Frage im Expertenforum Medikamente in der Schwangerschaft an Dr. med. Wolfgang Paulus:

Impfung gegen Schweinegrippe

Dr. med. Wolfgang Paulus

Dr. med. Wolfgang Paulus
Facharzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Universitätsfrauenklinik Ulm

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Frage: Impfung gegen Schweinegrippe

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Hallo! Ich bin in der 30. SSW und bin vorgestern bei meinem Gyn zur Kontrolle gewesen. Er hat gemeint ich solle mich gegen die Schweinegrippe impfen lassen, da ich als Schwangere im letzten Schwangerschaftsdrittel zur Risikogruppe gehöre. Habe auch einen Info- Bogen bekommen zum lesen. Nun steht in diesem Blatt und auch auf der Internetseite der Stiko, dass Schwangere die Schweinegrippe- Impfung nur ohne Wirkverstärker bekommen sollten. Dieser ist hier bei uns im Kreis aber überhaupt nicht verfügbar. Bin nun hin- und hergerissen.....Was raten Sie mir? Wie dringend und notwendig ist diese Impfung wirklich? LG Sandra


Dr. Wolfgang Paulus

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In den USA und Kanada werden Schwangere schon seit über 40 Jahren mit trivalentem inaktiviertem Impfstoff gegen die saisonale Influenza geimpft. Prospektive Studien über mehr als 10.000 Impfungen kurz vor oder während der Schwangerschaft lassen keinen Zusammenhang mit kindlichen Komplika-tionen erkennen (Heinonen et al 1973, Sumaya & Gibbs 1979, Murray et al 1979, Deinard & Ogburn 1981, Englund et al 1993, Sheffield et al 2004, Black et al 2004, Munoz et al 2005, France et al 2006). 1998 stuften die amerikanischen Centers for Disease Control den Impfstoff als sicher für Schwangere ein, deren gesundheitliche Verfassung sich bei einer Influenzainfektion bedrohlich verschlechtern könnte (Centers for Disease Control 1988, Sterner et al 1990). 2004 wurde die Empfehlung zur Impfung grundsätzlich auf Schwangere – unabhängig vom Gestationsalter – ausgeweitet (Centers for Disease Control 2004). Die FDA sah auch keine Probleme bei Zusatz von Thiomersal. Das American College of Obstetricians and Gy-necologists (ACOG 2004) unterstützte ebenso die Impfung gegen die saisonale Influenza in Schwangerschaft und Stillzeit. Außer Schwangeren sind auch Kinder im Alter bis zu 6 Monaten durch die saisonale Influenza stärker gefährdet (Bhat et al 2005). Die mütterliche Imp-fung kann auch der Prävention einer neonatalen Infektion dienen: Serologisch nachgewiesene Influenzainfektionen konnten bei den Säuglingen um 63% gesenkt werden (Zaman et al 2008). Zumindest treten unter Influenzainfektionen vermehrt mütterliche Komplikati-onen auf. Gesunde Frauen haben in der Schwangerschaft ein vier- bis fünffa-ches Risiko für eine ernsthafte Erkrankung bzw. Klinikaufnahme durch eine Infektion mit saisonaler Influenza (Mak et al 2008). Daher sollte man Schwangeren grundsätzlich die Impfung gegen die saisonale Influenza emp-fehlen (MacDonald et al 2009). Die aktuellen Daten aus den USA lassen sogar eine noch höhere Morbidität und Mortalität durch Infektionen mit dem neuen Influenzatyp H1N1 vermuten (Jamieson 2009). Unter 266 Todesfällen, die den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in den USA detailliert gemeldet wurden, finden sich 15 Schwangere (6%). Dies übertrifft die durchschnittliche Rate an Schwangeren in der Gesamtbevölkerung in den USA erheblich (1%). Veränderungen der Immunreaktion führen wohl zu häufigerer und schwererer Influenzainfektion in der Schwangerschaft. Im Rückblick auf frühere Influenzapandemien sollten die derzeit relativ milden Verlaufsformen des neuen Influenzatyps nicht zu voreiliger Entwarnung ver-anlassen (Philippe 2009). Die Spanische Grippe 1918 mit weltweit 50 bis 100 Millionen Todesfällen be-gann mit einer ersten relativ moderaten Erkrankungswelle im Frühjahr. Die ungleich heftigere zweite Welle im Herbst forderte allein in den USA 600.000 Todesopfer in den Monaten September und Oktober. Betroffen waren in ers-ter Linie gesunde Menschen im Alter von 18 bis 45 Jahren. Darunter