Frage: Angst/Panik/Schreckhaftigkeit mit drei Jahren

Hallo Dr. Posth, habe bislang im Forum nichts zu uns "Passendes" gefunden. Daher maile ich nun selbst: Meine Tochter ist sehr ängstlich und unglaublich schreckhaft. Sie hat Angst vor anderen Kindern, geht niemals ohne mich auf dem Spielplatz irgendwo hin, kriegt Panik, wenn es an der Hautür klingelt und sie merkt, dass auch ich nicht weiß, wer das sein könnte. Sie hat solche Angst vor dem Alleinsein, dass sie, wenn ich z.B. in den Keller gehe, mit möchte oder sonst die ganze Zeit ruft: "MAma, wo bist du?" Wir waren bei der Erziehungsberatungsstelle, dort stellte man eine taktile Wahrnehmungsstörung fest. Aber ich frage mich, ob das tatsächlich der (alleinige) Grund für ihr Verhalten ist. Wir glauben, dass sie einfach zuviel denkt. Sie interpretiert in Aussagen und Situationen immer gleich etwas hinein. Wenn ich z.B. mit meinem Mann über neue Rollläden spreche, sagt sie sofort: "Aber ich möchte gar keine Rollläden", weil sie genau weiß, dass dann der Handwerker wieder kommt, der schon mal da war, um auszumessen, und der durch sein bloßes Erscheinen für eine Panikattacke gesorgt hat. Ihre Sprache ist ziemlich ausgeprägt, manchmal kommt es mir vor, als habe sie hellseherische Fähigkeiten, sie vervollständigt dann Sätze, die ich beginne und ordnet sie gleich in den richtigen Zusammenhang. Außerdem ist sie so perfektionistisch, dass sie bestimmte Sachen lieber erst gar nicht macht (z.B. Puzzles oder auch alles Neue), weil sie befürchtet, es nicht ganz perfekt zu können. Kürzlich habe ich ihr erlaubt, ein wenig "Biene Maja" zu schauen - ich war dabei. Auf einmal begann sie zu weinen, sagte aber: "Ich kann dir nicht erzählen, warum ich Angst habe, weil ich dazu keine Lust habe." Ich vermute (weil sie die anderen Figuren kannte), es war ein Käfer, der durch heraus stehende Zähne etwas bedrohlich aussah und das wohl auch sein sollte. Außerdem will sie immer alles ganz genau wissen. Als das Auto meiner Mutter aufgebrochen wurde, löcherte sie mich tagelang mit Fragen, warum die Leute den Stein geworfen haben, warum sie böse sind, warum böse Leute so etwas tun, warum jetzt eine Folie auf Omis Autotür ist etc. Nachdem ich sie aufgefordert habe, es mir zu erklären, weil sie es schon so oft gehört hatte, tat sie das auch, und schien sich dann wieder etwas zu beruhigen. Nun wird sie kommenden Monat drei Jahre und es steht bald der Kindergarten an. Im Moment sehe ich es noch nicht, wie sie ihre Trennungsangst ("Du sollst immer bei mir sein") bis dahin überwinden soll - Versuche, sie kurz allein in einer Gruppe Kinder zu lassen, scheiterten kläglich. Als ich sagte, dass wir auf den Spielplatz fahren, um dort den Geburtstag eines befreundeten Kleinkinds zu feiern, sagte sie sofort: "Aber ich will dann bei dir bleiben." Sie scheint immer zu fürchten, dass ich sie verlassen könnte. Ich wüsste nicht, dass es ein traumatisches Erlebnis gegeben hätte. Sobald sie sich irgendwie unsicher fühlt, greift sie nach meiner Hand, sagt nur fragend "Mama" und versucht, sich in irgendeiner Form rückzuversichern. Ich bin ziemlich ratlos, weil ich selbst schon nicht mehr unvoreingenommen irgendwo hingehe, sondern immer schon mit dem "Schlimmsten" rechne, was sie sicher auch spürt. Können Sie uns einen Rat geben? Sorry, dass es so lang geworden ist und dennoch ein schönes restliches Pfingstfest und viele Grüße !!!

Mitglied inaktiv - 31.05.2004, 11:34



Antwort auf: Angst/Panik/Schreckhaftigkeit mit drei Jahren

Hallo, nachdem jedes Kind im Säuglingslater eine primäre Bindung eingangen ist, geht es im zweiten Jahr in die Phase der Loslösung. Diese dauert bis zu drei weiteren Jahren und endet dann in einer ausreichenden Selbstbewußtheit. Auf diesem Weg muß das Kind sich von der primären Bezugsperson, fast immert die Mutter, entfernen und mittels eines Vorbilds, meist der Vater, zu sich selbst finden. Die Methoden des Kindes sind Widerstand und Trotz, aber auch offenkundige Anhänglichkeit und Annahme von aufgestellten Verhaltensregeln. diese werden häufig per Imitation erworben. Wenn jetzt ein Kind sehr furchtsam wird und neben Realängsten (fremder Mann, böser Käfer) auch Trennungsängste entwickelt, dann ist es auf dem Weg zu seiner Selbständigkeit irgendwo -sagen wir- hängen geblieben. Allerdings spielen hierbei auch genetische Veranlagungen eine große Rolle. Aber gerade das macht die Geschichte besonders vertrackt, denn solche Veranlagungen kommen ja in der Regel direkt von den Eltern, und diese sind es auch, die ihrem Kind Verhalten vorleben. Daher ist es schwer, ja fast unmöglich, selbst, d.h. ohne professionelle Hilfe, sich daran zu begeben, das Problem zu lösen. Dazu kommt, daß Unselbständigkeit, Scheu und Schüchternheit von einem selbst meist ganz anders verstanden werden und irgendwo innerlich auch auf Ablehnung stoßen. Man wünscht sich sein Kind ja eher anders, und auch die Gesellschaft wünscht sich andere Kinder. Mit Wahrnehmungsstörung hat das nun gar nichts zu tun, das ist so eine neumodische Vokabel für alles, was man nicht richtig versteht. Suchen Sie sich besser, mit Hilfe Ihres KiA/KiÄ eine Kinderpsychologin, die Ihnen Rat gibt und sie ein wenig begeleitet. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 31.05.2004



