Frage im Expertenforum Beziehungsprobleme an Leonie Traub:

Mobbing auf der Arbeit

Frage: Mobbing auf der Arbeit

Schneeflöckchen2025

Beitrag melden

Hallo,  meine Tochter hat nach der Ausbildung eine Arbeitsstelle angetreten. Es ist eine kleine Firma mit ca. 15 Angestellten. Anfangs hat sie sich sehr wohl gefühlt, das Verhältnis zwischen den Kollegen war sehr freundschaftlich.  Man hat sich auch viel unterhalten, auch über Privates, wie Familie, Hobbies, Freunde etc.  Seit einiger Zeit ist die Stimmung allerdings gekippt und meine Tochter hat durch dieses anfängliche freundschaftliche Verhältnis zuviel erzählt, auch, dass sie an einer chronischen Krankheit leidet und eben o.g. Themen. Auch über Urlaubsreisen oder, dass mein Mann gepflegt wird und es Ärger mit dem Pflegedienst gab etc. Jetzt im Nachgang meine ich, dass sie sich durch dieses Vertrauen angreifbar gemacht hat.  Wie schon erwähnt die Stimmung ist gekippt. Alles wird jetzt genutzt, um sie zu Mobben. Ist sie krank, bekommt sie SMS-Nachrichten, wann sie denn erscheinen will und wie lange sie noch krank machen will. Darüber hinaus den Zusatz, dass sie einen anderen einstellen. Es wird sich lustig gemacht über alles was sie sagt und tut und es gibt auch so eine Art Sozial-Neid Attacken, wo vorgemacht wird, wie faul alle Arbeitnehmer wären, wie Bürgergeldempfänger nur Schmarotzer wären (bezieht sich aus jemanden aus der Familie, wo sie erzählt hat). Auch andere Dinge werden vor ihr ausgeschlachtet, was sie zuvor erzählt hat. Das Problem ist, dass in unserer kleinen Stadt jeder jeden kennt und nun rumgetratscht wird. Dann wird ständig gegen sie gehetzt und die Kollegen sagen all ihre Sachen vor ihr und lachen. Sie hat jetzt immer so gehandelt, dass sie nichts sagt und einfach ihre Arbeit weiter macht, um keine Emotionen zu zeigen. Den Chef kann sie nicht ansprechen, denn die ganze Firma macht das Mobbing. Auch wird vor ihr gesagt, dass man ihren Arbeitsplatz vernichten werde und es geht wieder das Gelächter um. Dann wird ihr erzählt, wie andere schon mit KI solche Arbeiten ersetzt haben.  Was soll ich meiner Tochter raten. Sie arbeitet in einem Beruf, der nicht so gefragt ist und war froh, dass sie die Stelle hat. Wir haben uns schon umgeschaut nach was anderem, aber das wäre ausweglos momentan, ansonsten müsste sie nochmals einen neuen Beruf lernen.  Wie könnte sie sich weiter verhalten? Sie hat nun nichts mehr Privates erzählt. Wenn sie krank ist, dann sagt sie als Erklärung, was alle so mal haben, wie Magen-Darm-Grippe. Natürlich kann sie nichts mehr rückgängig machen von dem, was sie vorher anvertraut hat.  Wie kann sie sich in Zukunft besser wappnen vor persönlichen Angriffen? Vielleicht können sie uns einen Rat geben. Gibt es die Möglichkeit, diese Phase zu überstehen, wenn die Leute dann irgendwann lange Weile haben, weil sie nicht mehr reagiert?  


