Frage im Expertenforum Frühgeburt an Prof. Dr. med. Gerhard Jorch:

Arztbericht

Prof. Dr. med. Gerhard Jorch

Prof. Dr. med. Gerhard Jorch
Kinderarzt und Neonatologe

zur Vita

Frage: Arztbericht

Mitglied inaktiv

Beitrag melden

Sehr geehrter Dr. Jorch, unser Frühchensohn starb vor 2,5 Jahren. Erst vor kurzem hatte ich den Mut mir seinen Arztbericht zukommen zu lassen und nochmal alles mir anzusehen. Wir entschieden uns damals die Therapien abzubrechen, da uns die Ärzte versicherten, dass er keine Chance mehr hatte und alles andere ethisch nicht mehr vertrettbar war. Dennoch wurmt mich hin und wieder der Gedanke, vielleicht hätte er überlebt! Wenn er auch sicherlich behindert gewesen wäre, aber wäre uns egal gewesen, auch wenn wir ihn nur ein Stück seines Lebens begleiten durften. Man hört ja oft, dass die Ärzte aufgaben und dem Kind wenig Chancen gaben und das Kind überlebte. Ich habe manchmal das Gefühl, die Ärzte wollten uns vor einem schwerstbehinderten Kind bewaren, was für uns aber keinerlei Grund wäre ein Kind sterben zu lassen und aus unserer Sicht ethisch absolut nicht vertrettbar. Wir brachen die Therapie nur ab um ihn Sterben zu lassen, weil uns versichert wurde, dass er bereits im STerben lag. Wir wollten ihm die Schmerzen und einen qualvollen langen Tod ersparen. Ich würde gerne Ihre Meinung hören, ob es wirklich so aussichtslos war und ob sie schon mal erlebten, dass solche Kinder schon mal überlebten. Auch wenn es jetzt an der Tatsache nichts mehr für uns ändert, aber dennoch möchten wir die Gewissheit, denn es ist schwerer für uns mit der Ungewissheit zu leben, was wäre hätten wir weitergemacht? Gab es überhaupt ein Weitermachen mit den Diagnosen? Hier seine medizinische Geschichte: Diagnosen: Eutrophes Frühgeborenes ( 27+0 SSW) Konnatal Pneumonie Atemnotsyndrom Pneumothorax Aterielle Hypotension Blutung, intraventrikul und intracerebral Blutungsanämie Matabolische Spätazidose Interstitielles Emphysem Gewicht: 990g, 39cm KU: 26,6cm Röntgenthorax bei Aufnahme: Idiopathisches Atemnotsyndrom IV Grades. Röntgenthorax im Verlauf: Pneumothorax bds, indiopathisches Atemnotsyndrom II-III Grades, zunehmendes pulmonal interstitielles Emphysem Röntgenthorax zuletzt: Interstitielles Emphysem bds. Pneumothorax bds, indiopathisches Atemnotsyndrom II Grades Schädelsonogramm bei Aufnahme: ohne path. Befund, unreifes Hirn initial kein Anhalt für Blutung SChädelsonogram im Verlauf: ICH III Grades rechts mit Parenchymbeteiligung und ICH II Grades rechts Therapie: Gentamin, Cefotaxim, Ampicillin, Dobutamin, Noradrenalin, Furosemid, Dexamethason, Fentanyl, Morphin, FFP Alveofact, Katecholamine, Indometazin, Dexamethason, Erythropoietin, Inkubatorpflege, Infusion Surfactant ( 4 Gaben) maschinelle Beatmung 6 Tage, maximaler Sauerstoffbedarf ( 100%)zuletzt noch zusätzliche O2 Zufuhr. Thoraxdrainage, zwei Bluttransfusionen, Zentralvenenkatheter und peripherer Arterienkatheter Bei zunehmender therapierefraktärer respiratorischer Insuffizenz und trotz hoher Katechomlamindosen anhaltender arterieller Hypotonie mit ausgeprägter metabolischer Azidose wurde die Therapie mit Einvernehmen der Eltern abgebrochen. Die Ärzte sagen uns, er bekäme das Maximum an Medikamenten, mehr können sie ihm nicht geben, außer Morphium. Er starb sehr schnell und friedlich. Die Ärzte reduzierten nur das Blutdruckmittel und er starb sehr schnell. Bei mir am Muttermund wurden Stephylokoken gefunden, das war wohl der Grund für die Infektion. Sehen sie öffters solche Verläufe oder ist es eher selten in der SSW. Vor der Geburt meinte der Gynägologe, die meisten Frühchen aus der SSW überleben gut und meist gesund. Ich frage mich oft, warum unser Kleiner es nicht geschafft hat? Oft lese ich von anderen Frühchen, die noch viel eher kamen und einige Infektionen in der Frühchenbehandlung hatten und überlebten, viele auch mit fast oder gar keinen Folgeschäden. Hatten wir wohl einfach nur Pech? Liegt es daran, dass er diese Infektion im Mutterleib schon hatte und diese sich ungehindert in seinem Körper ausgebreitet hat? War so mein Gedanke. Wie sehen sie das ganze! Ich danke Ihnen für Ihre Mühe und Ihre Arbeit hier im Forum und wünsche Ihnen ein schönes neues Jahr. LG Johanna


