Hallo zusammen,
meine Tochter ist nun 5 Monate alt und sie trinkt immer noch sehr lang und sehr oft.
Bei der Geburt wog sie 2,88 kg. Ich habe viele Artikeln gelessen, dass leicht geborene Kinder anfangs vielleicht mehr trinken, aber es sich nach 3-4 Monaten verbessert. Dies ist leider nicht bei ihr der Fall. Seit Geburt bis ca. 3 Monate trinkt meine Tochter ca. 18 Mal am Tag und jedes Mal ca. 20 bis 25 min. Ich habe meine Hebamme und Kinderartz gefragt und sie haben gemeint, es kann immer noch normal sein. Ihrer Meinung nach hat meine Tochter auch richtig getrunken und gut zugenommen. Nach dem 3. Monat trinkt sie ungewöhlicherweise noch intensiver als sonst: sie trinkt nämlich ca. 10 Mal und jeweils 45 min jede Brustseite - d.h. jedes Mal ca. 1,5 Stunden! Oft hört sie nach 1,5 Stunden immer noch nicht auf und ich muss sie ab und zu mal ablegen, um überhaupt aufs Klo oder ein Glas Wasser holen zu können. Jedes Mal nach einer halben Stunden nach dem Stillen zeigt sie, dass sie wieder Hunger hat (sie schmatzt, hat den Mund auf, lutscht ihren Fingern usw.)
Ich genieße es sehr, meine Tochter zu stillen. Aber langsam bin ich frustriert wegen der Stillsituation. Es scheint mir nicht, dass es besser wird.
Sie schläft auch gerne beim Stillen ein, sodass ich sie immer beim Trinken wach halten muss.
Ist dieses Trinkverhalten von meiner Tochter immer noch normal? Kann ich irgendwas tun, um die Situation zu verbessern?
Viele Grüße
Bea
von
Bea1984
am 23.01.2019, 15:19
Antwort auf:
Sehr lang und sehr oft stillen seit Geburt
Liebe Bea,
wie ein Kind trinkt, ist vom Temperament des jeweiligen Kindes abhängig.
Es gibt eifrige Pragmatiker, die zügig und effektiv trinken und nippende Genießer, bei denen eine Mahlzeit unendlich lange dauern kann.
Wichtig ist nur das Gedeihen des Kindes.
Hier einmal die Kriterien für ein gut gedeihendes Baby:
o mindestens fünf bis sechs nasse Wegwerfwindeln hat (um zu sehen wie nass "nass" ist, kann frau sechs Esslöffel Wasser auf eine trockene Windel geben). Diese Regel gilt aber nur für voll gestillte Kinder, das heißt das Baby bekommt nichts außer Muttermilch
(kein Wasser, Tee, Saft usw.).
o in den ersten sechs Wochen täglich mindestens zwei bis vier Stuhlentleerungen (später sind seltenere Darmentleerungen normal)
o eine durchschnittliche wöchentliche Gewichtszunahme von mindestens 150 g pro Woche ausgehend vom niedrigsten Gewicht
o eine gute Hautfarbe und eine feste Haut,
o Wachstum in die Länge und Zunahme des Kopfumfangs
o ein aufmerksames und lebhaftes Verhalten des Babys in den Wachphasen.
Wenn das Baby all diese Punkte erfüllt, dann dürfte alles in Ordnung sein.
Das„Marathonstillen“ ist in diesem Alter so weit verbreitet, dass es als „normal“
angesehen werden sollte. Der Fachausdruck dafür lautet „Cluster Feeding“. So kleine Babys
wollen häufig, aber vor allem in unregelmäßigen Abständen gestillt werden und fast alle Babys
haben eine Tageszeit, zu der sie fast ununterbrochen an der Brust trinken (oder auch nur nuckeln) wollen.
Das Nervensystem eines Babys ist ständigen Reizen ausgesetzt und während des Tages sind das viel mehr Reize als in der Nacht. So ist es nicht erstaunlich, dass sich bis zum späten Nachmittag oder frühen Abend einiges aufgestaut hat und das Kind dann „über" reizt ist und sich wieder abreagieren und beruhigen muss. Dazu kommt, dass auch die Mutter nach einem langen Tag ebenfalls mehr oder weniger stark belastet und gestresst ist und sich die Gefühle und Stimmung der Mutter auf das Kind übertragen.
