Elternforum Rund um die Erziehung

@"Das Buch"

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Hallo Ihr Lieben! Jetzt rück' ich doch damit raus, auch wenn ich mir dabei überhaupt nicht (!) sicher bin, denn es könnte in die "falschen" Hände geraten. Es könnten sich die "falschen" angesprochen fühlen, es könnten also die für ihre Kinder "richtigen" Eltern (schön gesagt, Mama Heike) irgendwie falsch dadurch werden. Aber ich kann nicht anders, als es Euch jetzt "geben". Die Fußnote. Sozusagen. So wurde ich ein paar Jahre erzogen. Es wäre zwar vielleicht eine lustige Pointe geworden, weite Teile meines Diskurses im Zitat zu führen, ohne - das erste Mal in meinem Leben! - die Quelle zu nennen -- aber irgendwo hört dann sogar für mich der Spaß auf ;-) Also hier habt Ihr: Anna Wahlgren: "Das Kinderbuch". Weinheim und Basel, 2004. (Beltz-Verlag) Erstauflage: Stockholm 1983 Ich hatte den folgenden Text für solelo vorbereitet (ich weiß, du konntest nach dem Urlaub - umständehalber, "Magazin" und so ;-) nicht, kein Problem ... aber weißt ja eh :-). Deshalb spreche ich sie im Text auch immer wieder an. Bitte verzeiht Tippfehler, Rechtschreibfehler - Denkfehler natürlich nicht, aber ich glaube, da ist schon Ayle außen vor ;-) - allein: es ist die Textmasse. Hallo solelo! Wird Zeit, daß ich Dir in Bezug auf meine Ideen zum Umgang mit meinen Kindern mal meine Standpunkte „außerhalb“ vorstelle. Zum einen wäre das Rüdiger Posth – ich denke, der konsensfähigere meiner Standpunkte, zumindest wenn ich überblicke, wer oder was sich hier im Forum so alles auf ihn bezieht (wenn auch oft unvollständig, vielleicht mangels besseren Wissens, vielleicht auch tendenziös --- das ärgert mich immer maßlos, vor allem bei keulenschwingenden „Weißt-Du-denn-gar-nicht-was-Du-Deinem-Kind-damit-antust-Beiträgen“ von ... Ach nein, lassen wir das!). Rüdiger Posth halte ich wohl deshalb für berufen, mir Ratschläge für meinen Umgang mit meinen Kindern zu geben, weil er weniger ideologisch, als vielmehr empiristisch arbeitet. Und zudem neueste Hirnforschungserkenntnisse in seine Überlegungen miteinbezieht. Das macht sie nun prinzipiell nicht wahrer, aber sagen wir mal ein wenig rundum-abgesicherter … finde ich. Dieser interdisziplinäre Ansatz wird vielleicht noch dadurch positiv gestützt, daß Rüdiger Posth selbst Vater von vier Kindern ist und ich ihm einfach unterstelle, daß er nicht akribisch wissenschaftlich herleiten würde, was er selbst im täglichen Umgang mit seinen Kindern über Bord werfen muß. Aber das ist eher … naja, Gefühlssache halt, tut also eigentlich nichts zur Sache (;-) Inhaltlich werde ich ab nun sicher immer wieder auf Untersuchungen von Posth und seine daraus abgeleiteten Empfehlungen für den Umgang mit unseren Kindern eingehen. Nun zu meinem zweiten Standpunkt „außerhalb“. Und der ist nun ganz sicher sehr viel streitbarer (und offenbar weniger bekannt – ich habe jedenfalls hier in diesem Forum nur einmal bei Eels07 am 18.07. um 12:18 in einem Posting einen Bezug zu ihr gefunden …) als Posth: Anna Wahlgren. Insbesondere ihr Buch: „Das Kinderbuch“. Anna Wahlgren ist keine Kinderpsychologin, sondern in erster Linie eine schwedische (die Provinienz der Autorin finde ich an sich völlig unerheblich, in diesem Fall aber manchmal recht erhellend) Mutter von neun Kindern. „Das Kinderbuch“ schrieb sie 1983, also vor 24 Jahren!! Ich bekam es von einer Freundin empfohlen und las es, als unser damals zehnmonate alter Sohn stark erkältet war und ich mehr oder weniger stundenlang (ja,ja, erstes Kind … Bekky ;-) neben ihm lag. Ich hatte zuvor lange kein Buch gelesen, daß mich derart empört (und zwar über weite Strecken empört!!), derart angerührt, derart genervt, derart zum Lachen, derart zum Weinen, derart zum Augenverdrehen gebracht und derart zum Weiterdenken inspiriert hat. Letzteres bezieht sich vor allem auf Anna Wahlgrens wenn man so will ethnologische Studien, die in diesem (unnötig) dicken (weil sich stets wiederholenden – nerv-augenroll-schnaub-Stirn-in-Falten-leg-Zunge-rausstreck!!) Buch