Nana1984
Guten Abend Frau Traub, ich schreibe Ihnen wegen einem Problem, welches hauptsächlich meinen Mann betrifft. Mein Mann (50) und ich (40) haben zwei Töchter (5 Jahre und 8 Monate alt). Im Zuge der Erziehung unserer Kinder, versuche ich natürlich auch negative Angewohnheiten unsererseits zu verbessern bzw. zu unterlassen. Das gelingt natürlich nicht immer, aber das Bestreben ist da. Mein Mann ist sehr bezogen auf sein Smartphone, nutzt es teils auch geschäftlich und regelt auch viele Dinge seine Hobbies betreffend. Ich habe vor einiger Zeit den Wunsch geäußert, den Esstisch zur handyfreien Zone zu machen. Er stimmte zu, die Realität sieht jedoch anders aus. Wenn ich ihn darauf hinweise, komme ich mir wegen seiner trotzigen Reaktion wie seine Mutter vor und er mir wie ein drittes Kind. Dabei ist es mir einfach nur wichtig, dass die Kinder, vor allem die Große mit 5, sehen, dass auch die Eltern sich an Regeln zu halten haben (zumal ich die Regel selbst einhalte und auch sinnvoll finde). Seit dieser Woche hat der 2. Teil seiner Elternzeit begonnen und wir sind nun beide zu Hause. Da ist mir erstmals so richtig aufgefallen, wie viel er am Handy ist, obwohl er gerade mit der Kinderbetruung beschäftigt ist. Erst heute gab es folgende Situation: unser 8 Monate altes Baby lag auf der Krabbeldecke und unternahm Krabbelversuche und spielte, wurde nach einer Zeit quengelig und ich wunderte mich, warum es sich nicht besserte, bis ich nachsah und ihn zwar mit ihr auf der Krabbeldecke sah, er jedoch am Handy beschäftigt war. Als ich ihn fragte was er so wichtiges am Handy zu tun hätte, sagte er mir dass er mit einem Ex-Kollegen schrieb. Ich sagte ihm darauf, dass ich es wichtiger finde, sich um das Baby zu kümmern und erntete ein Augenrollen und die Frage, wann er seinem ehem. Kollegen denn dann schreiben solle. Ich entgegnete darauf nur, dass es mir tagtäglich so gehe, wenn ich mit einem bzw. teilweise beiden Kindern alleine bin, ich komme schlichtweg nicht dazu, wie zu so vielen anderen Dingen. Ich ernte nur Unverständnis von ihm und ärgere mich gleichzeitig, dass er grundsätzlich alles ihm wichtig erscheinende am Handy erledigen kann und ich entschuldige mich refelmäßig bei Freunden und Bekannten wenn ich erst Tage später mich zurückmelden kann. Wir sind im Moment auch viel mit Handwerkern und Firmen in Kontakt wegen einem Anbau am Haus und da läuft natürlich viel Telefon- oder Mailkontakt, hauptsächlich über meinen Mann und es ist auch zu 98 % der Fall dass er etwas sinnvolles und wichtiges am Handy macht, nur bin ich mit dem Zeitpunkt nicht immer einverstanden, da ja auch bekannt ist, dass Handynutzung sich negativ auf Kinder auswirken kann. Ich möchte einfach dass er sich an vereinbarte Regeln hält und möchte die Gesundheit unserer Kinder und die Bindung zu ihnen nicht gefährden. Haben Sie einen Tipp oder einen Rat für mich, wie ich vorgehen kann? Im Voraus vielen Dank für Ihre Mühe. Viele Grüße, Nana
Hallo Nana, vielen Dank für deine Frage. Was du beschreibst, erleben auch viele andere Frauen. Sorgearbeit (unbezahlte Arbeit im Haushalt, Fürsorge und Erziehung) gut aufzuteilen, ist für viele Familien eine große Herausforderung, gerade wenn die Kinder noch klein sind. Das Familiensystem und auch die Beziehungsdynamik ändern sich in dieser Zeit, weil neue Aufgaben dazukommen. Manchmal kommen dabei auch Probleme zum Vorschein wie zum Beispiel eine unausgewogene Aufteilung der anfallenden Aufgaben und Schwierigkeiten bei Absprachen. Aus deiner Nachricht lesen wir heraus, dass du dich mit diesen Aufgaben allein fühlst. Dein Mann legt seine Prioritäten anders als du und hält sich nicht an eure Vereinbarungen. Während du deine Kinder an erste Stelle setzt und Freund*innen und Bekannten dafür mal später antwortest, konzentriert