Frage im Expertenforum Beziehungsprobleme an Leonie Traub:

Trennung wg Gewalt, wie Kind erklären?

Leonie Traub

 Leonie Traub
Psychologin

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Frage: Trennung wg Gewalt, wie Kind erklären?

Mum_24

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Hallo, ich habe eine Frage bzgl. Trennung. Ich bin getrennt wegen häuslicher Gewalt, es gab zwar "nur" zwei körperliche Angriffe aber massive verbale Gewalt. Räumlich sind wir schon länger getrennt, was nun noch ansteht ist nun der ganze Rest mit Scheidung, Finanzen, Sorgerecht... Unser gemeinsames Kind, 6 Jahre, hat teilweise davon mitbekommen aber er liebt natürlich seinen Vater (trotzdem). Der Vater ist zudem extrem manipulativ.  Überall wird gesagt, bei einer Trennung darf man niemals negativ über den Partner sprechen, soll sich um Kontakt bemühen usw. doch wie ist es in dem Fall, wenn Gewalt (Alkohol u.a. kommt dazu) im Spiel war? Wie kann ich es meinem Sohn erklären? Ich möchte, dass er weiß, dass das Verhalten seines Vaters absolut inakzeptabel war und ist und dass man sich von solchen Menschen besser fernhalten soll - und, dass er selbst Menschen nicht so behandeln darf . Es waren auch keine "Ausrutscher" meines Mannes, sondern es kam nahezu täglich vor, dass er teilweise extreme Wutanfälle bekommen hat. Meine Sorge ist auch, dass er z.B. bei gemeinsamen Sorgerecht mit "Papa-Wochenenden" auch meinem Sohn gegenüber aggressiv sein könnte. Und wie kann ich meinen noch-Ehemann davon überzeugen, sich in Therapie zu begeben aus Verantwortung seinem Kind gegenüber? Dass unsere Familie zerbrochen ist war ja noch kein Grund für ihn. Vielen Dank für die Hilfe!