leider etwas verborgen liegen. Anna Wahlgren lebte wohl mehrere Monate in Afrika und dieser Kulturenvergleich hat bei ihr zu Erkenntnissen geführt, die ich persönlich nicht anders als unendlich weise nennen kann. Hm, ich überlege mir die ganze Zeit, ob ich Wahlgrens Gedanken, die ich hier meine, kurz (???!!!) skizzieren soll, oder ob ich sie selbst sprechen lasse. Letzteres finde ich grundsätzlich redlicher, aber es könnte lang werden … Egal, ich hab’ mich entschieden (Du Arme ;-): S. 98: „Wie kam es, dass die Leute früher problemlos und ganz ohne besondere Ausbildung für ihre Kinder sorgen und sie erziehen konnten? Oder konnten sie es nicht? Werden wir endlich, nach Jahrhunderten der Heuchelei, die Wahrheit darüber erfahren? Ist es nicht merkwürdig? In den letzten Jahrzehnten ist uns allen die Bedeutung der Kindheit eigentlich immer bewusster geworden: wir haben uns alle zu kleinen Hauspsychologen entwickelt; in einigen Ländern ist die körperliche Züchtigung per Gesetz verboten worden; das zwanzigste Jahrhundert sollte das Jahrhundert des Kindes werden. Sollten unserer Kinder dann nicht wenigstens ein bißchen glücklicher sein, als die Kinder es früher waren? Sind sie das? Sollten sie nicht wenigstens glücklicher sein und glücklicher aussehen als die Kinder aus den Ländern, in denen die Menschen kaum ein Dach über dem Kopf und keine Ahnung von Kinderpsychologie haben? Was ist, wenn es gar nichts nützt, daß wir als Eltern förmlich ausgebildet werden und uns nach Empfehlung des Big Brothers mehr für die Kinder engagieren und uns immer mehr Sorgen machen? Wir befinden uns mitten in einem Dilemma, das der Wohfahrtsstaat angerichtet hat. [Und nun kommen die für mich persönlich „wahrsten“ Sätze, die zum Umgang mit unseren Kindern seit langer Zeit gesagt worden sind  Oder präziser ausgedrückt: vorausgesetzt, man schafft es, oder ist überhaupt gewillt, Wahlgren das Pathos und die Redundanz ihrer unheilvollen (;-) gesellschaftskritischen Einlassungen nachzusehen, steckt da so viel „Wahres“ – oder bescheidener ausgedrückt: Nachdenkenswertes drin, daß es für mich persönlich für die nächsten Jahre reicht ;-) ] Der Mensch – ob groß oder klein – muß das Gefühl haben, dass er gebraucht wird. Dass er gebraucht wird, heißt nicht nur, daß er rein gefühlsmäßig gebraucht wird – das ist meiner Meinung nach die weniger wichtige Seite des Problems. Dass er gebraucht wird, heißt, daß er eine Aufgabe hat. Es heißt, ein Teil eines größeren Zusammenhangs zu sein. Es heißt, eine Funktion zu erfüllen, die für die anderen von Bedeutung ist. Es heißt, sich selbst sagen zu können: „Die anderen sind ohne mich schlechter dran!“ Wenn wir nicht gebraucht werden – in konkreter Weise und für uns selbst unverkennbar -, können wir Menschen keinen tieferen Sinn in unserem Leben erfahren. Liebe mildert die Sinnlosigkeit, aber die Liebe kann den Sinn, den man im Leben sieht, nicht völlig – oder auf Dauer – ersetzen. Auch wenn zehn Menschen dir in endloser Abfolge Tag und Nacht ihre Liebe zeigen müwrden, dich umarmen, dir zuhören, dich liebkosen würden – es wäre nicht genug. Du würdest ihnen wahrscheinlich nicht einmal glauben. Du musst tief in deinem Inneren wissen, dass du eine Aufgabe hast, dass du einen Beitrag leistest – groß oder klein, mehr oder weniger bedeutungsvoll -, der über dich selbst hinausgeht: „Ich werde gebraucht. Ich bin Teil eines Zusammenhangs. Die anderen würden ohne mich schlechter zurechtkommen – egal, ob sie micht lieben oder nicht!“ In einer Gesellschaft, in der die Familie von der Produkion streng getrennt worden ist, werden die Kinder und Alten im strengeren Sinne nicht gebraucht. Die Alten werden zur Seite geschoben; die Kinder werden für den späteren Gebrauch aufbewahrt. An jedem einzelnen Tag versuchen Kinder in den reichsten Ländern der Welt sich das das Leben zu nehmen. Viel zu viele schaffen es. Ist es Mangel an Liebe, der in diesen Kindern den Wunsch zum Sterben weckt? Auf ein so tragisches Mysterium gibt es keine einfachen Antworten. Aber ich glaube, dass die Sinnlosigkeit eine ihrer schwersten Bürden ist. […] Wenn z.B. ein paar Kinder morgens in der Kindertagesstätte krankgemeldet werden, wird das Personal so reagieren: „Toll, dann haben wir heute zwei Kinder weniger.