Hallo Fr. Henkes,
unser Sohn (3J 2M) brüllt seit >2 Wochen von früh bis spät. Nur in der Kita verhält er sich "normal". Seine Wut/Trotzanfälle dauern bis zu 2 Std, vor allem am Nachmittag und abends vor dem schlafen gehen. Kleine Auswahl der Gründe: will sich nicht an/ausziehen lassen (aber auch nicht selber), Hände waschen, wickeln, Mama statt Papa hat das Wasser eingeschenkt... Wir begleiten ihn immer, ablenken oder ein Ortswechsel helfen aber nicht. Unnötige Neins vermeiden wir. Er steigert sich vollkommen rein, ist wie im Tunnel. Wir sind am Ende unserer Kräfte, es gibt maximal noch 15 min Unterbrechung bis er sich in das nächste reinsteigert. Es gab in den letzten 2 Wochen keinen Tag Besserung. Vom aufstehen bis zum erschöpften einschlafen geht das so.
Ist dieses Verhalten und Ausmaß noch normal? Haben Sie Tipps für uns? Sollten wir uns professionelle Hilfe suchen?
Danke vielmals!
von
petitnoah2
am 08.04.2021, 08:26
Antwort auf:
Massive Trotzphase
Guten Tag,
ich denke nicht, dass Sie wegen des beschriebenen Verhaltens einen Kindertherapeuten/in aufsuchen müssen. Bei Dreijährigen kommt so etwas häufig vor, weil die Kinder Grenzen austesten und ihren Willen erproben wollen. Das ist für alle Beteiligten oft sehr anstrengend und erfordert vor allem von den Eltern gute Nerven. Denn Kinder merken schnell, das Schreien eine gute "Waffe" ist.
Offensichtlich hat Ihr Sohn ja schon viele wichtige Regeln und Verhaltensweisen verinnerlicht, sonst würde das Verhalten ja auch im Kiga auftreten. Das ist schon mal erfreulich.
Beim Austesten der Grenzen kann Ihnen die liebevolle Klarheit helfen, die mein Kollege nebenstehend beschreibt. Sie können Ihren Sohn in dieser schwierigen Phase liebevoll ohne Schimpfen oder Abwertung begleiten, weil Sie wissen, dass er diese Phase für seine Entwicklung benötigt. Sie werden aber auch mit aller Klarheit Ihre Erwartungen formulieren und durchsetzen.
Es gibt sicher Situationen, wo Sie mal Fünfe gerade sein lassen können. Denn Dreijährige müssen auch manche dieser Machtkämpfe gewinnen. Die eigene Kleinheit und Ohnmacht ein bißchen zu überwinden, hilft den Kindern ein stabiles Selbstgefühl zu entwickeln. Sie bleiben ja noch lange klein und abhängig genug.
Dann wird es auch Situationen geben, in denen Sie darauf bestehen, dass etwas Bestimmtes gemacht wird. Ihr Sohn darf sich ruhig darüber ärgern und schreien, aber es muss trotzdem passieren. Und für Ihren Sohn wäre es dabei wichtig zu erleben, dass Sie sich von ihm nicht erschüttern lassen. (Das kann dann später kommen, wenn er schläft.) Ich könnte mir auch vorstellen, dass Ihrem Sohn eine kleine Aus-Zeit im Kinderzimmer helfen könnte, wenn er die ganze Familie mit dauerndem Geschrei tyrannisiert.
Er kommt nämlich jetzt allmählich in das Alter, in dem er ruhig merken darf, dass die Eltern auch Bedürfnisse haben. Diese müssen in der Beziehung zum Kind auch berücksichtigt werden. Das kann Ihr Sohn aber noch nicht. Das muss er wie so Vieles erst lernen und dieser Weg ist manchmal mühsam. Da helfen oft Kompromisse und Verabredungen, auf die man sich berufen kann.
Ich wünsche Ihnen beim Durchstehen dieser intensiven und schwierigen Phase trotzdem genügend freudvolle Momente mit Ihrem Sohn.
Alles Gute
Ingrid Henkes
von
Ingrid Henkes
am 08.04.2021