Mitglied inaktiv
Hallo Birgit, ich bin nicht sicher, ob ich richtig bin, wenn nicht, vielleicht könntest Du mir sagen, an wen ich mich wenden kann. Unser Problem ist folgendes: unser zweiter Sohn ist jetzt 4,5 Jahre alt und ein seeeehr knauseriger Esser und isst quasi nichts, was gesund ist. Und es wird von Monat zu Monat schlimmer. Er verweigert sämtliches Gemüse. Gurke zum Abendbrot ist er manchmal, aber auch nur wiederwillig. Ab und zu eine rohe Karotte. Kartoffeln isst er mit ach und krach. Aber dann nur eine Kleine. An Obst isst er nur Apfel (das sehr gerne), Birne, Banane geht gerade noch und Kiwi. Ich habe drei Söhne, der Große (7 Jahre) ist ein sehr unkomplizierter Esser, der Kleinste, 2 Jahre alt, so mittendrin. Soll ich dem "Mittleren" seinen Willen lassen und ihn einfach Fleisch, Fisch, Nudeln usw. ohne Gemüsebeilage essen lassen und einfach hoffen, dass sein Essverhalten mit den Jahren besser wird ? Er ist zwar leicht untergewichtig, aber ansonsten recht gesund. Ich befürchte, wenn ich ihm das durchgehen lasse, dass die anderen zwei dann auch nicht mehr gut essen werden. Es ist ein täglicher Kampf um jedes Gramm Gemüse bzw. Obst und ich möchte gerne aus dieser Kampfspirale raus und hoffen, dass es mit den Jahren besser wird. Kann ich hoffen, wenn er doch täglich sieht, wie wir alle gerne Gemüse essen ? Etwas überspitzt formuliert: Kann ich es verantworten ein Kind quasi fast ohne Obst (der Apfel macht die Ausnahme) und gänzlich ohne Gemüse groß zu ziehen? Ich habe ein bisschen die Befürchtung, das, wenn ich das Thema "gesundes Essen" zu sehr thematisiere, das der Schuss quasi nach hinten los geht. Ich bin wirklich extrem frustriert, dass ich jegliches gesunde Lebensmittel in mein Kind hineindiskutieren muss. Würde mich um Deine Einschätzung sehr freuen, vielen Dank für die Hilfe schon im Voraus !! LG / Andrea PS: er mag nicht mal Sauce, wenn er auch nur ahnt, dass das Gemüse drin sein könnte, also Gemüse auch nicht in pürierter Form (außer Ketchup und die Bio-Kindertomatensauce von Zwergenwiese).
Hallo Andrea um deine Frage erst einmal kurz und knapp zu beantworten: thematisiere nicht, sondern mache deinen Mittleren spielerisch mit der gewöhnlichen Familienkost vertraut. Stelle klare Regeln auf. Eine davon könnte lauten: es muss probiert werden, bevor es abgelehnt wird. Ausspucken erlaubt. Achte darauf, dass keine Machtkämpfe entstehen. Du hast es in der Hand, wie du dein Kind unkompliziert und behutsam in Gemüseangelegenheiten "intergrieren" kannst. Zwinge dein Kind zu nichts, biete viel mehr Wahlmöglichkeiten. Lies auch einmal hier: http://www.rund-ums-baby.de/kochecke/beitrag.htm?id=32491&suche1=sorten+v erweigern&seite=1#start Nicht alle Kinder mögen alle Obst-und Gemüsesorten gerne essen. Manche essen gar nichts und manche haben zwei bis drei Lieblingssorten. Andere Kinder mögen Fleisch nicht so gerne essen und wieder andere verabscheuen Milchprodukte. Als Mutter kann man schon daran verzweifeln, wenn die lieben Kleinen nicht so essen wollen, wie man sich das wünscht. Und vor allem wie es in den allgemeinen Ernährungsempfehlungen geschrieben steht. Kinder wissen nichts von Ernährungsempfehlungen und essen einfach dann, wenn es ihnen schmeckt, oder wenn sie hungrig sind. Jedes Kind is(s)t unterschiedlich. Manche Kinder essen gern und viel und einfach alles bis auf wenige Ausnahmen. Manche Kinder essen wenig und sind dabei oft noch sehr mäkelige Esser. Das wichtigste Element ist zunächst einmal einfach die Tatsache, dass ein Kind überhaupt isst :-) Das klingt zunächst zwar sehr banal und ist dennoch die erste Vorraussetzung. Die ist bei euch erfüllt :-) Keiner muss alle Gemüsesorten mögen. Es macht die Speisenauswahl nur insgesamt einfacher, für alle Beteiligten. Magst du denn alle Gemüsesorten gerne? Früher mochte ich persönlich wirklich viele (aber nicht alle) Gemüsesorten. Schwarzwurzeln bspw kann ich auch heute noch nicht essen. Und auch Rucola