“ Diese Reaktion zeigt nicht, dass das Personal böse oder gemein ist, dass ihm die Kinder egal sind oder dass die Betreuerinnen für ihre Arbeit nicht geeignet sind. Sie zeigt nur, dass die beiden Kinder in der Institution nicht gebraucht werden. Wäre es so, dass die Kinder dort von Nutzen wären, würde die Reaktion ganz anders lauten: „Ach nein! Wie sollen wir es nur schaffen, wenn die beiden nun nicht kommen?“ ‚Die anderen kommen ohne uns schlechter zurecht!’ trifft für diese kleinen Kinder also nicht zu – was nicht ausschließt, dass sie in der Kindertagesstätte oder Vorschule ihren Spaß haben können. Im industriellen Teil der Welt ist eine Kindheit, die für die Weltgeschichte einzigartig ist, entstanden: Eltern besuchen ihre Kinder in deren Welt, wenn die Erwachsenen gerade Zeit oder Lust haben, anstatt die Kinder in ihre eigene Welt mit einzubeziehen, sobald die Kinder dies können und wollen.“ Und im Grunde sind alle Vorschläge (halt! nicht alle, manche sind einfach haarsträubender hanebüchener Mumpitz und hier keiner eingehenden noch nicht mal einer eingehenden kritischen Betrachtung wert ;-) die Wahlgren nun im folgenden macht, wenn es darum geht, ein aus ihrer Sicht gelungenes Zusammenleben zu verwirklichen, vor dieser Folie zu sehen. Mir persönlich ist bisher noch kein überzeugenderer, plausiblerer Ansatz zum – wenn man so will „natürlichen“ oder an den Vorgaben der Natur orientierten oder „ursprünglichen“, dies setze ich alles in Anführungsstriche, weil ich mir der Deutungsimprägniertheit all dieser Begriffe bewußt bin, oder weiß, daß jeder für sich ungeheuer voraussetzungsvoll ist und nie ganz ideologiebereinigt sein wird - Umgang mit unseren Kindern begegnet. Doch ich stecke offen gestanden in einem bisher nicht gelösten Dilemma: denn andererseits fühle ich persönlich mich auch Posths überzeugenden Beobachtungen und daraus abgeleiteten Empfehlungen für den Umgang mit meinen Kindern verpflichtet. Ja, man könnte sagen, im Grunde erarbeite ich mir meine Ideen zum Umgang mit meinen Kindern (in einem fortwährenden Erkenntnisprozeß, von dessen Vorläufigkeit ich meine Kinder aber tunlichst nichts spüren lasse) in etwa z w i s c h e n diesen beiden für mich nunmal gleichermaßen (ja das gibt’s bei mir, solelo ;-) plausiblen Interpretationsversuchen kindlichen Seins (mehr ist sowohl Posths als auch Wahlgrens Unternehmen nicht, vergessen wir’s nie ;- Denn letztlich ist alles, was wir intersubjektiv an prinzipiellen ‚Wahrheiten’ über menschliches Sein behaupten, immer Interpretation, umso mehr – meine ich – also das, was wir als denkende Erwachsene über frühkindliches Sein aussagen) kindlichen Seins. Tja, und dann kommt gewissermaßen als auflockernde Zutat meines Erziehunsggemischs (ich glaube ich nannte es hier mal eine humoristische Lockerungsübung zwischendurch) nicht immer, aber zwischendurch auch noch Axel Hackes Sicht auf die Dinge hinzu: nämlich eine schlicht und einfach perspektivische Haltung, oder ein perspektivisches Sehen/Betrachten von Eltern-und-Kind-Settings. Man konstatiere/stelle sich die kindliche Perspektive vor, konstatiere/stelle sich dem gegenüber die elterliche Perspektive vor und mache ausnahmsweise einfach mal gar nichts, um friedensstiftend zu vermitteln, sehe beiden in ihrer mitunter entwicklungsbedingten Unvereinbarkeit zu und … entspanne dabei (bei mir klappt das unglaublich gut, manchmal mittendrin im Eltern-Kind-Geschehen) lache sich den Ast ab – wenn man kann ))) Jetzt hast Du’s, solelo: das in etwa ist meine Erziehungshaltung im alltäglichen Umgang mit meinen Kindern. Und wer darin auch noch gut Platz nehmen kann, wird im Vorbeigehen auch noch eingeladen: Remo Largo fällt mir da z.B. ein. Aber vielleicht noch ein bißchen mehr Wahlgren zur Verdeutlichung: S.99f. „Alle Eltern von kleinen Säuglingen [Anne Wahlgren antwortet hier auf den verzweifelten Brief einer Mutter, die sie um Rat fragt, weil ihr Kind trotz angeblich permanenter Umsorgung und Fürsorge so unausgeglichen wirkt], die sich in Entwicklungspsychologie kundig gemacht haben und mit endloser Geduld ihren Kindern Tag und Nacht Liebe und Trost spenden, wissen, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Das Kind reagiert ja nicht mit Ruhe und Zufriedenheit. Ganz im Gegenteil, das Kleine wird immer widerspenstiger in seinem Protest. […] Arme Mama, armer Papa – was tun sie nicht alles für das Kind, und doch machen sie anscheinend etwas falsch, denn es ist so offensichtlich, dass es dem Kind irgendwie nicht gefällt. Sie nehmen ihren Mutterschutz und Erziehungsurlaub. Sie bleiben abwechselnd zu Hause – in Schweden bis zu einem ganzen Jahr -, um sich um das kleine Kind zu kümmern. Dadurch treten sie aus ihrer eigenen sozialen Gemeinschaft aus. Sie lassen ihre eigene soziale Beteiligung hinter sich. Sie sind zu Hause – nicht weil es für sie notwendig ist (im Kampf ums Überleben), sondern ausschließlich, weil sie ein Kind bekommen haben. Das Kind wird dadurch nicht zu einem Teil eines Zusammenhangs, der vor seiner Ankunft existierte. Das Kind wird nicht in eine Wirklichkeit, die vor dessen Geburt da war, mit einbezogen. Stattdessen bildet das Kind sozusagen eine ganz neue Wirklichkeit und wird so zum Mittelpunkt der elterlichen Existenz. Bereits in den eigenen vier Wänden der Familie entsteht auf diese Weise eine künstliche Kinderwelt. [Ich finde, treffender kann man das Dilemma moderner Elternschaft nicht beschreiben. Wenn man mag, kann man von dieser angenommen Dekadenzbewegung oder dieser (von mir aus arg zugespitzten) Kulturkritik ohne allzu große Mühe/argumentative Verrenkungen eine direkte Linie zur heute beklagten demographischen Situation ziehen] Solange Beruf, Gesellschaft und Produktion von der Familie getrennt sind, werden die Erwachsenen in der Welt der Kinder – außerhalb der sozialen Gemeinschaft – immer nur zu Gast sein, weit weg vom Kampf um die eigentliche Existenz. […] Gegenseitige Unsicherheit ist die Folge. Für das Kind kann diese existentielle Unsicherheit zur Katastrophe werden. Die Sinnlosigkeit droht: „Ich werde hier nicht gebraucht. Die anderen kommen ohne mich genauso gut zurecht. – Vielleicht würden sie sogar ohne mich besser klarkommen!“ […] Der Erziehungsurlaub ist der erste Schritt zur Verbannung des Kindes aus der sozialen Gemeinschaft. Die Verbannung wird in den Kindertagesstätten – man könnte sie auch Kinderparkplätze [ich denke, Wahlgren meint hier, weil eben auch nicht so ausgerichtet (oder bloß mit Lego-Mal und sonstigen Ecken eingerichtet), daß Kinder darin wirklich gebraucht werden] nennen – fortgesetzt und die Grundschule ist im Grund genommen nichts anderes als eine riesige Tagesstätte. Zwischen den verschiedenen Kategorien von Menschen sind wasserdichte Schotten errichtet worden: Kinder für sich, Alte für sich und darüber die produktiv tätigen Erwachsenen für sich – für sich in dem eigentlichen Leben, dem Leben nämlich, in dem die Erwachsenen um das Überleben und den Fortbestand der ‚Herde’, der Familie, der Gesellschaft kämpfen. […] Hätten die verzweifelte Mutter und der deprimierte Vater während des Erziehungsurlaubes etwas zu tun gehabt, das für sie notwendig gewesen wäre und eine Voraussetzung zum Überleben darstellt, etwas, dem sich alle – inklusive des Kindes – hätten beugen müssen, dann wären sie ihrer ‚Hölle’ entkommen. Früher haben Eltern sich nicht über eine zu erwartende ‚Hölle’ beklagt, wenn ein zusätzliches Kind erwartet wurde. Sie hatten vielleicht schon sieben oder mehr Kinder, dazu noch 18 Kühe, die gemolken werden wollten, und Felder, die bestellt werden mußten. Und worunter ihre Kinder auch gelitten haben mögen, es war auf keinen Fall Sinnlosigkeit. Eltern landen mir ihren Säuglingen und Kleinkindern in einer ‚Hölle’, weil sie statt ‚sozialer Beteiligung ihren Kindern ‚nur’ Liebe und Aufmerksamkeit geben, anstatt beides miteinander zu verbinden. Ihr Alltag ist nicht den Bedingungen unterworfen, die vor der Geburt des Kindes Gültigkeit hatten, und genau das müsste an erster Stelle stehen. Das Kind versucht verzweifelt den Alltag der Eltern zu begreifen: Wie ist er strukturiert? Wie hängt alles zusammen? Wie kann man daran teilhaben? Während die Eltern aus fehlgeleitetem Wohlwollen und missverstandener ‚Liebe’ darauf beharren, dass es keinen solchen Alltag gibt. Es gibt keinen gemeinsamen Kampf ums Überleben. „Wir sind nur hier, weil du geboren wurdest.