Kind will immer nur ärgern und provizieren

 Ingrid Henkes Frage an Ingrid Henkes Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

Frage: Kind will immer nur ärgern und provizieren

Guten Tag Frau Henkes, ich hoffe Sie können mir weiter helfen. Ich war schon bei Erziehungsberatunsstellen, bei der Familienberatung, bei einem Psychiater. Aber nichts bringt uns weiter.    Mein Sohn ist 4,5 Jahre alt und seit geraumer Zeit ist es sein liebstes Hobby andere zu ärgern und zu provozieren. In den Beratungen wurde mir immer gesagt, Kinder hätten daran keinen Spaß und man soll das Bedürfnis dahinter ergründen. Aber jetzt mittlerweile seit 2 Jahren versuche ich das, aber außer vielleicht ein Bedürfnis nach permanter ungeteilter Aufmerksamkeit kann ich nicht sehen - was aber natürlich auch nicht möglich ist. Und selbst, wenn ich z.B. mit ihm Uno spiele und sein kleiner Bruder sitzt auf dem Spielteppich und spielt mit Bauklötzen, dann geht er lieber seinen Bruder ärgern indem er ihm die Bauklötze umschmeißt, als weiter mit mir zu spielen (obwohl es sein Wunsch war). Freunde von mir sagen schon, sie sind froh, nicht so ein Kind zu haben. Viele wollen sich mit uns schon nicht mehr treffen, weil er ihre Kinder dann nur ärgert und wenn wir wo zu Besuch sind, geht er überall dran, räumt Schränke aus etc. Wenn ich dann sage "wenn du so weiter machst, gehen wir nach Hause" lacht er nur und macht weiter. Gehen wir dann, scheint es ihm auch egal zu sein.  So ist es bei allem. Er will z.B. malen, ich sage, er darf aber nur auf dem Papier malen. Er verspricht mir, dass er nuf auf dem Papier malt und malt auch erst auf dem Papier, läuft dann aber mit dem Stift druch die Wohnung und malt alle Wände an und lacht sich schlapp, während ich versuche ihm die Stifte weg zu nehmen.  Wenn jemand sagt, dass er etwas nicht möchte (egal wer), dann ist es für ihn die Aufforderung genau das immer und immer wieder zu machen. Besonders gerne drückt er einem alle möglichen Dinge ins Gesicht.  Anderen Kindern nimmt er die Spielsachen weg und rennt damit weg und wirft sie dann über den Zaun oder sonst wo hin, zerstört ihre Bauwerke, schüttet ihnen Sand über den Kopf etc. Wir haben ihm schon sehr oft (wirklich ruhig und eingehend) erklärt, dass das nicht in Ordnung ist, dass es die anderen Kinder traurig macht und dass er es auch nicht möchte, dass es bei ihm jemand macht. Dann sagt er auch immer, dass er es nie wieder macht - aber bei der nächsten Gelegenheit macht er es wieder und lacht sich schlapp.  Wir waren mit ihm auch schon bei einem Kinder- und Jugendpaychiarter - die Diagnostik ist auch noch nicht ganz abgeschlossen. Da war er (wie immer bei fremden Menschen) sehr unauffällig und ruhig (also regulieren kann er sich, wenn er will ja anscheinend). Seine Intelligenz ist im oberen Normbereich (wohl über Durchschitt, wegen der Standardabweichung aber nicht "hochbegabt"), ein Test auf Autismus war uneindeutig (Punkte lagen im Übergangsbereich - der Psychiater sagte, kann sein, kann sein das nicht, aber er sagt eher nein, weil er Blickkontakt aufbaut und auch Reaktionen nachahmt). ADHS wurde ebenfalls ausgeschlossen.  Er hat einige Entwicklungsdefizite (z.B. sprachlich) wobei der Psychiater sagte, da gäbe es wohl keinen Zusammenhang, in anderen Bereichen ist er allerdings sehr begabt, z.B. hat er ein sehr gutes Verständnis von Zahlen, kann Zahlen bis etwa 15 schon gut addieren (sagt einem z.B. innerhalb einer Sekunde, dass 3 blaue, 2 gelbe und 1 rote insgesamt 6 sind), zählt auch bereits korrekt bis 40. Der Psychiater sagte, dass es für sein Alter wohl untypisch sei, ebenso die Tatsache, dass er sehr weit denkt, wenn er über Probleme und die Lösungen nachdenkt.  Er kann auch "normal" mit anderen Kindern spielen. Phasenweise geht das, aber eigentlich auch nur, wenn er dann das Sagen hat und alle genau machen, was er vorgibt.  Haben Sie vielleicht noch eine weitere Idee? Irgendwas, was ich noch versuchen kann? Ich bin wirklich mit den Nerven am Ende. Vielen Dank

von AS306 am 17.02.2022, 11:51



Antwort auf: Kind will immer nur ärgern und provizieren

Guten Tag, das Verhalten Ihres Sohnes lässt vermuten, dass er dringend Grenzen einfordert, die ihm gesetzt werden sollen. Wenn Sie schreiben, dass dieses Verhalten bereits seit zwei Jahren besteht, gehe ich davon aus, dass er diese Provokationen seit der sogenannten Trotzphase zeigt. Ich kann von hier aus nicht einschätzen, warum er das Akzeptieren von Grenzen bisher nicht erlernen konnte. Aber es scheint ja neben der Aufmerksamkeit auch um Macht zu gehen. Anders als die Mitarbeiter/innen der Beratungsstelle bin ich sehr wohl der Meinung, dass es Kindern Spaß machen kann, andere zu ärgern und zu provozieren. Es verschafft (wenn auch kurzfristig) das Gefühl, Macht zu haben, eine Situation zu kontrollieren und bietet die Möglichkeit, Aggressionen auszuleben. Das sind alles sehr verständliche Motive für einen Vierjährigen, der in Wirklichkeit noch keine Macht hat und wenig kontrolliert. Aggressive Impulse haben sich möglicherweise in Verbindung mit der Geburt des Bruders angestaut. In dieser Phase handeln Kindern das Ringen um Grenzen in der Regel mit den Eltern ab. Hier ist es sehr wichtig, dass Kinder manchmal ihren Willen durchsetzen können. Genauso wichtig ist es aber, dass sie lernen, dass die Eltern bestimmen und sie sich anpassen müssen. Bei aller Trauer darum, nicht selber bestimmen zu können, führt das auch zu der Einsicht, dazu noch nicht in der Lage zu sein und sich so weiter unter den Schutz der Eltern stellen zu können. Hier geht es um Entwicklungsprozesse, die Ihr Sohn noch benötigt. Die starke Neigung zu Provokationen ist im Übrigen kein Merkmal von Autismus. Da das Problem schon geraume Zeit besteht und sich schon verfestigt zu haben scheint, könnte es hilfreich sein, nach Abschluss der psychiatrischen Diagnostik eine/n Kinderpsychotherapeuten/in zu konsultieren. Dort werden immer auch die Beziehungsprozesse zwischen Eltern und KInd betrachtet, um hier zu Verbesserungen zu kommen. Das scheint mir - auch aufgrund Ihrer verständlichen - Erschöpfung sinnvoll für alle Beteiligten. Ich wünsche ihnen alles Gute. Ingrid Henkes

von Ingrid Henkes am 17.02.2022



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