Das Marathonstillen kann für Sie sehr anstrengend und auch nervend sein, aber es hat seinen
Sinn. Rein wissenschaftlich gesehen ist es so, dass das Baby durch den Stillmarathon die
Prolaktinausschüttung anregt und so dafür sorgt, dass die Milchbildung angeregt wird und
genügend Milch für das Kind zur Verfügung steht.
Ein Baby sollte nach Bedarf gestillt werden. Alle Stillexperten sind sich einige, dass Stillen nach Bedarf für Mutter und Kind am besten ist. So wird sichergestellt, dass das Baby die Nahrung, die es braucht, genau dann bekommt, wenn es sie braucht und sich das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage einstellen kann. Während eines Wachstumsschubs kann es durchaus sein, dass ein Baby alle Stunde an die Brust möchte.
Es gibt keinen Grund einen Mindestabstand zwischen zwei Stillmahlzeiten einzuhalten. Im Extremfall kann das „Hinhalten" des Babys zu Gedeihstörungen führen. All die Erzählungen von einem bestimmten Rhythmus eines Babys sind schlicht und ergreifend falsch.
Muttermilch ist innerhalb von 60 bis 90 Minuten verdaut und der Organismus eines Babys ist auf häufige Mahlzeiten eingestellt.
So kleine Babys wollen im Schnitt zwischen acht und zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden gestillt werden. Im Schnitt heißt, es gibt Babys die seltener nach der Brust verlangen (eher wenige Babys) und es gibt Babys, die häufiger an die Brust wollen (die Mehrzahl). Nun ist es jedoch nicht so, dass ein Kind zügig zwanzig Minuten trinkt und sich dann nach drei Stunden das nächste Mal rührt, sondern es kommt immer wieder zu Stillepisoden, die so ablaufen: das Kind trinkt eine kurze Weile, hört auf, döst vielleicht sogar weg und beginnt erneut kurz zu trinken usw. Dieses Verhalten heißt Clusterfeeding und ist absolut normal für kleine Babys. Besonders gehäuft treten diese Stillepisoden am Nachmittag und Abend auf, wie überhaupt die Abstände zwischen den Stillzeiten im Verlauf des Tages immer kürzer werden. Dazu kommt, dass in bestimmten Altersstufen Wachstumsschübe zu erwarten sind, in denen die Baby manchmal schier ununterbrochen an die Brust wollen.
Wird in dieser Situation zugefüttert, wird der Brust kein erhöhter Bedarf signalisiert und die Milchmenge kann sich auch nicht auf den erhöhten Bedarf einstellen. Das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wird gestört und es kann der Beginn eines unfreiwilligen Abstillens sein. Darum raten wir erst dann zur Gabe von künstlicher Milch, wenn keine andere Maßnahme geholfen hat - oder das Kind deutlich zu wenig zugenommen hat!
Die Abstände können mit der Zeit durchaus länger werden, eine Garantie gibt es leider nicht.
Ich kann Ihnen gerne empfehlen, einmal ein Stillgruppentreffen zu besuchen oder zumindest einmal mit einer Stillberaterin in ihrer Nähe ein direktes Gespräch (auch am Telefon) zu führen. Viele Unsicherheiten lassen sich im direkten Gespräch sehr viel besser ausräumen und der Austausch mit anderen stillenden Müttern kann sehr ermutigend sein und vor allem werden Sie sehen und erleben, dass sich andere Babys genau so verhalten wie Ihr kleines Menschlein.
Auch kann eine Kollegin vor Ort mal nachsehen, ob evtl. doch ein Saugproblem vorliegt.
Adressen von Stillberaterinnen finden Sie im Internet unter:
http://wwwlalecheliga.de (Stillberaterinnen der La Leche Liga), http://www.afs-stillen.de (Stillberaterinnen der Arbeitsgemeinschaft freier Stillgruppen) oder http://www.bdl-stillen.de (Still- und Laktationsberaterinnen IBCLC).
LLLiebe Grüße
Biggi
von
Biggi Welter
am 23.01.2019