Prof. Dr. med. Gerhard Jorch

Prof. Dr. med. Gerhard Jorch

Beitrag melden

Ich meine auch, dass Ihr Kind im Sterben lag. Dafür spricht insbesondere der nicht auf die Dauerinfusion von Kreislaufmedikamenten ansprechende Kreislaufschock mit Gewebsazidose bei unzureichender Sauerstoffversorgung der Körpergewebe und auch der rasche Todeseintritt nach Absetzen der Kreislaufmedikamente. Frühgeborene mit 27 SSW und 990 g sterben heute selten, aber selten heißt eben auch, dass das gelegentlich nicht zu verhindern ist. Sie haben seinerzeit richtig entschieden und Ihrem Kind eine unwürdige Verlängerung des Sterbens unter maximaler Intensivtherapie erspart.


Mitglied inaktiv

Beitrag melden

Oh mein Gott, wie furchtbar. Ich hab das gerade gelesen und muß schon wieder heulen. Ich möchte euch nur ganz doll drücken und etwas Trost senden. Was ihr durchgemacht habt, ist wohl mit das schlimmste, was man sich denken kann. Diese was wäre wenn Fragen sind sehr zermürbend und kann sicherlich auch nie beantwortet werden... Ich wünsche euch alles liebe


Mitglied inaktiv

Beitrag melden

Dein Beitrag berührt mich sehr! Ich wünsche Dir von Herzen alles, alles Gute und das Du und auch Dein Mann irgendwann mit dieser Entscheidung Euren Frieden finden könnt. Eine stille Umarmung!


Mitglied inaktiv

Beitrag melden

Danke Herr Dr. Jorch, ihre Antwort beruhigt mich, dass sie derselben Meinung sind wie die Ärzte damals. Ich danke Ihnen vielmals. Natürlich hätten uns die Ärzte gesagt, wenn es auch nur einen Funken Hoffnung gegeben hätte. Ich dachte es mir schon, als er so schnell starb. Als hätte er darauf gewartet, dass wir kommen und ihn gehen lassen. Da war kein Funke Lebenswillen mehr. Sie haben mir gut erklärt, warum er im Sterben lag. Damals waren wir so im Schock, dass ich gar nicht verstand, was mir die Ärzte erklärten. Im Nachhinein hatten wir bisher noch nicht den Mut mit den Ärzten nochmal alles durchzusprechen, eben aus dieser Angst heraus. Ihr Posting bestärkt mich nochmal das mit seinen behandlenden Ärzten zu klären. Im Nachhinein sind wir froh, so für ihn gehandelt zu haben. Eine Entscheidung aus Liebe, für ihn noch etwas tun zu können, was ihn von seinen Leiden erlöste. Weil wir total hilflos danebenstanden und ihm sonst nicht helfen konnten. Danke nochmals und alles Gute Johanna


Bei individuellen Markenempfehlungen von Expert:Innen handelt es sich nicht um finanzierte Werbung, sondern ausschließlich um die jeweilige Empfehlung des Experten/der Expertin. Selbstverständlich stehen weitere Marken anderer Hersteller zur Auswahl.

Ähnliche Fragen

Hallo Prof. Jorch!! Meine kleine Tochter ist am 21.12.01 in der 34+5 ssw geholt worden. Wir litten am HELLP- Syndrom und alles ging sehr schnell. Dank der Ärzte wurde es auch sofort erkannt, allerdings ging es meiner Tochter nach der Geburt sehr schlecht und mußte auf die Intensivstation. Nun habe ich einige Fragen zu dem Bericht: HELLP Synd ...

Hallo. Habe meine Frage nochmal deutlich in dem Post von letzter Woche gestellt. Habe nun auch den Arztbericht. Darin steht: 4 Monate altes Kind (FG 28+4 SSW) Das Kind schläft von Beginn an.die Grundaktivität kann nicht beurteilt werden. Shunt links. Ausgeprägte fokale unspezifische Funktionsstörungen sind linksseitig betont. Es stellt sich ...