“ Das kann das Kind einfach nicht akzeptieren. […] Sehen wir uns einmal an, wie ein kleines, zweijähriges Kind seinen eigenen revolutionären Kampf – buchstäblich von ganz unten – in Angriff nimmt. Mama versucht eine Mahlzeit zuzubereiten. Klein Magnus hängt an ihrem Rockzipfel und möchte auf den Arm. Er steht mitten in einem Haufen Spielzeug, das ihn überhaupt nicht interessiert. Er jammert und weint und schreit. Mama seufzt und flucht, bis sie letztlich auch selbst weint. Es ist ihr einfach alles zuviel und sie schafft überhaupt nichts. Aber nun geschieht etwas: Mama nimmt den Kleinen resolut hoch, setzt ihn auf die Arbeitsfläche neben dem Herd. Sie gibt ihm eine Wurst in die Hand und hält die Pfanne zu ihm hin und bittet Magnus freundlich, die Wurst in die Pfanne zu legen. Magnus lässt die Wurst in die Pfanne plumpsen. Mama dankt ihm herzlich für seine Hilfe. Die Wirklich zeigt sich sofort und sie ist kolossal. Magnus strahlt wie eine kleine Sonne. Er sieht seine Mutter triumphierend an: „Siehst Du wohl“, würde er sagen, wenn er es könnte, „du brauchst mich! Ohne mich würdest du das Mittagessen nie fertig kriegen.“ Mehr bedarf es nicht. So einfach ist es, Magnus das Gefühl der sozialen Beteiligung zu vermitteln, er wird sich seines Wertes bewußt: Er ist nützlich und erlebt eine tiefe Zufriedenheit, weil er spürt, dass er gebraucht wird. Er hat etwas geleistet, das für die anderen notwendig ist (für das gemeinsame Überleben der ‚Herde’). Und danach kann er Urlaub machen. Er ruht sich aus und entspannt sich. Jetzt spielt er schön mit seinen Spielsachen. […] Nochmal: So einfach ist es. Das Prinzip ist so alt wie die Menschheit selbst: Lasst die Kinder teilhaben und lernen. Zu allen Zeiten haben die Menschen sich beim gemeinsamen Arbeiten kennen gelernt, sie sind einander nützlich gewesen, haben einander gebraucht, ja, sogar lieben gelernt. So wenig, wie sich Magnus nur für sehr kurze Zeit mit immer mehr Spielsachen zufrieden gibt oder damit, dass die Mutter die Vorbereitung des Essens kurz unterbricht, um einen Moment mit ihm zu spielen, genauso wenig lässt sich ein kleines Baby zufrieden stellen, auch und obwohl es immer mehr Liebe und Aufmerksamkeit, immer mehr Zärtlichkeit und Trost bekommt und durch immer mehr Herumtragen in eine symbiotisch-emotionale Beziehung eingebunden wird. Natürlich sollten wir mit dem Kind nicht gleichgültiger umgehen. Stattdessen muss man ihm einen Platz in der Wirklichkeit bereiten, die für die Familie Gültigkeit hat, und allmählich muss es dort nach seinem Willen und seinen wachsenden Fähigkeiten in die alltäglichen Aufgben eingebunden werden.“ [Und hier Anna Wahlgrens Utopie:] Die große Gesellschaftsrevolution würde die Frauen nicht nach Hause an den Herd jagen. Sie würde sie auch nicht von zu Hause auf den Arbeitsmarkt – weg von den Kindern jagen. Nein, sie würde die Arbeit an die Familie zurückgeben. An die ganze Familie.“ S. 104f.: „Du hast ds Gefühl, dass das Weh und Wohl dieses kleinen Wesens auf deiner Fähigkeit, ihm Liebe zu geben, beruht. Vielleicht plagt dich das Gefühl, dass du deinem Kind nicht genug Liebe geben kannst. Du hast Angst, dass du nicht gut genug bist. Dass du nicht gut genug sein kannst. Der Erziehungsurlaub gibt dir unendlich viel Zeit, um deinem Kind alles zu geben, was es braucht. Aber trotzdem hast du Angst. Schon bevor du deine neue Karriere als Mutter beginnst, fürchtest du, dass du es nicht schaffst. Mit der Einleitung möchte ich das schuldbeladene Liebesevangelium des Big Brothers aus der Welt räumen, das eine kompensatorische Liebe fordert, eine Liebe an Stelle von der nicht existierenden, sozialen Beteiligung; eine kompensatorische Liebe, die sagt: ‚Du kannst an meinem eigentlichen Leben nicht teilhaben – aber ich liebe dich grenzenlos, wenn ich frei habe!’ Und das, was ich ‚das eigentliche Leben’ nenne, ist der gemeinsame Kampf ums Überleben – der Kampf, der innerhalb der ‚Herde’ (der Familie, die Einheit, du und dein Kind) gemeinsam gekämpft werden sollte, aber von dem das Kind ausgeschlossen wird. Jetzt, während des Erziehungsurlaubes bist du selbst von deiner sozialen Gemeinschaft ausgeschlossen. Zu der wirst du später zurückkehren, aber ohne dein Kind. Dein Gefühl der Unzulänglichkeit kommt zum größten Teil davon, dass du instinktiv weißt [na solelo, da weiß noch jemand instinktiv etwas ;-)] dass irgendetwas hier nicht stimmt. Deshalb lautet das erste Gebot der Säuglingspflege: Du musst dich selbst und dein Kind davon überzeugen, dass du zu Hause bist, weil es für dich notwendig ist (aus irgendeinem Grund, egal welchem – als würde es um den Kampf ums Überleben gehen), und nicht, weil du ein Kind bekommen hast. […]“ 109f.: Damit die Kleine sich trauen kann, diese Überzeugung [geborgen zu sein] zu erlangen, darfst Du keine Zweifel daran aufkommen lassen. Deine Haltung sollte dem Kind jederzeit zeigen, dass alles in schönster Ordnung ist. Das kind wird davon überzeugt sein, dass du alles im Griff hast, auf alles vorbereitet bist und ständig voraussehen kannst, was auf euch zukommt, damit alle Gefahren rechtzeitig abgewendet werden können. So wird das Kind eine innere Ruhe erlangen – weil es weiß, dass du Bescheid weißt. Dies erfordert ab und zu ein gewisses Maß an schauspielerischem Talent. Es wird noch viele Jahre dauern, bevor dein Kind deine Unruhe, Unsicherheit, Zweifel und Verzweiflung annehmen kann, ohne gleich Gefahr zu wittern. Wenn du gerade eine lautstarke Auseinandersetzung mit deinem Partner gehabt oder eine aufregendes Telefongespräch geführt hast oder du aus Sorge und Angst in völlige Verzweiflung geraten bist und dir nur zum Heulen zumute ist, musst du - in dem Moment, in dem das Kind aufwacht und nach Essen verlangt – deine eigene Aufregung verstecken, indem du ein geistiges ‚Rollo’ herunterlässt. Du atmest ein paar Mal tief durch, wappnest dich mit allen Reserven von Ruhe und Entschlossenheit, setzt ein Lächeln auf, gehst zu deinem Kind hinein und nimmst es hoch! Je natürlicher und selbstsicherer dein Auftreten ist, desto größer wird die Ruhe des Kindes. Das ist Geborgenheit: Keine Gefahr droht.“ Ich bin mir durchaus bewußt, wie seltsam oder „strange“ Wahlgrens Ausführungen an dieser Stelle anmuten. Genauso ging und geht es mir auch jetzt noch, und ich halte manche Ergänzung oder Relativierung für angebracht. Etwa in punkto Integrität meinem Kind gegenüber oder im Hinblick auf mein geliebtes Authentizitätsthema. Eigentlich ist das, was Wahlgren hier sagt, konträr zu meinen diesbezüglichen Gedanken. Trotzdem „spinnt“ sie für mich in diesem Punkt nicht. Dazu habe ich persönlich im alltäglichen Umgang mit meinen Kinder ein paar Mal zu oft erfahren, wie recht sie hier hat. S. 161ff. „Die Gefahr auf mich nehmend, respektlos zu klingen, möchte ich behaupten, dass die Menschen, die um das Kind herum sind, die Menschen in seinem Zuhause, die Mitglieder ‚seiner’ Herde, in den Augen des Kindes auch nur eine Art eingeprägter Bezugspunkte sind. Die Zugehörigkeit umfasst das Ganze: die Menschen u n d das Zuhause. Alles zusammen bildet die ‚Herde’ und diese Herde gibt dem Kind seine Zugehörigkeit. Mit diesen Worten im Hintergrund möchte ich, dass du deine Besorgnis über deine eventuelle Unzulänglichkeit vergisst: Du wirst nie ganz allein die Zugehörigkeit des Kindes, die Geborgenheit und das Gefühl des Zu-Hause-Seins ausmachen. Und so möchte ich auch, dass du dich von einer Vorstellung, die heute leider weit verbreitet ist, befreist. Von der Vorstellung nämlich, dass du und nur du für das Kind von Bedeutung bist: ‚Jetzt wird alles wieder gut – jetzt kommt Mama!’ Innerhalb eurer Festung, innerhalb der ‚Herde’, können auch andere Personen als du dem Kind seine Zugehörigkeit bestätigen. Das soll natürlich nicht heißen, dass man das Kind einem ständig wechselnden Strom von Menschen aussetzen sollte, die das Kind abwechselnd für einen Tag, sozusagen im ‚Nest’ der Herde hüten. Man sollte aber auch nicht Mutter und Kind aus dem ‚Nest’ herausholen und sie dazu veranlassen, ständig verschiedene ‚Herden’ in verschiedenen Umgebungen in täglichem Wechsel ohne eigentliche Zugehörigkeit abzuklappern. In beiden Fällen setzt man unweigerlich das seelische Wohlbefinden des Kindes aufs Spiel. [Und jetzt kommt der Lieblingssatz meines Mannes in Wahlgrens Buch:] Lass die Welt klein sein, bevor sie groß wird – sowohl was den Menschen als auch was die Umgebung betrifft! Je fester und unveränderlicher die Basis ist, desto größer und sicherer wird der Operationsradius. Das Kind sucht seine Zugehörigkeit und die Bindung muss nur bestätigt werden.“ S. 163: „Ein undefinierbares Gefühl der Unzulänglichkeit schleicht sich sehr früh in die Elternschaft unserer Zeit und unserer Kultur ein. […] Eine Mutter oder ein Vater, die oder der während des Mutterschutzes oder des Erziehungsurlaubes zu Hause beim Kind geblieben ist, muss […] den Widerspruch, der durch das bloße Prinzip des ‚Elternurlaubes’ vorprogrammiert ist, überwinden. Da man selbst die Verbannung aus der sozialen Gemeinschaft erlebt, indem man, unfreiwillig oder selbst gewählt, zu Hause bleibt, erkennt man, dass das Kind in diese Gemeinschaft nicht aufgenommen wird. Kinder sind dort nicht ‚erlaubt’. Die ‚Herde’ wird auseinander getrieben, sie verarmt; der Kampf ums Überleben, der gemeinsame Sache sein sollte, wird nie gemeinsam gekämpft werden. […] So entsteht eine verkehrte Welt: Erwachsene spielen Gäste in der Welt des Kindes, wenn die Erwachsenen es gerade wünschen und können, anstatt die Kinder mit in ihre eigene Welt hineinzunehmen, wenn die Kinder es wünschen und können. Die überspannte Liebesforderung soll als Kompensation für dieses Missverhältnis dienen, das meiner Meinung nach völlig im Gegensatz zur Natur steht. [Soo wahr!!!! … finde ich] Deshalb ist […] das erste Gebot einer guten Säuglingspflege, dass es dir gelingen mag, sowohl dich selbst als auch dein Kind davon zu überzeugen, dass du zu Hause bist, weil es für dich notwendig ist, und nicht, weil du ein Kind bekommen hast. Keine noch so vollkommene Liebe kann eine Kompensation für die Verbannung des Kindes aus der sozialen Gemeinschaft sein und irgendwo tief im Inneren weißt du es. [Na solelo, Da ist Wahlgren doch Deine Schwester in der Argumentationsweise, ist sie auch eine im Geiste?? ;-)] Nun wollen wir mal sehen, wie Kinder sich anstellen, wenn sie das Bügeln erlernen! 1. Sie schauen zu, wenn ein Erwachsener bügelt. 2. Sie versuchen es selber.+ 3. Es gelingt ihnen. 4. Sie werden gefordert, wenn gebügelt wird, d.h. sie bügeln, was gebügelt werden suss, für alle Familienmitglieder. Sie haben eine Aufgabe innerhalb der ‚Herde’ (‚Mann kommt ohne mich schlechter zurecht!’) 5. Sie finden wahrscheinlich ihre eigene Methode beim Bügeln. Sie erfinden vielleicht sogar irgendwann ein besseres Bügeleisen! […] Dies bedeutet soziale Beteiligung . Es ist eines von tausenden Beispielen der kindlichen Methodik, der Methodik des Menschen, der Methodik der Menschheit. Kinder werden geboren, um die Wirklichkeit, die Umstände, die Welt zu erforschen, zu beherrschen und allmählich zu verändern. Es ist schwierig, eine Welt, von der man ausgeschlossen ist, zu erforschen. Noch schwieriger ist es, sie zu beherrschen, und ganz und gar unmöglich, sie zu verändern. [Hm, das ist natürlich ein gewaltiger Kurzschluß, denn erwiesenermaßen ist die Welt trotz Wahlgrens konstatierter und bedauerter Veränderung im Umgang mit unseren Kindern fortgeschritten wie eh und je und wird dies vermutlich auch weiter tun …] S.165 Und zum Ausgleich dieser planmäßigen Verbannung der Kinder aus der sozialen Gemeinschaft gibt man den Kindern Spielzeugbügeleisen, mit denen sie ihre Puppenkleider bügeln können. Auch die Eltern gehen nicht leer aus: Sie bekommen sofort ein schlechtes Gewissen, wenn sie auch nur daran denken, die Kinder zum ‚Mithelfen’ zu zwingen! Und während das Spiel die Wirklichkeit ersetzt, wird die Liebe zum Ersatz für das soziale Leben, anstatt die gleich große Bedeutung Seite an Seite mit der Beteiligung am sozialen Geschehen zu bekommen.