Frage im Expertenforum Beziehungsprobleme an Xenia Bukowsky:

Häusliche Gewalt und Kindesentzug

Xenia Bukowsky

 Xenia Bukowsky
Mediatorin/Konfliktberaterin

zur Vita

Frage: Häusliche Gewalt und Kindesentzug

Anna198

Beitrag melden

Liebe Frau Bukowsky, liebe Frau Traub, ich musste leider feststellen, dass der Mann, mit dem ich alt werden und unsere Kinder großziehen wollte, im Prinzip nur damit beschäftigt ist mich zu unterdrücken. Ich habe sehr lange gebraucht, um die Gewalt als solche zu erkennen, da es sich mehrere Jahre "nur" um psychische Gewalt gehandelt hat, diese Gewalt hat aber tiefe Spuren hinterlassen und ich habe mich zeitweise selbst verloren.  Seitdem ich verstanden habe, in welcher Situation ich mich befinde, ist mir vom Verstand her vollkommen klar, dass ich dieser Ehe entkommen muss, da er sich nicht ändern wird (und vor allem nicht will) und ich habe auch schon einige wichtige Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Trotzdem komme ich emotional nur in kleinen Schritten vorwärts um mich endgültig lösen zu können. Ich glaube, dass das auch daran liegt, dass ich im Moment einfach nicht weiß, welche nächsten Schritte am meisten Sinn machen. Vermutlich liegt es aber hauptsächlich an der entstandenen traumatischen Bindung.  Das Wissen darüber hilft mir leider trotzdem nicht, sie zu lösen. Wir sind im Moment noch verheiratet und haben das gemeinsame Sorgerecht für unsere gemeinsamen Kinder ( 3 und knapp 2 Jahre alt). Seit dem er merkt, dass ich seiner Kontrolle immer mehr entgleite, hat sich die Situation sehr zugespitzt und mir ist bewusst, wie gefährlich Trennungen sein können.  Mein Partner kommt nicht aus Deutschland und ich habe riesige Angst vor einem Kindesentzug, da ich in seinem Herkunftsland als Frau diesbezüglich keine Rechte habe. Die Sicherheitslage dort ist katastrophal und bis vor kurzem wäre eine Reise in seine Heimat gar nicht möglich gewesen.  Ich halte es für möglich, dass er versucht, mit den Kindern zusammen gegen meinen Willen in seine Heimat zurück zu gehen. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass er hier alles einfach hinter sich lässt, sich um rein gar nichts mehr kümmert und mich alleine mit den Kindern zurück lässt. (Das wäre eigentlich das Beste, was mir passieren könnte) Er ist mittlerweile so bedrohlich geworden, dass ich mich immer wieder frage, wie gewalttätig er mir und den Kindern gegenüber werden könnte bei einer von mir ausgehenden Trennung. Ich habe in den letzten Monaten schon einige Beratungsangebote von ganz verschiedenen Stellen wahrgenommen, aber irgendwie hatte ich nie das Gefühl dass irgendjemand die ganze Situation richtig erfassen konnte. Entweder die häusliche Gewalt wurde runtergespielt, teilweise wurde sogar mein Mann in Schutz genommen oder der kulturelle Hintergrund meines Mannes wurde nicht mit einbezogen, oder es gab kein Wissen zu Kindesentzug. Ich denke, dass ich am Ende auf meine eigene Intuition hören muss, da ich vermutlich am besten einschätzen kann, wie mein Mann reagieren könnte und was am meisten Sinn macht. Gleichzeitig brauche ich aber Hilfe um meine Situation zu ordnen und Imformationen zu bekommen, die mir fehlen. Also nochmal konkret: Wie kann ich verhindern, dass mein Mann die Kinder entzieht und ich sie nie wiedersehe? An wen wende ich mich falls mein Mann einfach ohne die Kinder in seine Heimat verschwindet und nicht mehr auftaucht (wie kann ich mich dann scheiden lassen, das alleinige Sorgerecht erhalten, das Konto wieder trennen etc.)? Wie gehe ich am besten vor wenn er einfach bleibt und den Trennungswunsch ignoriert, nicht auszieht und versucht meinen Auszug zu verhindern? Es tut mir leid, wenn der Text etwas durcheinander ist, ich bin so gelähmt vor Angst dass ich oft gar nicht mehr richtig denken kann, diese Ehe ist ein einziger Albtraum. Es könnte die Vorlage für einen Horrorfilm sein, aber leider ist es mein Leben.  


