Dido A.
Hallo Frau Bukowsky, ich bin seit 9 Jahren mit meinem Mann zusammen und 6 Jahre davon verheiratet. Von Anfang an der Beziehung wurden einige Gefühle und Bedürfnisse von mir ignoriert und ich habe das "toleriert", weil mein Mann an sich kein schlechter Mensch ist und mir dafür andere Sicherheit wie vertrauten das er z.B. immer treu sein wird oder finanzielle Sicherheit gegeben hat. Ich habe aber immer eine leere gespürt bzw. Ich habe mich oft einsam gefühlt obwohl er ja anwesend war. Das habe ich schon öfters angesprochen aber es hat sich nichts geändert. Seid der Geburt der Kinder (4+2) ist es zwischen uns schwieriger geworden, weil alles an mir hängen geblieben ist. Sei es die Erziehung, Haushalt, Organisation sämtlicher Termine o. ä. Wenn es um seinen altan geht Plant er ihn nur für sich. Er entzieht sich oft für Kleinigkeiten aus dem Familieleben. Er zeigt auch gegenüber den Kinder wenig Interesse. Einerseits versucht er eine Bindung mit denen aufzubauen aber bei der ersten Auseinandersetzung mit den Kindern wird er laut und fängt an zu drohen. Dies belastet mich sehr. Ich spiele schon seit einem Jahr mit dem Gedanken mich zu trennen. Aber ich weiß nicht ob es der richtige Weg ist, vor allem wegen den Kindern. Ich weiß nicht ob es sich lohnt zu bleiben und zu hoffen das es besser wird?
Hallo Dido, wir können deine innere Zerrissenheit und die schwierige Situation, in der du dich befindest, sehr gut nachvollziehen. Als Mutter stehst du unter enormem Druck - gesellschaftlich wird von dir erwartet, dass du fürsorglich und aufopferungsvoll bist, deine eigenen Bedürfnisse zurückstellst und intuitiv weißt, was deine Kinder brauchen. Diese Erwartungen, zusammen mit der Organisation des Alltags, der Bereitstellung optimaler Bedingungen für die Kinder und dem perfekten Management des Familienlebens, sind kaum zu erfüllen und überfordern fast alle Mütter. Dazu kommt in deinem Fall ja noch, dass du die anfallenden Aufgaben alleine übernimmst und dein Mann sich herauszieht und seinen Alltag sogar ohne euch plant. Das ist nicht fair! Ihr habt eine gemeinsame Familie und solltet euch die Aufgaben so aufteilen können, dass es für euch beide ok ist. Zusätzlich besteht noch der verbreitete Mythos, dass es die Aufgabe der Frau sei, die Familie um jeden Preis zusammenzuhalten. Das kann ebenfalls zu Druck führen! Es tut uns sehr leid zu hören, dass du emotionale Leere und Einsamkeit trotz der physischen Anwesenheit deines Mannes verspürst. In vielen Beziehungen entsteht dieses Gefühl, wenn eine Person sich emotional aus der Beziehung zurückzieht, also eigene Gefühle und Bedürfnisse nicht teilt und kein Interesse an den Gefühlen und Bedürfnissen der anderen Person zeigt. Dadurch entsteht emotionale Distanz. Für die meisten Personen ist emotionale Nähe eine Voraussetzung für eine Beziehung. Es ist also ganz verständlich, wenn die Situation für dich belastend ist. Vor allem auch, wenn sich durch wiederholte Gesprächsversuche keine Veränderung gezeigt hat. Deine Sorgen um die finanzielle Sicherheit nach einer möglichen Trennung sind absolut verständlich und werden von vielen Frauen in ähnlichen Situationen geteilt. Es könnte hilfreich sein, konkret zu überlegen, wie deine finanzielle Lage nach einer Trennung aussehen würde: Wie viel Unterhalt stünde dir zu? Könntest du arbeiten gehen? Wie sähe deine Wohnsituation aus? Es gibt mehrere Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung wie Unterhaltsvorschuss, Sozialhilfe oder Wohngeld. Möglichst viel Wissen zu sammeln, kann eine große Hilfe sein, um deine Möglichkeiten besser einschätzen zu können. Es gibt auch einige soziale Institutionen, die bei komplizierteren Fragestellungen wie Sorgerecht kostenfreie oder kostengünstige Rechtsberatung anbieten. Bundesweit kannst du beispielsweise bei ProFamilia nach Beratungsmöglichkeiten schauen: https://www.profamilia.de/angebote-vor-ort. Eine Trennung ist eine sehr persönliche und komplexe Entscheidung. Du machst dir bereits seit einem Jahr Gedanken dazu. Solche langen Entscheidungsprozesse können nervenaufreibend und zermürbend sein. Vor allem wenn bei einer gemeinsamen Familie viele Faktoren mitberücksichtigt werden müssen. Manchmal ist es hilfreich, sich dazu auch mit anderen auszutauschen, die beim Gedanken sortieren oder beim Schaffen von Freiräumen helfen können. Hast du Personen in deinem Umfeld, die dich unterstützen können? Vielleicht kann eine Nachbarin mal einen Nachmittag auf die Kinder aufpassen, dass du dir mit freiem Kopf nochmal Gedanken dazu machen kannst? Oder eine Freundin holt dich mal auf einen Spaziergang ab, um gemeinsam deine Situation abzuwägen? Es kann auch hilfreich sein, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen, um mehr Klarheit zu gewinnen. Beispielsweise kann eine Paartherapie dabei unterstützen, sich Probleme und Bedürfnisse mitzuteilen und an gemeinsamen Lösungen zu arbeiten. Das kann deine Beziehung wieder zum Positiven verändern und stärken, wenn du dich für diesen Weg entscheidest. Sich früh beraten zu lassen und Unterstützung zu suchen, ist ein guter erster Schritt. Denk daran: Jahrelang unglücklich in einer Beziehung zu sein, ist eine enorme emotionale Belastung. Du bist mutig, dass du dir Gedanken über mögliche Veränderungen machst! Am Ende ist es wichtig, dass es euch beiden gut geht - in einer Beziehung oder auf getrennten Wegen. Ein ehrliches Gespräch mit deinem Mann, nachdem du dir über deine eigenen Wünsche und Möglichkeiten klarer geworden bist, wird euch beiden helfen, den besten Weg für die Zukunft zu finden. Von Herzen wünschen wir dir und deinen Kindern alles Gute und viel Kraft auf diesem Weg der Entscheidungsfindung. Leonie und Xenia