Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Dr. med. Rüdiger Posth:

Panik vor Bällen! (leider lang geworden)

Dr. med. Rüdiger Posth

Dr. med. Rüdiger Posth
Facharzt für Kinderheilkunde, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut

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Frage: Panik vor Bällen! (leider lang geworden)

Mitglied inaktiv

Meine Tochter ist 5 Jahre und ein ausgesprochen offenes, freundliches und eher risikobereites Kind. Seit etwas über zwei Jahren hat sie aber regelrechte Panik vor Bällen jeder Größe (nicht aber vor Luftballons u.ä.) Sobald sie einen Ball auch nur von weiten sieht beginnt sie zu Schreien, am ganzen Körper zu zittern und unkontrolliert wegzurennen. Zuerst vermied ich Situationen bzw wir verließen Spielplätze und das Kinderturnen sobald ein Ball sichtbar wurde. Laut KiÄ brauche ich mich aber nicht weiter zu sorgen, da Clara sonst keine Ängste entwickelte. Neuerdings versuche ich, mit ihr zusammen diese Situationen (natürlich mit sehr großen Abstand zum Ball, etwa 10-15m oder hintereiner Hecke/Wand) auszuhalten und lasse sie auf meinem Arm solange schreien, bis die Angst von selbst weniger wird (kann mitunter eine halbe Std dauern). Nun erträgt sie Bälle bis etwa 10m Abstand schon ohne Schreien. Nun zu meiner Frage: Was kann hinter so einer Panikattake stecken ?(sie sagt nur sie hätte Angst, der Ball könne wegrollen - vor ein Auto, die Treppe runter, aus dem Haus,...) Und halten sie ein solches "Desensibilisieren" für Hilfreich und Sinnvoll? Mir fiel leider nichts anderes ein, was Erfolg hatte. Vielen Dank, auch für die vielen anderen guten Tipps die sie hier tagtäglich geben! Elke


Liebe Elke, gratuliere, wenn Sie es schaffen, ein solches Desensibilisierungstraining mit Ihrer Tochter auszuhalten. Das erfodert Mut und Kraft, aber es ist für das Kind der bessere Weg, verglichen mit einem fremden Verhaltenstherapeuten. Aber Sie müssen! erfolgreich sein, sonst geht der Schuß nach hinten los. Sie sollten sich doch besser professionelle Hilfe suchen, so für den Hintergrund. Die Entstehung von schweren Angstzuständen und Panik ist höchst kompliziert und bis heute nicht hinreichend erklärbar. Dabei spielen individuelle Voraussetzungen, also Dispositionen, früheste Gefühlserlebnisse und mehr oder weniger zufällige Erahrungen mit Dingen eine Rolle. Tiefenpsychologisch betrachtet kann der Ball Symbolcharakter besitzen, z.B. für alles nicht vom Selbst Kontrollierbare. Das Erlebnis des wegspringenden Balles wird im Gehirn gekoppelt mit den Bewußtseinsvorstellungen zur Kontrollfähigkeit von Situationen oder Personen. Das Empfinden zur Kontrollierbarkeit geriet aber, und das ist der Auslöser der Fehlentwicklung, irgendwann in der frühkindlichen Entwicklung in den Sog der Angstgefühle. Normalerweise entwickelt das Kind das Gefühl, alle prekären Situationen Kraft seines Selbst steuern zu können und die eigene Angst niederzuringen (das wäre der Optimalfall). Ist das Selbst aber zu schwach in der eigenen Wahrnehmung, gewinnt in dem Moment die Angst, und das Beobachten des hin und her hüpfenden Balles ruft nun jederzeit die Angst wieder wach und die Spirale in die Panik beginnt, es sei denn, das Kind verläßt den Schauplatz und vermeidet den Anblick. In ähnlicher Weise sind eigentlich alle projezierten Ängste zu verstehen. Ich hoffe, ich konnte Ihnen etwas weiter helfen. Viele Grüße


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