Ähnliche Fragen ähnliche Fragen

Kind rund 1,5 Jahre hat Panik vor Ärzten/ Kinderarzt: Wie lindern wir die Angst?

unser Sohn ist nun knapp 20 Monate alt. Er kennt den Kinderarzt vor allem wegen der regelmäßigen Impftermine und der Vorsorgeuntersuchungen. Bereits sehr früh hat er eine massive Panik vor dem Arzt bzw. den Ärzten der Gemeinschaftspraxis entwickelt (Panik bezieht sich nicht auf eine bestimmte Person). Selbst wenn die Person die ihn so ängstigt noch...


Angst - Panik... was tun?

Sehr geehrter Herr Dr. Nohr, meine Tochter (11) hatte gestern auf einem Schulausflug wohl eine Art Panikattacke in einer tiefen Höhle. Sie hatte das Gefühl, die Wände kommen näher und wollte flüchten, begann dann zu heulen und war fix und fertig. Auf der Heimfahrt im Bus fror sie dann sehr stark, hatte heftigste Kopfschmerzen, war fix und fer...


Angst/Panik bei 2,5 jährigem

S.g. Dr. Posth, vor 2 Wo waren wir mit unserem Sohn zu Besuch bei Freunden.Als er mit Bällen gespielt hat,holte sich deren Katze mit ihrer Tatze die Bälle.Er schrie panisch,ließ sich aber schnell beruhigen.Als wir 4 T später sein Laufrad(LR) bei anderen Bekannten in die Garage stellen wollten,lief uns eine Katze hinterher.er hatte Panik,ich musste...


Warum hat sie plötzlich solche Angst (Panik)?

Hallo! Ich versuche es kurz zu machen: Meine Tochter (4,5 J.) hat in letzter Zeit immer Angst, oder sogar regelrecht PANIK allein gelassen zu werden. Ich kann nichtmal allein zum Müll gehen oder sie allein im Auto lassen. Bis vor kurzem war es überhaupt kein Problem, wenn ich sie z.B. an der Tankstelle oder beim Bäcker im Auto sitzen gelassen ha...


Kind hat Angst vor fremden Menschen .

Hallo ich hoffe sie können mir helfen oder mir einen Tipp geben .  unser Sohn 2 1/2 hat Angst vor fremden Menschen .  wenn wir draußen unterwegs sind und er läuft und dann eine fremde Person auf ihn zu kommt oder ein Auto vorbei fährt hat er Angst . Er ruft dann immer direkt Angst und will auf dem Arm .  auch wenn wir auf dem Spielplatz sind . ...


Angst vor Kindern nehmen

Hallo Frau Henkes, mein Sohn ist 3 und seit diesem Monat im Kindergarten. Er tut sich aber mit anderen Kindern schon immer Wahnsinnig schwer, das merkt man jetzt wieder ganz besonders. Er hat so zwei Kinder, mit denen er gerne spielt. Also Nachbarskinder. Und auch sein Cousin. Aber bei anderen Kindern wie im Kindergarten erstarrt er regelrecht, i...


Angst vor Arzt nehmen

Guten Tag, Unser Sohn (1,5 jahre) hat leider Angst vorm Arzt bekommen.  Er musste einige Blutabnahmen und Infusionen ertragen ( alle unvermeidbar). Sobald wir eine Arztpraxis oder das Krankenhaus betreten weint er. Weder das Abhören noch andere Untersuchungen gelingen ohne das er schreit.  Letztens hat er sogar bei der Einschreibung im Ki...


Angst vor dem Kindergarten

Guten Tag Frau Henkes, Ich hoffe Sie können mir etwas weiterhelfen bei der Einordnung der Situation.  Unser Sohn wird nächste Woche drei Jahre alt.  Er besucht seit 1,5 Jahren die Kita.  Davon war er ein Jahr lang im Krippenbereich und ist nun schon ein halbes Jahr bei den größeren Kindern. Die Eingewöhnung in der Krippe lief recht schleppend, a...


Angst vor Wasser

Hallo Frau Henkes,  mein Sohn ist 14 Monate alt und hat immer sehr gerne gebadet. Vor 2 Wochen ist er im Sitzen weggerutscht und untergetaucht. Er hat sich sehr erschrocken und geweint. Seitdem ist Baden unmöglich geworden. Er schreit und weint ganz schlimm, sobald ich ihn ins Wasser setze. Ich habe schon mehrere Sachen probiert: mit ihm baden,...


Angst vor dem Kindergarten

Sie haben mir letzte Woche schon so toll geholfen.    Nochmal kurz zur Situation:  Meine Tochter ( 4  1/2) war immer gerne in den Kindergarten gegangen. Hatte nie Probleme mit Trennungen etc.    Seit 2 Wochen reagiert sie total emotional überfordert und ich habe heute im Gespräch mit dem Kindergarten erfahren das es einen Jungen gibt de...