Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Dr. med. Ludger Nohr:

Nachtrag: Leidiges Thema Hausaufgaben

Dr. med. Ludger Nohr

Dr. med. Ludger Nohr
Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Frage: Nachtrag: Leidiges Thema Hausaufgaben

aines77

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Sehr geehrter Herr Dr. Nohr, zuerst möchte ich mich vielmals für Ihre Antwort bedanken. Schon allein, dass sie meinten, sie kennen das Problem, da Sie sich selbst und auch ihr Sohn auch so verhalten haben, hat mir schon viel geholfen, da ich daher meine, in Ihnen genau den richtigen Ansprechpartner gefunden zu haben. Ich versuche wirklich schon seit einiger Zeit, dieses Szenario zu verstehen und Erklärungen zu finden. Ich habe über Ihre Antwort nachgedacht und auch andere Situationen mit unserem Sohn beobachtet und denke, dass Autonomiebedürfnis wohl wirklich das richtige Wort für sein Verhalten ist. Ich hatte zwar geschrieben, dass ich eigentlich nur auf der Suche nach der Ursache bin, aber nun würde mich - speziell auch aus Ihrer persönlichen Erfahrung - doch interessieren, ob unsere gedachte Lösung Ihrer Meinung nach sinnvoll ist. Wir haben ja überlegt, einen bestimmten Zeitraum festzulegen, in dem er seine Aufgaben erledigen sollte. Das wäre eigentlich der ganze Nachmittag bis zu einer bestimmten Uhrzeit am Abend. Sollten die Aufgaben nicht erledigt sein, kommt die Schultasche weg und er muss ohne Aufgaben in die Schule. Soviel zur Theorie, die Umsetzung fällt mir sehr schwer. Seine Klassenlehrerin lässt diesbezüglich gar nicht mit sich reden, wir kommen sehr gut mit ihr aus, aber ich habe aus anderen Fällen mit Schülern mitbekommen, dass sie es nicht duldet, die Aufgaben zu vergessen und die Schüler dann bei ihr auch ganz schnell unten durch sind und es dann gleich nochmal so schwer haben. Nun mache ich mir Sorgen, ob ich damit nicht das gute Verhältnis aufs Spiel setze, da ich meinen Sohn im Moment schwer einschätzen kann und ich denke, er wird es sicher mal "versuchen" wollen, ob ich es auch ernst meine. Genau da liegt jetzt mein Problem. Wie sehen Sie das bzw. wäre diese Konsequenz überhaupt sinnvoll oder würden Sie etwas anderes empfehlen? Auf Vernunft (dass er von selbst einlenkt) kann ich im Moment nicht setzen, obwohl er immer sagt, er würde niemals ohne Aufgaben zur Schule gehen. Aber ich denke, er verläßt sich einfach auf mich und vertraut mir, weil ich ihn bis jetzt eben nie ohne Aufgaben in die Schule geschickt habe. Wie bekommt man so eine Situation am besten in Griff? Das gleiche gilt im Grunde auch fürs Schlafengehen. Auch hier scheint er ein massives Autonomiebedürfnis zu haben, denn er möchte sich seine Zeiten selbst aussuchen. Davor ist er einfach nicht ins Bett zu bekommen, man kann machen was man möchte, er liest noch im Bett und schläft einfach nicht vorher. Meist ist es jeden Tag dieselbe Zeit, aber definitiv viel zu spät für ein Kind in seinem Alter. Haben Sie einen Ratschlag? Ich bin ehrlich gesagt ziemlich ratlos im Moment. Können Sie mir hier Ratschläge geben, wie man als Eltern mit einem Kind, welches anscheinend zumindest phasenweise ein massives Autonomiebedürfnis hat, am besten umgeht und Grenzen erfolgreich (um)setzt? Wir möchten ihm ja gerne auch Freiräume schaffen, aber so wie Sie schon sagten, bis zu einer bestimmten Grenze und diese möchte er derzeit einfach nicht akzeptieren. Konsequenzen nimmt er mittlerweile in Kauf, da nach ein oder zwei Tagen ohnehin wieder Normalität herrscht. Aber man kann ja Verbote auch nicht für eine oder zwei Wochen aussprechen, das wäre ja nicht sinnvoll, oder? Gibt es Gründe dafür, warum manche Kinder ein so ausgeprägtes Autonomiebedürfnis haben? Haben wir etwas falsch gemacht? Vielen Dank schon jetzt für Ihre Antwort!


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Es gibt ja immer verschiedene Ebenen einzugreifen. Am Anfang versucht man zu überzeugen, dann werden die Worte deutlicher, vielleicht drohender und am Ende kommen Verbote. (Bei mir hat alles drei lange Zeit nichts genützt). Autonomiebedürfnisse sind nichts Schlechtes, das hat nichts mit falsch gemacht zu tun. Aber sie sind auch nicht im leeren Raum, ein paar Regeln sind nötig. Ich würde den Hausaufgabenzeitraum kürzer machen. Eine bis max. zwei Stunden. Anderes findet erst danach statt. Und auch die Erfahrung, ohne Hausaufgaben zur Schule zu gehen, sind eine Lebenserfahrung. So schnell wird die Beziehung zur Lehrerin nicht kippen. Beim Schlafen ist es noch schwieriger etwas zu bewirken. Vielleicht machen sie gar nichts, sagen ihre Meinung und sonst nichts. Dann wird er vielleicht schlafen weil er müde ist und nicht, weil sie es wollen. Weiterhin viel Geduld und größtmögliche Gelassenheit. Dr.Ludger Nohr


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