Leonie Traub

Leonie Traub

Beitrag melden

Hallo Schneeflöckchen,  vielen Dank für deine Nachricht. Die Situation deiner Tochter klingt für uns nach einer großen Belastung. Es ist gut, dass du sie unterstützt und nach Möglichkeiten suchst, wie die Situation verändert werden kann!  Erstmal ist es sehr schade zu hören, dass das Vertrauen deiner Tochter dazu geführt hat, dass Informationen nun gegen sie verwendet werden. Dies sollte in einem guten Arbeitsverhältnis und unter Kolleg*innen nicht passieren. Hier ist wichtig zu betonen, dass deine Tochter keine Schuld an der Situation trägt, nur weil sie sich geöffnet hat. In diesem Fall machen sich Arbeitskolleg*innen schuldig, die das Vertrauen deiner Tochter ausnutzen.  Deine Tochter leidet an einer chronischen Erkrankung. Wenn Personen sich über sie lustig machen, verstößt dies gegen das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Denn danach haben Arbeitgeber*innen eine umfassende Fürsorgepflicht und müssen Mitarbeitende vor psychischer Belastung schützen. Mobbing aufgrund einer chronischen Erkrankung kann auch unter das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) fallen, besonders wenn die Erkrankung als Behinderung im Sinne des Gesetzes gilt. Eine Benachteiligung wegen einer Behinderung ist verboten. Reagieren Arbeitgeber*innen nicht angemessen, verletzen sie die Schutz- und Fürsorgepflichten, was arbeitsrechtliche und unter Umständen auch strafrechtliche Konsequenzen haben kann.  Du hast beschrieben, dass es schwierig ist, den Chef anzusprechen, da er mitbeteiligt ist. Durch das Tratschen im Dorf wird ein Ansprechen ebenfalls erschwert. In diesem Fall wäre es wichtig, eine externe Person miteinzubeziehen und sich an eine Beratungsstelle zu wenden. Es ist wichtig, dass ihr mit der Situation nicht allein bleibt und euch Unterstützung holt!   In Situationen, in denen deine Tochter unfair behandelt wird, kann sie versuchen, klare Grenzen setzen. Beispielsweise kann sie laut und deutlich sagen, dass solche Bemerkungen am Arbeitsplatz unangemessen sind oder ihr Privatleben dort kein Thema sein sollte.  Auch wenn es sich unangenehm und fast unmöglich anfühlt, sind solche Situationen, in denen wir für uns einstehen, wichtig für ihr Selbstwertgefühl.   In einer Beratungsstelle könnt ihr die individuelle Situation besprechen und euch über rechtliche Möglichkeiten informieren. Das geht auch anonym. Über die Antidiskriminierungsstelle kann bundesweit per Mail Beratung in Anspruch genommen werden. Auf der Seite finden sich auch Vorlagen, um Beschwerde bei der arbeitgebenden Person einzureichen: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/wir-beraten-sie/jetzt-kontakt-aufnehmen/jetzt-kontakt-aufnehmen-node.html. Ihr könntet euch auch an die Fachstelle Antidiskriminierung wenden. Hier kann nach Beratungsstellen vor Ort gesucht werden: https://fachstelle.antidiskriminierung.org/ In den Beratungsstellen können die Berater*innen euch auch über das weitere Vorgehen und potenzielle Erfolgschancen informieren.   Es ist immer ratsam, erstmal die Vorfälle zu dokumentieren, damit ihr für weitere Schritte Nachweise in der Hand habt. Hierbei notiert, wer was wann gesagt hat.   Deine Tochter muss dieses toxische Umfeld nicht aushalten. Ihre psychische und körperliche Gesundheit geht vor. Kein Job ist es wert, sich dauerhaft kleinmachen zu lassen. Parallel zur Dokumentation und rechtlichen Beratung sollte sie aktiv nach Alternativen suchen, auch wenn das schwierig erscheint. Bei einer akuten psychischen Belastung ist auch eine Krankschreibung legitim. Und wenn die Situation unerträglich wird, ist eine Kündigung keine Niederlage, sondern Selbstschutz. Sie verdient einen Arbeitsplatz, an dem sie sich sicher fühlt.  Leider besteht in großen Teilen der Gesellschaft noch immer die Idee, dass Personen nur etwas wert sind, wenn sie einer bezahlten Vollzeitarbeit nachgehen. Dies wird von aktuellen politischen Entwicklungen und Entscheidungen gestützt und mitgetragen. In der Realität können die meisten Personen diese Ansprüche jedoch nicht erfüllen. Sobald unbezahlte Fürsorgearbeit anfällt (zum Beispiel bei der Pflege von Elternteilen oder Erziehung von Kindern) oder wenn eine Erkrankung vorliegt, kann dieser Anspruch nicht mehr erfüllt werden. Es bedarf eines grundlegenden Kulturwandels in der Arbeitswelt, um Erkrankungen nicht mehr als Problem, sondern als Teil der menschlichen Realität zu akzeptieren. Personen, die keiner bezahlten Arbeit nachgehen, als “Schmarotzer” zu bezeichnen ist nicht angemessen, sondern geht an realen Lebensumständen vorbei und würdigt Menschen herab.   Wir wünschen deiner Tochter alles Gute!  Xenia und Leonie 


Bei individuellen Markenempfehlungen von Expert:Innen handelt es sich nicht um finanzierte Werbung, sondern ausschließlich um die jeweilige Empfehlung des Experten/der Expertin. Selbstverständlich stehen weitere Marken anderer Hersteller zur Auswahl.