im Wirkstoff vertan?
Vielen Dank im Voraus!
von
Lulu_Hase
am 03.11.2017, 08:10
Antwort auf:
Roxi 300 in der Frühschwangerschaft
Der Zeitraum der Alles-oder-Nichts-Regel war bei Ihrer Behandlung schon überschritten.
Sofern die Anwendung einer potentiell fruchtschädigenden Substanz im Zeitraum der Alles-oder-Nichts-Regel (innerhalb von zumindest 14 Tagen nach Empfängnis) erfolgt, wäre bei schädigenden Einwirkungen ohnehin entweder ein Abort oder ein Neugeborenes ohne erhöhtes Fehlbildungsrisiko zu erwarten. Die anfangs pluripotenten Zellen können in dieser Zeit noch geschädigte Zellen ersetzen, so dass die weitere Entwicklung ungestört verläuft, sofern der toxische Schaden nicht so groß ist, dass die Frucht mit der nächsten Regelblutung abgeht.
Bei Roxithromycin handelt es sich um ein semisynthetisches Derivat von
Erythromycin. Anhaltspunkte für eine Fruchtschädigung haben sich bisher weder aus dem Tierversuch noch aus der Anwendung beim Menschen ergeben.
Eine israelische teratologische Beratungsstelle fand keinen Anstieg angeborener Anomalien unter 54 Schwangerschaften, in denen die Mütter zu verschiedenen Zeitpunkten mit Roxithromycin behandelt worden waren (Tellem et al 2005).
Eine ähnliche Studie einer Beratungsstelle fand keinen Anstieg kongenitaler Anomalien nach Behandlung von 89 Schwangeren mit Roxithromycin im ersten Trimenon im Vergleich zu einer unbelasteten Kontrollgruppe (Bar-Oz et al 2012).
In zwei prospektiven Studien mit 183 Schwangeren ergab sich nach mütterlicher Therapie mit Roxithromycin keine Zunahme von Fehlbildungen (Paulus et al 2005, Chun et al 2006).
Wir verfügen bisher über 159 Rückmeldungen nach Exposition mit Roxithromycin in der Frühgravidität:
10 Schwangerschaftsabbrüche ohne Anhalt für Anomalie
15 Spontanaborte
2 Totgeburten
119 unauffällige Neugeborene
11 kongenitale Anomalien
Ein kausaler Zusammenhang zwischen Fehlbildung und Medikation lässt sich aufgrund der Expositionszeiten in den meisten Fällen ausschließen.
In Perfusionsversuchen an reifen Plazenten ließ sich für die Makrolidantibiotika Erythromycin, Roxithromycin und Azithromycin nur ein geringer diaplazentarer Transfer von 3,0%, 4,3% bzw. 2,6% nachweisen (Heikkinen et al 2003). Damit scheint die Plazenta die Wirkung dieser Antibiotika im fetalen Kreislauf weitgehend zu verhindern.
Ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko ist nach der aktuellen Datenlage bei Ihnen nicht anzunehmen.
von
Dr. Wolfgang Paulus
am 05.11.2017