ist mir absolut zuwider....Da würden keine noch so guten Argumente zählen. Meine größere Tochter mochte zunächst auch kein Obst. Erst als Papa einmal Litschis ass, da fand sie daran großen Gefallen. Das kam völlig unerwartet. Auch heute isst sie nur Physalis und Mandarinen (saft), Litschis und Apfelsaft, Himbeeren, Heidelbeeren, Brombeeren, Erdbeeren und Kirschen. Apfel sowie Gurke, die dein Kind isst, sind doch schon einmal super. Essen ist überlebenswichtig. Da wir Menschen Allesesser sind, können wir aus einem großen Repertoire an Lebensmitteln schöpfen, die uns nähren. Was wir essen sollten, und welche Möglichkeiten der Auswahl wir haben, das gründet auf den Erfahrungen der Gesellschaft und Kultur, in der wir aufwachsen und leben. Wir Menschen sind recht anpassungsfähig. Allerdings muss man sich behutsam an neue Speisen heranwagen. *Besonders Kinder essen deshalb am liebsten immer das Gleiche! Nämlich das, was sie gut kennen und was sie am besten nährt. Essen hat nicht nur Geschmack, Konsistenz, Nährstoffe und Vitalstoffe, sondern auch andere Begleitstoffe, sog. sekundäre Pflanzenstoffe. Die enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe sind manchmal schwerer verdaulich oder erfordern "Entgiftungsmechanismen". Deshalb wird Gemüse oft akzeptiert, wenn es entsprechend zubereitet wurde, weil die Zubereitungsweise eine direkte Auswirkung auf die Verdauunng/Verdaulichkeit hat. Mittels bestimmter Verarbeitungstechniken (kochen, schälen, säuern, raspeln, fermentieren etc) ist es der Menschheit insgesamt gelungen, viele Lebensmittel essbar und geniessbar zu machen. Wichtig ist wirklich, dass Esserlebnisse sich positiv auf das Gesamtempfinden auswirken. Und die Verdauung bzw solche Entgiftungsprozesse sind individuell (im Organismus) verschieden. Was dem einen gut bekommt, kann beim anderen zu Unwohlsein führen. Deswegen mögen viele Kinder Gemüse oft weniger gerne essen. Gemüse hat zwar Vitamine Mineralstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe (es gibt auch viele ,die als gesund gelten) , Ballaststoffe aber bringt (im Vergleich zu Obst) keine Sättigung. Mit viel Fett (z.B.Rahmspinat) werden solche Ballaststoffe verträglicher. Ketchup bspw. hat einen hohen Zuckeranteil. Die Säure wird abgemildert und Kalorien kommen hinzu. Erbsen haben von Natur aus einen leicht süßlichen Geschmack. Pizza ist auch fettreicher wegen dem Käse und Öl. Deswegen akzeptieren Kinder oft mit Gemüse belegte Pizza. Übrigens ist Obst deswegen beliebter, weil es im Vergleich zum Gemüse einfach nahrhafter ist. Es liefert auf kleinstem Raum viel Nahrungsenergie, d.h. Kalorien und sättigt besser, und : es hat viel weniger störende Begleitstoffe. Ein Saft ist nahezu frei davon. Da stört keine weiße Haut mehr von der Orange. Der Apfel hat keine harte Schale und man kann einfach geniessen :-) ohne zu kauen... Was du schreibst, beklagen übrigens nicht wenige viele Mütter: Das Kind möchte nicht das essen, was Mama will. Und das ist auch kein Phänomen der neueren Zeit. Nein, es war schon immer so. Auch zu Großmutters Zeiten, und auch während der sog. Hungerjahre, als Nahrung knapp war. Das zu essen, was Kinder kennen und ihnen schmeckt, gibt ihnen Sicherheit. Sie lehnen vor allem den Geschmackseindruck "bitter" ab. Kinder sind sog. Supertaster. Geschmackseindrücke und Konsistenzen (das Mundgefühl) werden viel intensiver erlebt als bei anderen Personen. Kinder sind viel sensibler in ihrem Geschmacksempfinden. Das kann zu Ablehnung bestimmter Speisen führen. Babies, Kleinkinder und Kinder, auch Erwachsene, haben noch dazu eine sog. Neophobie. Eine Angst vor dem Neuen (essen). Auch hier wieder, evolutionsbiologisch betrachtet, eine gute Schutzfunktion. Gegessen wird nur das, was man kennt. Denn Unbekanntes könnte giftig sein. Besonders bittere Speisen sind oft giftig. Deswegen wird ein bitterer Geschmack von Kindern meistens abgelehnt. Grüne Paprika schmecken gekocht meist bitter. Aber