Chriboe
Hallo, mich beschäftigt seit Längerem ein Thema, ich weiß aber gar nicht ob das hier so richtig reinpasst, ich traue mich aber auch nicht so wirklich mit jemandem darüber zu reden, weil ich das Gefühl hab so schlimm oder wichtig ist das auch wieder nicht und vielleicht kann übertreibe ich auch, ich dachte ich frag einfach mal was Sie dazu meinen. Ich habe mit meinem Freund die Abmachung, dass wir, wenn wir abends jeweils alleine unterwegs sind, dass wir unseren Standort miteinander teilen, was mir eigentlich auch total das Sicherheitsgefühl gibt, gerade wenn ich nachts alleine in den Öffis nach Hause fahre. Insofern fand ich das immer total gut und hilfreich. In letzter Zeit reagiert mein Freund aber manchmal ein bisschen komisch. Letztens hatte ich zum Beispiel einen total schönen Abend mit meinen Freundinnen, hab mich irgendwie total verquatscht und bin viel länger dort geblieben als ich eigentlich geplant hatte. Am nächsten Tag hatte ich eigentlich noch total gute Laune, weil der Abend so schön war und dann hat mein Freund mich auf einmal ganz komisch gefragt warum ich da so lange war und ob da auch andere Männer dabei waren usw und irgendwie hatte ich das Gefühl er glaubt mir nicht. So was in der Art kam jetzt im kleinen auch schon nochmal vor. Ansonsten ist alles zwischen uns aber total gut und sowas war vor meiner Schwangerschaft auch nie Thema. Aber irgendwie bin ich jetz am Zweifeln was das bei ihm ist und ob das mit dem Standort teilen so eine gute Idee ist. Ich weiß aber auch nicht wie ich ihm das sagen sollte und ob will auf keinen Fall einen Konflikt aufmachen, weil ja eigentlich alles gut ist. Haben Sie eine Idee dazu wie ich damit umgehen könnte? Danke und liebe Grüße
Hallo Chriboe, schön, dass du den Weg ins Forum gefunden hast und deine Sorgen mit uns teilst. Es ist immer gut auszusprechen, was einen beschäftigt, auch wenn wir es als unwichtig oder nicht schlimm bewerten. Oft nehmen wir uns und unsere Gefühle nicht ernst genug. Aus deiner Nachricht entnehmen wir, dass du schwanger bist - herzlichen Glückwunsch! Schwangerschaften können nicht nur körperliche Veränderungen mit sich bringen, sondern auch die Dynamik in Beziehungen verändern. Es ist schön zu lesen, dass die gemeinsame Zeit mit Freundinnen dich glücklich macht und du diese Verbindungen hast. Ein soziales Netz ist sehr hilfreich, um voneinander zu lernen und einander zu stützen - besonders in Zeiten wie der Schwangerschaft. Wir kennen das Gefühl gut, uns auf dem Heimweg nicht sicher zu fühlen. Es klingt, als hättet ihr eine gute Lösung gefunden, wie du dich sicherer fühlen kannst. Wenn dieses Gefühl nun aber in Unbehagen umschlägt, weil dein Freund dich über deinen Aufenthalt ausfragt und dir nicht zu glauben scheint, dann ist es wichtig, die Veränderung ernst zu nehmen und darauf zu reagieren. Wir teilen mittlerweile viele digitale Geräte, Konten, Passwörter und Apps miteinander, auch in Beziehungen. Das macht das Leben oftmals einfacher oder bequemer und kann uns auch, wie in deinem Fall, ein besseres Sicherheitsgefühl geben. Wichtig ist aber, dass wir jederzeit selbst entscheiden können, was und wie viel wir mit anderen teilen. Geteilte Zugänge und verknüpfte Accounts können die eigene Privatsphäre einschränken, wenn es in der Beziehung zu kontrollierenden Dynamiken kommt. Über viele Apps wird beispielsweise der Standort geteilt. Wenn du für dich sortieren möchtest, welche Geräte und Apps ihr teilt, kannst du dir hier