Leonie Traub

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Hallo,   vielen Dank für deine Nachricht. Du beschreibst, dass es massive verbale und auch körperliche Gewalt bei euch gab. Das klingt, als hast du eine sehr anstrengende und Kräfte raubende Zeit hinter dir. Es ist gut, dass du dich aus der Beziehung lösen konntest. Viele Personen, die ähnliche Situationen erleben, beschreiben, dass die angespannte, gefährliche Atmosphäre und ständige Streitereien für sie am belastendsten waren. Es sind selten „nur“ einzelne Gewaltvorfälle, die zu Belastung führen, sondern die ganze Gesamtsituation, die für betroffene Personen sehr schwierig ist. Bestimmt hast du viel durchgestanden in letzter Zeit.   Leider endet Gewalt häufig nach einer Trennung nicht. Oftmals üben Personen auch über Umgangsregelungen und Sorgerechtsverfahren weiter Gewalt aus. Seit 2018 ist in Deutschland die sogenannte Istanbul Konvention in Kraft. Dort heißt es, dass in Sorgerechtsverfahren der Schutz vor Gewalt Vorrang vor dem Umgangsrecht haben sollte (Artikel 31 IK). Häusliche Gewalt wird leider aber trotzdem in Familiengerichtsverfahren in vielen Fällen nicht ausreichend berücksichtigt und als Gefahr für Kinder und Mütter anerkannt. Es muss gut überlegt werden, ob die Gewalt in einem Sorgerechtsverfahren offengelegt wird und wenn ja wie. Besprich das (und den Alkoholkonsum) auch am besten auch mit deiner rechtlichen Vertretung. Falls du spezifische rechtliche Beratung brauchst, könntest du hier mal schauen, ob du einen kostenlosen Termin mit einer Anwältin buchen kannst https://www.hotline-familienrecht.de. Leider kommt es auch häufiger dazu, dass die Gewalterfahrung betroffenen Müttern zu Ungunsten ausgelegt werden. Daher ist es sehr wichtig, sich vorzubereiten und zu schützen. Damit bist du nicht allein! Es gibt in Deutschland viele Beratungsstellen, die sich gut mit der Thematik auskennen und dir dabei helfen können: https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/hilfe-vor-ort.html. In vielen der Beratungsstellen gibt es auch Ansprechpersonen für Kinder. Es ist gut, wenn Kinder eine eigene Vertrauensperson haben, mit der sie sprechen können. Es gibt auch Angebote für Kinder und Jugendliche, die Häusliche Gewalt miterlebt haben. Beispielsweise bieten Caritas, Diakonie, der Paritätische oder auch der Sozialdienst katholischer Frauen in einigen Regionen diese Beratungen an. Ratsam ist auch, alle Kontakte mit dem Expartner oder Merkwürdigkeiten zu dokumentieren.   Es ist gut, wenn du mit deinem Kind offen über die Situation sprichst und ihm hilfst, die Ereignisse einzuordnen. Gewalt gegen die Mutter, die Kinder auch “nur” indirekt miterlebt haben, hat häufig Auswirkungen. Diese können sich beispielsweise in Schlafstörungen, Schulschwierigkeiten, Entwicklungsverzögerungen, Aggressivität oder Ängstlichkeit äußern. Zeigt dein Kind eins oder mehrere dieser Anzeichen?   Natürlich möchtest du dein Kind vor Gewalt schützen und sorgst dich, zumal auch Alkohol im Spiel zu sein scheint. Dafür könnt ihr auch gemeinsam einen Plan aufstellen, was ihr (und auch er) machen könnt, wenn es zu gefährlichen Situationen kommen sollte. Dazu gehört zum Beispiel, das Umfeld miteinzubeziehen. Wohnt jemand mit deinem Ex-Mann zusammen, der beim Umgang dabei sein könnte? Gibt es vielleicht noch eine Oma oder andere Bezugsperson, die deinen Sohn unterstützen? Das Familiengericht kann auch das Umgangsrecht einschränken, wenn es für das Wohl des Kinds erforderlich ist. Zum Beispiel kann dann der Umgang nur in Anwesenheit von Mitarbeiter:innen des Jugendamts oder an einem neutralen Ort stattfinden.   Bleib für dein Kind ansprechbar und signalisiere eine Gesprächsoffenheit. Mit Kindern kann man gut besprechen und spielerisch üben, wie Grenzen anderer Menschen wahrgenommen und die eigenen gesetzt und bewahrt werden. Auch hier legen wir ein Besuch in einer Frauenberatungsstelle und eine Absprache mit deiner rechtlichen Vertretung ans Herz, weil das Besprechen des gewaltvollen Verhaltens des Expartners nicht ganz unproblematisch sein kann. Leider legen aber auch einige Richter*innen einen offenen und schützenden Austausch und Umgang mit Gewalt gegen die Mutter als Einflussnahme aus.  Es ist gut, dass du dir überlegst, wie auch dein Expartner Hilfe bekommen kann. Eine Therapie macht allerdings nur Sinn, wenn er Verantwortung für sein Handeln übernimmt. Eine Therapie ist jedoch nicht immer der beste Ansatz. Da Gewalt strukturell wirkt und dadurch begünstigt wird, gibt es explizit Kurse für Täter von Häuslicher Gewalt. Aber auch hier gilt, dass die gewaltausübende Person Einsicht zeigt.   Viele gewaltbetroffenen Mütter kennen Nachtrennungsgewalt und anstrengende und nervenraubende Sorge- und Umgangsrechtsverfahren. Sich gut zu informieren und alle Gefahren zu kennen, bewerten viele der Betroffenen als das beste Mittel. Die Organisation Solomütter hat Angebote gesammelt, in denen du dich mit anderen dazu austauschen kannst:https://solomuetter.de/austausch/. Es ist schön, dass du deinen Sohn unterstützt. Bleib dabei aber nicht allein. Du bist nicht dafür verantwortlich, was euch passiert ist. Es ist wichtig, dass ihr beide Unterstützung bei den nächsten Schritten bekommt.   Viel Kraft und alles Gute für euch!   Xenia und Leonie 


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