Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Ingrid Henkes:

Schulverhalten Erstklässler

Ingrid Henkes

 Ingrid Henkes
Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

zur Vita

Frage: Schulverhalten Erstklässler

September2015

Beitrag melden

Liebe Frau Henkes, meine Tochter ist im September eingeschult worden und hat nun die ersten 8 Wochen Schulzeit hinter sich. Ich habe aus eigenem Interesse bei der Lehrerin eine Gesprächstermin vereinbart damit sich beide Seiten zum gezeigten Schulverhalten austauschen können. Sie meinte meine Tochter habe keine kognitiven Defizite, die 3 bisher geschriebenen Proben hat sie bis auf wenige zu vernachlässigende Leichtsinnsfehler sehr gut "bestanden". Den vermittelten Stoff beherrscht sie gut. Das Sozialverhalten ist auch normal. Allerdings lässt sie sich leicht ablenken. Sie sitzt in der ersten Reihe und dreht sich wohl überdurchschnittlich häufig um. Die Klasse ist auch noch lt. Lehrerin sehr unruhig und die Kinder müssen überdurchschnittlich oft wohl noch ermahnt werden. Auch sei meine Tochter beim Ansprechen manchmal verträumt und reagiert nicht (das kenne ich von zu Hause auch). Ausserdem macht sie seit drei Wochen verstärkt Aufgaben in der Schule nicht fertig und schafft diese nicht in der Zeit; das sei wohl auffällig in der Klasse. Die Lehrerin meinte, man solle ihr noch bis Weihnachten zur Besserung Zeit geben und ansonsten den sonderpädagogischen Dienst / Schulpsychologen bzgl. der Feststellung von Konzentrationsproblemen hinzuziehen. Sie hätte die offenen Aufgaben zu Hause fertig machen müssen, hat dies aber nicht gemacht und mir war auch nicht bewusst, dass dies erledigt werden musste. Die Lehrerin hat wohl auch nicht bemerkt, dass meine Tochter das Nacharbeiten nie erledigt hat und somit hat meine Tochter auch keine Konsequenz durch das Nicht fertig werden im Unterricht gehabt und keinen Ansporn, die Aufgaben während der Schule zu machen. Ich habe mit meiner Tochter gesprochen, warum sie die Aufgaben nicht fertig gemacht hat. Sie ist ein willenstarkes Kind und meinte, es ist langweilig immer wieder nur Zeilen mit der gleichen Zahl zu schreiben. Aber es ist auch feststellbar, dass sie seit kurzer Zeit vor den Hausaufgaben schon resigniert und sagt, ich schaff das eh nicht, das ist soviel. Wenn ich sie dann motiviere und ihr gut zurede, dann macht sie die Aufgaben natürlich. Aber sie hat wohl im Vorfeld Versagensängste. Das ist es kurz so und hängt meiner Meinung nach mit dem mittlerweile in der Klasse unter den Kindern entstandenen Wettbewerb zusammen. Die Kinder merken, wer "gut" und "schnell" ist und wer nicht. Sie wird von ihrer Sitznachbarin wohl ziemlich unter Druck mit Wetteifern gesetzt. Meine Tochter sagte mir auch, dass ihr gesagt wird, dass sie schlecht sei. Die Lehrerin hat ähnliches berichtet und wird die Mädchen auch auseinander setzen. Wie beurteilen Sie diese Situation? Ist es nicht etwas vorschnell, nun schon über die Einschaltung von Sonderpädagogischen Diensten oder Psychologen zu sprechen? Wir sind natürlich offen für rechtzeitige Unterstützung, wenn Defizite früh genug erkannt werden, aber wollen natürlich auch nicht vorschnell unsere Tochter in diese Schiene bringen, da sich das sicher auch auf ihren Selbstwert auswirken wird. Es kann ja mehrere Gründe geben bzw. die Kinder sind ja erst seit kurzem aus dem Kindergarten raus und die Umstellung in "Schule" ist natürlich enorm. Herzlichen Dank für Ihre Sichtweise!


Ingrid Henkes

Ingrid Henkes

Beitrag melden

Guten Tag, Ihre Tochter hat gerade acht Wochen Eingewöhnung in der Schule hinter sich. Sie muss sich auf diese neue Situation noch einstellen. Gerade der Umgang mit den neuen Kindern ist hier sehr bedeutsam. Dann drehen sich Erstklässler um und achten auf das, was andere tun. Das ist in der Tat wichtiger, als immer die gleichen Zahlen zu schreiben. Viele Erstklässler sind unruhig und haben Konzentrationsprobleme (die Lehrerin möglicherweise auch, wenn sie nicht gemerkt hat, dass Ihre Tochter die Nacharbeiten nicht erledigt hat) in dieser ungewohnten und herausfordernden Situation. Dies ist kein Grund, den schulpsychologischen oder sonderpädagogischen Dienst einzuschalten. Stärken Sie Ihre Tochter, indem Sie ihr vermitteln, dass Sie ihr das Erledigen der Aufgaben zutrauen. Vor allem im Umgang mit den anderen Kindern kann Ihre Tochter Ihre Unterstützung brauchen, um sich von herabwürdigenden Bemerkungen nicht verunsichern zu lassen. Sie können Ihrer Tochter sagen, dass ein Kind, das sagt sie sei schlecht, wohl selber schlecht sein muss, weil es das sonst nicht sagen würde. Bei all dem hilft es Ihrer Tochter, wenn sie die Freude am Schulbesuch nicht verliert. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes


Bei individuellen Markenempfehlungen von Expert:Innen handelt es sich nicht um finanzierte Werbung, sondern ausschließlich um die jeweilige Empfehlung des Experten/der Expertin. Selbstverständlich stehen weitere Marken anderer Hersteller zur Auswahl.