er sich auf anfallende Bauarbeiten und Beziehungen zu Arbeitskolleg*innen. Wir können gut verstehen, dass das für dich sehr frustrierend ist! Das bedeutet nämlich, dass dir die Verantwortung für die Sorgearbeit zugeschoben wird. Dazu zählt alles, was im Haushalt und Erziehung so anfällt und “nebenbei” gemacht werden muss. Sorgearbeit ist leider noch immer unbezahlt und wird so unsichtbar. Sie wird dann oftmals von Männern, die Lohnarbeit leisten, nicht wahrgenommen, hinter andere Aufgaben zurückgesteckt und als selbstverständlich angesehen. Das zeigt sich häufig in der Elternzeit, die von Männern und Frauen in vielen Fällen sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Männer verstehen Elternzeit manchmal eher als Urlaub und freie Zeit, während Frauen sich der anfallenden Arbeit sehr bewusst sind. Dies geht auf traditionelle Rollenbilder zurück, die sich hartnäckig halten. Sorgearbeit ist gleich viel wert wie bezahlte Lohnarbeit und gehört genauso dazu, um ein Familiensystem aufrecht zu erhalten. Um einen Überblick über deine Aufgaben in Haushalt und Erziehung (zum Beispiel Recherchezeit) zu bekommen, kann es hilfreich sein, diese aufzuschreiben. So wird klar, wer wieviel Zeit in den Erhalt eures Familiensystems investiert. Dafür gibt es auch technische Hilfsmittel. Vielleicht habt ihr Lust, die Who cares? App mal auszuprobieren? (https://whocares-app.de/). So erhält dein Mann einen Einblick, wieviel Arbeit und Zeit du tatsächlich investierst. Das mag vielleicht auf den ersten Blick etwas unromantisch oder bürokratisch klingen. Aber neben Beziehungspartner*innen seid ihr ja auch gemeinsam für die Organisation eures gemeinsamen Lebens verantwortlich. Eine gleichberechtigte Partnerschaft erfordert, dass beide Beziehungspersonen Verantwortung für Haushalt und Fürsorge übernehmen. In Beziehungen ist es wichtig, dass sich alle Personen wertgeschätzt und anerkannt fühlen. Du beschreibst, dass dein Mann sich nicht an eure abgesprochenen Regeln hält. Gegenseitige Unterstützung ist unverhandelbar und wichtige Themen müssen besprochen werden. Dabei ist es wichtig, respektvoll miteinander umzugehen. Wenn dein Mann von etwas genervt ist, sollte er das Gespräch mit dir suchen. Er ist eine erwachsene Person und dein Beziehungspartner und sollte auch so mit dir umgehen. Dies kann in einem Alltag mit zwei Kindern auch mal schwerfallen. Vielleicht hilft es euch, ein regelmäßiges "Beziehungsgespräch" zu vereinbaren, bei dem Raum für Unzufriedenheiten und Absprachen ist. Das kann wertvolle Veränderung bewirken! Plant gemeinsam einen festen Termin, zum Beispiel alle zwei Wochen mit einer Person, die so lange auf eure Kinder aufpasst. So könnt ihr vorbereiten, was wichtige Anliegen sind und was euch beschäftigt. In dieser geschützten Zeit könnt ihr in Ruhe und ohne Ablenkung über eure Gefühle sprechen und Dinge klären, die euch als Paar bewegen. Ziel dieses Gesprächs könnte es sein, dass ihr sowohl Sorgearbeit als auch Freizeit gerechter gestaltet. Während sich dein Mann Zeit für Kontakte nimmt, fällt deine Kommunikation mit Unterstützungspersonen hinten runter. Es ist wichtig, dass auch du für dich sorgen und mit anderen im Austausch sein kannst. Es ist sehr wertvoll, dass du ein gutes Vorbild für deine Kinder bist und auf digitale Medien in ihrer Gegenwart verzichtest. Setze dich aber nicht mit den eigenen Anforderungen unter Druck. An Mütter werden von der Gesellschaft viele Anforderungen gestellt, die kaum erfüllbar sind. Es ist auch ok, wenn mal was liegen bleibt. Achte auch auf dich und deine Bedürfnisse! Es ist wichtig, dass auch Raum für dich bleibt! Dabei sollte dich dein Mann auch unterstützen. Du klingst nach einer sehr liebevollen und engagierten Mama! Wir wünschen dir viel Kraft. Viele Grüße Xenia und Leonie