befan-den sich auch viele Schwangere – vor allem im zweiten und dritten Trimenon, die je nach Klinikstatistik zu 27 bis 53% verstarben (Morens et al 2007). In Deutschland wird nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand die Fa. Glaxo Smith Kline die ersten 50 Millionen Dosen liefern. Dieser Pandemie-Impfstoff beruht auf der Musterzulassung der Vogelgrippevakzine Pandemrix. Der mo-novalente inaktivierte Spaltvirusimpfstoff, bei dem das Vogelvirusantigen ge-gen Schweinevirusantigen ausgetauscht ist, wird auf Hühnereiern gezogen und enthält lediglich 3,75 μg Antigen statt 45 μg in den trivalenten saisonalen Grippeimpfstoffen (3 x 15 μg). Ermöglicht wird die geringe Antigenmenge durch das Adjuvans AS03, eine Wirkverstärkermischung aus Squalen, Polysorbat und Vitamin E, die noch nie zuvor in einem handelsüblichen Impfstoff verwendet worden ist. Solche Adjuvanzien verstärken aber nicht nur die Immunogenität, sondern gegebenenfalls auch unerwünschte überschießende Immunreaktionen. Dies betrifft Lokalreaktionen wie Schwellung und Schmerzen an der Injektionsstelle und systemische Effekte wie Kopfschmerzen, Fieber, Schüttelfrost (blitz-a-t vom 25.August 2009). In den USA wurden Schwangere von den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) als eine von fünf Risikogruppen definiert, die umgehend bei Verfügbarkeit des Impfstoffes gegen die neue H1N1-Influenza geimpft werden sollen. Dort wird ein monovalenter Impfstoff ohne Adjuvantien eingesetzt, der auf den üblichen saisonalen Grippeimpfstoffen basiert (CDC 2009). Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA verzichtet bislang auf Wirk-verstärker und setzt auch bei der Pandemieimpfung auf das bewährte kon-ventionelle Produktionsverfahren. Für dieses gibt es jahrzehntelange Erfah-rungen: Die jährlich mit wechselnden Antigenen produzierte Vakzine gegen saisonale Grippe dürfte der am häufigsten verwendete Impfstoff sein. In Österreich wird der Influenza-Pandemie-Impfstoff "Celvapan" eingesetzt. Dabei handelt es sich um einen Ganzvirus-Impfstoff (abgetötete Viren) ohne Verstärkersubstanz. Erfahrungen mit Impfstoff auf dieser Herstellungsbasis liegen leider für Schwangere ebenfalls nicht vor. Sollte sich in den kommenden Herbst- und Wintermonaten die H1N1-Influenza rapide ausbreiten, ist auf dem Hintergrund der Erfahrungen mit frü-heren Pandemien der Nutzen der Impfung sicher höher einzustufen als das Risiko. Da bei Schwangeren breite Erfahrungen mit konventionellem Grippeimpfstoff vorliegen, empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) konsequenterweise, diese Risikogruppe "bis zum Vorliegen weiterer Daten" mit einem nichtadjuvantierten Spaltimpfstoff zu impfen (STIKO 2009). Die Entscheidung der deutschen Behörden bei der Bestellung des Impfstoffes führt jetzt zu der absurden Situation zweier sich widersprechender offizieller Impfempfehlungen für die wichtige Risikogruppe schwangerer Frauen. Dabei lässt sich die konsequente Empfehlung der STIKO, nichtadjuvantierten Spaltimpfstoff zu verwenden, aktuell in Deutschland nicht umsetzen. Bis ein zugelassener nicht-adjuvantierter pandemischer H1N1-Impfstoff in Deutschland oder den EU-Mitgliedsstaaten zur Verfügung steht, weisen die verantwortlichen Bundesinstitute (Paul-Ehrlich-Institut und Robert-Koch-Insitut) darauf hin, dass im Rahmen einer sorgfältigen individuellen Nutzen-Risiko-Analyse die Anwendung von einer Erwachsenendosis Pandemrix® auch bei Schwangeren sinnvoll sein kann. So bleibt zu hoffen, dass der von Sanofi-Aventis entwickelte Impfstoff „Panenza“ bald verfügbar sein wird. Dieser Impfstoff basiert auf dem konventio-nellen saisonalen Influenzaimpfstoff unter Austausch des Antigens (ohne Impfverstärker). In klinischen Studien an 450 Erwachsenen sowie 300 Kin-dern konnte bereits nach Einmalgabe bei 83% bzw. 94% eine ausreichende Immunität erreicht werden. Schwerwiegende Nebenwirkungen traten nicht auf. Dieser Impfstoff wäre sicherlich auch für Schwangere ideal.


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