Xenia Bukowsky

Xenia Bukowsky

Beitrag melden

Liebe Anna,  vielen Dank für deinen Beitrag. Deine Situation klingt sehr herausfordernd. Gleichzeitig kann man aber gut herauslesen, was du schon alles geschafft hast und wie weit du trotz dieser schwierigen Umstände schon gekommen bist.   Gewalttätiges Verhalten zu erkennen, fällt vielen Personen schwer. Vor allem, wenn dieses nicht körperlich, sondern psychisch ist. Gewalt muss nicht immer körperlich und sichtbar sein. Emotionale Gewalt ist sehr belastend - das zeigen auch viele Studien. Es ist normal, dass du Zeit brauchst, um dich davon zu lösen. Auch wenn wir verstehen, was passiert ist, braucht dein Gefühl oft länger, um das zu verarbeiten. Du bist auf einem guten Weg.  Es ist gut, dass du bereits Sicherheitsvorkehrungen getroffen hast. Du beschreibst, dass er bemerke, wie sich ihm die Kontrolle entziehe und dass sich die Lage zuspitze. Diese Situationen können sehr gefährlich werden.   Aus deinem Beitrag lesen wir heraus, dass deine Lage ernst ist. Hast du schon beim Hilfetelefon (116 016) angerufen für eine Beratung? https://www.hilfetelefon.de/  Ein Aufenthalt in einem Frauenhaus könnte dir erst einmal Schutz geben. Du kannst selbstverständlich auch deine Kinder mitnehmen. Die Beratenden in den Frauenhäusern kennen sich mit deinen spezifischen Fragen gut aus, denn vielen Gewaltbetroffenen geht es ähnlich wie dir und befürchten auch eine Kindsentführung durch den Partner/Ex-Partner. Dort hättest du erst einmal Raum für dich, Schutz vor Gewalt, professionelle Beratung und Unterstützung bei der Trennung. Sie können dir auch praktische Tipps geben, z.B. wie du dich digital trennst (Entkopplung digitaler Geräte und Konten) oder dich beim Eröffnen eines neuen Bankkontos unterstützen. Ohne eine umfassende Gefahreneinschätzung kann die Gewalt eskalieren, wenn er mitbekommt, dass du beispielsweise Passwörter änderst, Zugänge sperrst oder neue Konten für dich eröffnest. Das Leben im Frauenhaus kann der Anfang eines neuen Kapitels sein, auch wenn der Schritt schwer zu sein scheint. Viele betroffene Personen haben erstmal Scheu vor einem Aufenthalt im Frauenhaus und beschreiben die Zeit dort aber im Nachhinein als sehr wertvoll und unterstützend.   Bitte passe besonders gut auf dich auf in der nächsten Zeit. Kannst du andere Personen in deinem Umfeld miteinbeziehen? Vielleicht Nachbar*innen, zu denen du im Notfall fliehen kannst? Oder Personen, die Bescheid wissen, dass sie die Polizei rufen sollen, wenn sie hören, dass es eskaliert?   Falls du die Möglichkeit hast, eine Notfalltasche bei einer Vertrauensperson zu hinterlegen, ist das toll. In eine Notfalltasche gehören: Kleidungsstücke und Hygieneartikel für ein paar Tage, Schul- und Spielsachen für das Kind, Ausweise, Pässe, Heirats- und Geburtsurkunden (auch des Kinds), Krankenversicherungskarten, Impfpässe der Kinder, wichtige Medikamente, relevante Bescheide (ALG I/Bürgergeld, Rente, Kindergeld…), Bankkarte, Mietvertrag, Wohnungsschlüssel, Arbeitsverträge, Lohnsteuerkarte, Rentenversicherungsunterlagen, Sozialversicherungsausweis, Verdienstbescheinigung (auch des Partners).   Wahrscheinlich weißt du über die Beratungsstellen schon gut, was du ansonsten zu deinem Schutz machen kannst. Wenn du weitere Tipps brauchst, könntest du auch hier nochmal schauen, was für deine Situation passen kann: https://www.ms.niedersachsen.de/startseite/frauen_gleichstellung/wer_schlagt_muss_gehen/tipps-fur-ihre-sicherheitsplanung-14105.html  Zum Thema Kindesentzug könntest du dich an den Verband binationaler Familien und Partnerschaften wenden: Kindesmitnahme: Verband binationaler Familien und Partnerschaften Auf der Homepage findest du gesammelte Informationen zu grenzüberschreitenden Umgangs- und Sorgerechtskonflikten. Du kannst dich dort auch kostenfrei über die Hotline beraten lassen. Eine weitere Hotline findest du hier: https://www.hotline-familienrecht.de/. Dort kannst du donnerstags von 17 bis 20 Uhr anrufen. Auch die Zentrale Anlaufstelle für grenzüberschreitende Kindschaftskonflikte (www.zank.de) und der Internationale Sozialdienst (www.iss-ger.de) könnten hier für dich hilfreich sein. Diese Hotlines werden frequentiert genutzt und es kann leider zu Wartezeiten kommen.   Welche Beratungsangebote hast du bisher in Anspruch genommen? Am besten wissen die Fachstellen (Frauenberatungsstellen) Bescheid, die sich auf das Thema häusliche Gewalt spezialisiert haben. Sie arbeiten parteilich und nehmen deine Erfahrungen ernst. Eine Übersicht über Angebote in deiner Nähe findest du hier: https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/hilfe-vor-ort.html  Sie können dich auch in der Suche nach einer geeigneten Rechtsvertretung unterstützen. Hilfreich kann es sein, wenn du Bedrohungen, Gewaltausübung oder Beschimpfungen gut dokumentierst.  Es ist gut, dass du deiner Intuition vertraust. In den meisten Fällen können betroffene Personen ihre Situation gut einschätzen. Trotzdem ist es bei deiner beschriebenen Lage wichtig, dass du nicht alleine bleibst und dir Hilfe holst. Bitte sorge für deine Sicherheit und die deiner Kinder. Es werden wieder andere Zeiten kommen, in denen sich dein Leben wieder anders anfühlen wird.   Wir wünschen dir auf deinem Weg in ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben viel Kraft und Erfolg.  Liebe Grüße  Leonie und Xenia 


Bei individuellen Markenempfehlungen von Expert:Innen handelt es sich nicht um finanzierte Werbung, sondern ausschließlich um die jeweilige Empfehlung des Experten/der Expertin. Selbstverständlich stehen weitere Marken anderer Hersteller zur Auswahl.