Dr. Posth wg. Urvertrauen/Mutter-Kind-Bindung (sorry, lang)

Dr. med. Rüdiger Posth Frage an Dr. med. Rüdiger Posth Facharzt für Kinderheilkunde, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut

Frage: Dr. Posth wg. Urvertrauen/Mutter-Kind-Bindung (sorry, lang)

Hallo Herr Dr. Posth Zuerst einmal ein herzliches Dankeschön für die Mühe, die Sie sich hier mit der Beantwortung der Fragen geben. Habe bisher zwar erst zweimal selbst um Rat gebeten, lese aber interessiert Ihre Antworten zu anderen Beiträgen und habe auch Ihre Texte mit großem Interesse gelesen. Vielleicht können Sie mir heute mal wieder weiterhelfen? Mein Sohn, 7 Monate alt, war ein sog. "Schreibaby". Schon die Schwangerschaft war nicht ganz ohne Komplikationen, v.a. auch weil ich (klein u. schlank), mein Sohn schon immer sehr groß und schwer war (ist). Die Geburt wurde dann 2 Wochen vor dem ET wg. seines Gewichts (3900g), fehlendem Fruchtwasser u. anderen Schwierigkeiten eingeleitet. Schon nach der Geburt schlief mein Sohn nicht, wie andere Babys sondern schrie. Ich entschied mich trotz der schwierigen Geburt für eine ambulante Entbindung. Doch in den ersten beiden Monaten war an Erholung überhaupt nicht zu denken. Mein Sohn schlief kaum, schrie immer, wenn ich ihn hinlegen wollte. So habe ich od. mein Mann ihn fast kontinuierlich getragen, geschlafen hat er ausschließlich auf m e i n e m Bauch und oft erstgegen 3 Uhr nachts bis etwa 8 od. 9 Uhr morgens. Unter tags schlief er kaum, max. 2 od. 3 Mal für etwa eine dreiviertel Stunde u. ebenfalls nur bei mir im Tragetuch oder auf meinem Bauch. Ich selbst kam in dieser Zeit zu gar nichts, oft konnte ich erst abends, wenn mein Mann von der Arbeit kam zum ersten Mal etwas ordentliches essen. (Erstaunlich, dass es bis heute trotzdem mit dem Stillen klappt) In dieser Zeit (v.a. in den ersten Wochen)habe ich meinen Sohn auch öfter angeschrieen, weil ich selbst so kaputt u. erschöpft war. Ich habe ihn jedoch nie schreien lassen. Mittlerweile ist er recht zufrieden, nach wie vor sehr aufgeweckt (schläft tagsüber leider noch immer nicht, nachts von 22 Uhr bis etwa 7 Uhr im eigenen Bett bei uns im Zimmer), schreit wohl noch immer mehr, als andere Kinder in seinem Alter, lacht aber auch sehr, sehr viel. Trotzdem kommt es ab und an vor, dass er rund um die Uhr herumgetragen werden will, ich oft erst gegen 13Uhr ins Bad gehe od. mich fertig machen kann (für etwa 10 Minuten - Duschen etc. habe ich schon auf den Abend verlegt), und ich ihn an solchen Tagen auch mal mitnehme, und quengeln lasse. (Ich weiss, nicht wirklich ideal, habe aber noch keine andere Lösung gefunden, um mich wenigstens anziehen zu können od. etwas zu essen). Auf Mutter od. Schwiegermutter kann ich nicht zählen, da sie der Meinung sind, ich hätte mir dies selbst eingebrockt und es seien die Auswirkungen des Verhätschelns am Anfang. Freunde sind weitgehend kinderlos und somit untertags arbeiten. Nun fällt mir immer wieder auf, dass mein Sohn sich ohne Probleme von Bekannten auf den Arm nehmen lässt und mit ihnen, oder auch mit Fremden lacht (bin in der Regel immer in der Nähe), fremdeln hatten wir bisher noch garnicht. Ich mache mir mittlerweile ernsthaft Gedanken, ob er von dem Anschreien in den ersten Wochen, oder jetzt, wenn er mal ein paar Minuten quengeln muß, Schaden genommen hat, bzw. unsere Beziehung darunter leidet/gelitten hat. Ich denke mir immer, wäre alles intakt, wäre er doch anhänglicher, od. würde nicht gegenüber jedem so offen sein, oder??? Ich bin meist rund um die Uhr für ihn da, gehe ich mal für ein/ zwei Stunden aus dem Haus, ist mein Mann bei ihm. Wie sehen Sie das? Haben Sie sonst auch ein paar Tipps für mich? Entschuldigen Sie den langen Text, aber ich wollte, dass sie sich ein bisschen ein Bild machen können. Vielen Dank schon im voraus!

Mitglied inaktiv - 19.04.2004, 12:23



Antwort auf: Dr. Posth wg. Urvertrauen/Mutter-Kind-Bindung (sorry, lang)

Hallo, zunächst einmal ein Lob für Ihre Offenheit und Ehrlichkeit. Auch wenn Ihnen das ein oder andere Mal die Nerven offenbar durchgegangen sind, so wird sich Ihr Bemühen um Trost und Beruhigung Ihres unruhigen, nervösen Sohns mit seinem schwierigen Temperament eines Tages auszahlen. Bedauerlich ist die, sagen wir es ruhig, ignorante Haltung Ihre Eltern und Schwiegereltern, die ja mit ihrer Blockadepolitik Ihnen samt Ihrem Sohn schaden. Letzlich rächen Sie sich nur dafür an Ihnen, weil Sie berechtigterweise eine andere Meinung zum Großziehen von Kindern vertreten, als sie selbst zu akzeptieren in der Lage sind. Damit aber schaffen sie, die Eltern, selbst mit die Probleme, die sie hinterher anprangern. Ein weit verbreitetes Phänomen in unserer wenig kinderlieben Gesellschaft. Wenn Ihr Sohn bisher keine so ganz festen Bindungserscheinungen aufweist, so mag das auch mit an der angespannten Situation am Anfang zusammenhängen. Vielleicht hängt aber auch seine innere Unruhe mit den Bindungsschwierigkeiten für sich genommen zusammen. Das wird schwer auseinander zu halten sein. Allerdings kann das Fremdeln auch noch einsetzen und die eigentliche Bindungsfestigkeit sieht man ja erst in der Phase der beginnenden Loslösung, wenn die Kinder die Mutter als "sichere Basis" brauchen. Ich kann Sie also nur darin bestärken, gegen den innerfamiliären Trend so weiter zu machen und Ihrem Sohn die für Sie mögliche Zuwendung und Liebe zu sichern, damit das Urvertrauen wächst und die Bindung einigermaßen sicher wird. Ich hoffe, Ihr Mann steht dabei voll hinter Ihnen. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 19.04.2004



Antwort auf: Dr. Posth wg. Urvertrauen/Mutter-Kind-Bindung (sorry, lang)

Hallo! Wir haben auch ein ähnlich temperamentvolles Kind, auch 2 Monate lang fast ausschließlich getragen, auch des öfteren mit den Nerven am Ende gewesen. Sie ist schon 11 Monate alt, nach wievor sehr lebhaft aber wir können mitlerweile sehr gut mit ihr zusammenleben. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir mailen würden, um einfach über etwas anspruchvollere Kinder zu reden. Gruß

Mitglied inaktiv - 26.04.2004, 21:25



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