auch alte Möhren können manchmal bitterer sein. Auch das Mundgefühl ist für Kinder wichtig. Sie mögen es lieber knackig. Lieber in eine frische Möhre reinbeissen, statt gekochte Möhren essen. Die Kinder beurteilen das Essen auch nach der Verträglichkeit. Diese Veträglichkeit ist subjektiv und von Aussenstehenden nicht immer direkt nachvollziehbar. Manche Kinder widerum lieben Gemüse viel mehr, wenn es beim Essen schön kracht und knackt. Da ist Rohkost das Mittel der Wahl. Leuchtende Möhrenstückchen, knackige Gurkenhäppchen, rohe Kohlrabisticks, Nicht aber jedes Kind kann rohes Gemüse gut verdauen. Deshalb muss ein Kind herausfinden, was es bevorzugt, Das kann man dann öfter geben. Meistens ist es sogar so, dass die Kinder Obst/Obstsäfte gerne essen/trinken und auch ein bis zwei oder mehrere Gemüsesorten durchaus gerne essen. Nur eben nicht alle und da wählerisch werden. Tomaten, Kartoffeln, Gurken... all das steht meist hoch im Kurs. Pizza, Pommes - auch das ist im weitesten Sinn Gemüse. Auch Döner, mit Rohkost, mögen die meisten Jugendlichen gerne. Was du tun kannst, ist auf Wiederholungen achten. Versuche deinen Kleinen spielerisch zu ermuntern etwas zu probieren. Ganz kleine Mengen. Das ist steigerungsfähig. Kinder müssen oft über 10 mal von etwas probieren, bevor sie wirklich gut akzeptieren. Die Kleinen müssen neue Speisen erst kennenlernen, neue Geschmackseindrücke sammeln, bewerten, neue Konsistenzen akzeptieren, kauen, selber essen lernen. Kleine Mengen können ausreichen. Freue dich, wenn dein Kind etwas gegessen hat oder auch nur probiert hat. Das ist besser als nichts und dein Kind lernt dazu. Ein reichhaltig gedeckter Tisch mit immer ungefähr gleichbleibendem Angebot weckt die Neugier und fördert das soziale Lernen. Spielerisch erlebt, immer wieder die gleichen Dinge präsentiert, mit vielen Sinnen erfahren, das prägt nachhaltig. Hieraus bildet sich eine gute Basis! Kinder suchen sich ihre Vorbilder. Häufig sind das die Eltern oder nur Mama oder nur Papa. Manchmal die Oma oder eine Freundin. Die Kleinen lernen insgesamt durch Beobachtung. Was von den Personen im Umfeld immer und immer wieder gegessen wird und immer und immer wieder auf dem Tisch steht - hier trauen sich die Kinder schliesslich irgendwann einmal zu zugreifen und zu kosten. Habe einfach Geduld und Nachsicht und vertraue darauf, dass dein Kleiner auf lange Sicht seine Lieblingsstücke finden wird. Biete doch selbstgekochtes Obstmus an, Kartoffelbrei, Tomatensosse. Versuche Obst und Gemüse in Gerichte einzuarbeiten. Kleingeschnitten, püriert, als Füllung etc Gemüse lässt sich nicht nur in Pizza gut verarbeiten, sondern auch in Fleischsossen. Bolognesesosse oder Gulasch sind gute Beispiele. Kartoffelbrei kannst du mit Möhren orange "färben". Gib dem Ding einen originellen Namen wie "DIE MAUS" Kartoffelbrei. Auch durch eine solche "Identifikation" schaffst du Vertrautheit, Neugier und spierlerischen Anreiz. Die Kartoffel ist ohnehin sehr vielseitig einsetzbar - Knödel, Gnocchi, Pommes, Backofenkartoffeln, Pellkartoffeln, Rösti u.v.m., Suppen... Pflanzt auf der Fensterbank eine Bohnenpflanze. Die darf dein Kind hegen und pflegen, schliesslich ernten, kochen und essen. Ladet zu diesem Schmaus das Kuscheltierchen ein... Kocht zusammen Marmelade. Gebt Früchte in einen Topf, hier darf dein Sohn rühren und riechen (!) und die fertige Marmelade der Oma schenken. Über Umwege kann man langfristig manchmal viel erreichen. Kauft zusammen ein, lass ihn mal eine Gemüsesorte oder Obstsorte aussuchen. Auch die Dinge im Laden/im Garten/auf dem Feld/am Baum zu sehen, in der Hand zu halten, daran riechen, selber waschen, schälen, schneiden - das kann langsam die Neugier steigern. Also dann Viel Spaß! Grüße B.Neumann * auch im Tierreich ist zu beobachten, dass neues Futter zunächst nur zögerlich in kleinen Bissen gekostet wird. Erst wenn es sozusagen auf Tauglichkeit geprüft wurde, wird mehr davon verspeist.