mehr Informationen und eine Anleitung erhalten, wie du eine Übersicht erstellen kannst: https://www.anti-stalking-projekt.de/checkliste-zur-digitalen-trennung/ In Beziehungen wollen wir vieles mit der anderen Person teilen. Das schafft Verbindung und Nähe. Wichtig ist aber, dass nicht alles geteilt werden muss, wenn es sich nicht gut anfühlt. Es kann sogar sehr bereichernd sein, eigene Freiräume zu haben. Wir gewöhnen uns schnell daran, uns durch einen geteilten Standort nahe zu der anderen Person zu fühlen und dann auch immer wieder nachzuschauen, wo diese sich gerade befindet. Es kann aber auch befreiend sein, nicht ständig zu wissen, was die andere Person gerade macht und die Standortteilung auch mal zu deaktivieren. Jede Person hat das Recht auf Privatsphäre und ein selbstbestimmtes Leben - sei es ein privates Tagebuch, ungestörte Zeit mit Freund*innen oder einfach Momente für sich selbst. Die gesellschaftlichen Vorstellungen vermitteln oft, dass Paare alles teilen und zusammen gegen den Rest der Welt stehen sollten, aber diese romantisierte Sichtweise übersieht, wie wichtig andere soziale Netzwerke sind. Keine einzelne Beziehungsperson kann und sollte alle deine Bedürfnisse erfüllen - sei es nach tiefgründigen Gesprächen, gemeinsamen Aktivitäten oder emotionaler Unterstützung - und das ist vollkommen in Ordnung. Eine gute Beziehung erlaubt beiden Personen, sich auch außerhalb der Partnerschaft zu entfalten. Wenn jemand Kontrolle über eine andere Person ausübt, dann gibt die kontrollierende Person das oftmals nicht freiwillig auf. Für Personen, die das Gefühl haben, über einen geteilten Standort verfolgt und dadurch eingeschränkt zu werden, kann das Thematisieren zu einer Eskalation führen. Solltest du das Gefühl haben, dass du die Standortverfolgung nicht offen ansprechen kannst, dann nimm das ernst und wende dich an eine Frauenberatungsstelle. Sie kennen sich gut mit dem Thema aus und können mit dir gemeinsam deine Gefahrenlage einschätzen. Das Wichtigste ist, dass du sicher bist. Hier kannst du Beratungsangebote in deiner Nähe finden: https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/hilfe-vor-ort.html Du beschreibst, dass du mit deinem Freund eigentlich eine gute Beziehung hast und dass dieses kontrollierende Verhalten neu ist. Überlege dir, ob du dir ein offenes Gespräch mit ihm über deine Sorgen vorstellen kannst. Falls du denkst, dass es eine Gefahr darstellt, dann kannst du beispielsweise das Thema einleiten mit: “Ich fühle mich sicherer, wenn ich auf dem Heimweg bin und weiß, dass du meinen Standort kennst, falls etwas passiert. Gleichzeitig habe ich aber auch wahrgenommen, dass deine Fragen zu meinen Aktivitäten mit meinen Freundinnen mich verunsichern. Ich habe den Eindruck, dass sich das seit Beginn meiner Schwangerschaft verändert hat. Was beschäftigt dich?” So kannst du offen in ein Gespräch starten und vielleicht herausfinden, ob hinter seinem Verhalten Ängste oder Sorgen stehen, die mit der Schwangerschaft und der kommenden Verantwortung zusammenhängen. Sollte er es jedoch als Kontrollverlust wahrnehmen und aggressiv oder abweisend reagieren, dann brich das Gespräch an der Stelle ab und wende dich an eine Beratungsstelle. Denk daran: Deine Gefühle und dein Unbehagen sind wichtig und berechtigt! Achte auf dich und dein Wohlbefinden, gerade jetzt in der Schwangerschaft. Wir wünschen dir alles Gute und hoffen, dass ihr das Thema gut besprechen könnt. Liebe Grüße Leonie und Xenia