Lieber Dr. Posh,
Sie schreiben das Kind verdrängt bei Fremdbetreuung seine Gefühle und passt sich an. Ok. Aber in wie fern ist das schlimm für das Kind. Heißt das im Klartext daß alle Kinder arbeitender Mütter einen Schaden erleiden ? Kommt es auf das Kind an ? Sonst würden jeden Tag Millionen Kinder in der Welt leiden und die Mütter denken Ihre Kinder gut untergebracht zu haben für einige Stunden....Danke für Ihre Antwort ...auch gerne von anderen Müttern. LG Nady
Mitglied inaktiv - 13.01.2004, 13:53
Antwort auf:
Ihr Beitrag zur Fremdbetreuung - Verdrängung
Liebe Nady(?), wenn man diese Frage sinnvoll diskutieren will, muß man wegkommen von reinen Weltanschauungen. Es hat schon viele Dinge auf der Welt gegeben, die als unumstößlich galten, bis die Menschen darauf kamen, daß es in Wirklichkeit doch anders ist. Entwicklungspsychologie, Bindungstheorie, Selbstentstehungskonzept, usw. sind Gedankenschritte der absoluten Neuzeit, noch neuer als z.B. die Quantentheorie und vielleicht einmal gerade so alt wie die Gentechnolgie.
Ich will damit sagen, daß die Anpassungsfähigkeit eines Säuglings und Kindes kein Beweis für die Richtigkeit des bisherigen Erziehungskonzeptes ist. Anders wäre es, wenn die Menschheit bisher mit ihren pädagogischen Konzepten immer friedliche Menschen auf der Welt erzeugt hätte. Dem ist aber mitnichten so.
Und daher noch einmal, was Maja dankenswerterweise auch schon wiederholt hat, Fremdbetreuung ist möglich, aber unter den genannten Voraussetzungen, und bei einem sehr sensiblen Kind eher später als früher. Es gibt meines Erachtens keine Frühgewöhnung an das oder den Fremde(n), es gibt nur Toleranz zu Lasten eigener verdrängter Gefühle. Warum auch sollte das Kind von seinen Ansprüchen an die Zuverlässigkeit der Bindung zu seinem eigenen möglichen Schaden abrücken ??? Um der Liebe zur Freiheit der Erwachsenen willen. Wie könnte ein Kleinkind solches begreifen?
Fremdes macht neugierig und motiviert zu erforschen, aber dazu muß das Kind erst eine sichere Basis entwickelt haben und die gibt ihm die primäre Bezugsperson und nach der Loslösung (in der Triade) zunehmend sein eigenes, gefestigtes Selbst in der Autonomie. Erst in dieser Situation ist der soziale Umgang mit den Anderen, den ursprünglich Fremden ohne Sorge um das eigene Wohlergehen möglich.
Natürlich zählen die Großeltern und die Geschwister zur engsten Familie, wenn sie sich in stetigem Kontakt zu den Säuglingen befinden. Sie bieten sich dadurch viel leichter als weitere Bezugspersonen oder auch als eine Ersatzbezugsperson an. Der Familienzusammanhalt war früher noch viel entscheidender als heute.
Erst mit dem Erwerb eines vom Kind im eigenen Inneren gefühlten, ausreichend starken und ausgewogenen Selbst kann es sich prinzipiell jedem Anderen, Fremden gegenüber öffnen und wird es auch interessehalber tun. Das dürfte erst zwischen 3 und 4 einigermaßen sicher zu erwarten sein, so daß man in diesem Alter dem Kind schon etwas zumuten kann. Bis dahin bedarf aber jedes Kind einer von ihm selbst anerkannten Ersatzbezugsperson, und wenn sie einmal genau hinschauen, dann werden Sie diesen Zustand auch regelmäßig feststellen. Gelingt diese Anbindung an die Ersatzbezugsperson nicht, aus was für Gründen auch immer, schlägt die Fremdbetreuung fehl. Erzwingt man diese dann weiterhin, geht es nicht ohne Gefühlsverdrängung, bis hin vielleicht zur Abspaltung in stark traumatischen Situationen. Das aber wollen wir doch alle vermeiden im Interesse der seelischen Gesundheit unserer Kinder. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 15.01.2004
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Ihr Beitrag zur Fremdbetreuung - Verdrängung
Das würde mich auch interessieren, ausserdem wüsste ich gerne ob es sinnvoller ist sein Kind schon früher an eine Fremdbetreuung zu gewöhnen oder so spät wie möglich anzufangen - gibt es überhaupt einen richtigen Zeitpunkt ?? Ist die Oma auch "Fremdbetreuung" ??
Meine SchwieMu meint ich MUSS meine Kleine wenigstens für ein paar Stunden alle paar Wochen bei ihr alleine lassen, da sie sich sonst zum Mamakind entwickelt. Am liebsten wäre es ihr, wenn ich sie auch mal bei ihr übernacht lassen würde !!! Aber meine Tochter ist erst 19 Monate - ich finde das zu früh, vielleicht meine ich das aber auch nur von meiner mütterlichen Seite ??????
Vielen Dank für Ihre Antwort(en)
LG
Sylvie
Mitglied inaktiv - 13.01.2004, 14:55
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Ihr Beitrag zur Fremdbetreuung - Verdrängung
Hallo ihr beiden,
ich hatte gerade 2x mit Herrn Dr. Posth einen ausführlichen Austausch zu diesem Thema, schaut euch mal die unten genannten Links an. Er ist nicht grundsätzlich gegen eine Fremdbetreuung, weist aber darauf hin, dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein sollten, welche er Punkt für Punkt aufführt. Das Wohl des Kindes, so sagt er, solle im Vordergrund stehen. Er will berufstätigen Müttern kein schlechtes Gewissen machen, sondern sie zum Nachdenken anregen und letztlich ja auch Aufklärung betreiben. Ich hätte z. B. auch gedacht, dass das Weinen beim Abschied nicht so schlimm ist, wenn sich das Kind bald wieder beruhigt. Gut zu wissen, dass man es sich so leicht nicht machen kann, sondern tiefer gucken muss. Trotzdem komme ich nicht zu dem Schluss, dass Fremdbetreuung aus meinem Kind einen seelischen Krüppel macht. Ich reflektiere vielmehr genauer, plane die Betreuung behutsamer und agiere sensibler. Das hat mir der Austausch mit Dr. Posth gebracht und darum geht es ihm wohl auch in erster Linie. Fazit: Fremdbetreuung ist kein Verbrechen an der Kinderseele, wohl aber der sorglose und unreflektierte Umgang damit. Könnt ihr mir folgen?
Liebe Grüße und macht euch nicht verrückt!
Maja
http://www.rund-ums-baby.de/entwicklung/mebboard.php3?step=2&range=20&action=showMessage&message_id=15809&forum=155
http://www.rund-ums-baby.de/entwicklung/mebboard.php3?step=1&range=20&action=showMessage&message_id=15902&forum=155
Mitglied inaktiv - 13.01.2004, 17:10
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Ihr Beitrag zur Fremdbetreuung - Verdrängung
Hallo,
habe diese Diskussion jetzt auch teilweise verfolgt.
Mich würde auch interessieren, ob Oma/Opa zu Fremdbetreuung zählen.
Danke
lg
Helma
Mitglied inaktiv - 14.01.2004, 00:20