“ Und weiter mit Wahlgrens Thesen: S. 165 „Das Zuhause ist einer der übrig gebliebenen Arbeitsplätze, an dem man seinen Kindern die soziale Beteiligung geben kann, dort können sie gebraucht werden, können sie notwendig sein (‚Man kommt ohne mich schlechter zurecht.’). Die Arbeit, die dort gemacht wird, ist zwar begrenzt – hauptsächlich reproduzierend, erhaltend und nicht produktiv -, aber die Arbeit wird für alle gemacht und sie ist für alle notwendig. Es geht um die gemeinsame Existenz der ‚Herde’. Wir sprechen hier von der Wirklichkeit, nicht von einer therapeutischen Aufgabe. Man m u s s sauber machen, kochen, waschen, egal ob man Lust dazu hat oder nicht.“ S. 166f. „So wie ich es sehe, werden wir Menschen mit drei primitiven Trieben geboren, die unser Streben von der ersten Stunde an bis zum Lebensende diktieren: 1. dem Überlebenstrieb, 2. dem Streben nach sozialer Beteiligung (Zugehörigkeit zur Herde im gemeinsamen Kampf ums Überleben), 3. dem Streben nach Weiterentwicklung. Was den ersten Punkt angeht, werden in unserer neuen, ‚perfekten’ Welt keine Sünden begangen. Unsere Kinder überleben. In Bezug auf den dritten Punkt wird auch nicht gesündigt – wenn man von gewissen Einschränkungen und Steuerungen absieht. Beidem zweiten Punkt dagegen wird prinzipiell und mit öffentlicher Unterstützung gesündigt. Unter ideologischem Jubelwerden die Kinder aus der ‚Herde’ verbannt. Sie werden in eine isolierte Kinderwelt gesetzt. Ihnen wird jegliche Aufgabe im Kampf ums Überleben, die alle ‚Herdenmitglieder’ gemeinsam bewältigen sollten, vorenthalten. Stattdessen werden sie wie Freizeitartikel hervorgeholt, um dann konzentrierte Liebe als Kompensation zu bekommen. [Und nun die These, die Bekky – wohl wieder mal völlig intuitiv - wieder mal als erste in diesem Forum gestreift/angefaßt hat] Mit dem Einzug der Industrialisierung wurde die Arbeit von der Freizeit getrennt, der Arbeitsplatz von dem Zuhause, die Produktiven von den Nichtproduktiven. Diese Trennung hatte eine sowohl logische als auch bizarre Konsequenz: Man hat die Gefühlsgemeinschaft von der Arbeitsgemeinschaft getrennt: ‚Wir lieben hier und arbeiten dort.’“ S. 170f. „Warum ist es […] so schwierig geworden, Kinder zu haben? […] Kein Mensch kann allein das Glück eines anderen garantieren. Die Gemeinschaft, die soziale Zugehörigkeit, das Leben selbst müssen auch das Ihre dazutun. […] [...] [Das Kind wird] auf eine einzigartige Weise ins Zentrum der Familie gerückt. Es hat seine Vorteile, das wissen wir alle: Kinder werden umjubelt, ihnen wird zugehört, man respektiert sie. Auf der anderen Seite, da die Funktionen, die mit der Arbeit ums Überleben zu tun haben, innerhalb der Familie keine Rolle mehr spielen, wird die soziale Beteiligung des Kindes so stark begrenzt, dass eine Sozialisierung kaum zustande kommen kann. Die soziale Gemeinschaft befindet sich außerhalb der Familie. Das Kind bekommt darin keinen Platz und auch keine eigene Aufgabe. Damit ist die einzige Aufgabe des Kindes, in seinem Zuhause mit seiner Familie glücklich zu sein. Es wird erwartet, dass Kinder in ihren ‚Herden’ glücklich sind, obwohl sie dort nicht gebraucht werden, obwohl sie keine Leistungen, die für andere notwendig oder einfach gut sind, vollbringen (in dem gemeinsamen Kampf ums Überleben: ‚Man kommt ohne mich schlechter zurecht!’). Und weil das Kind buchstäblich das Einzige ist, was die Familien hervorgebracht hat, wird es deren Mittelpunkt […] Was nicht unbedingt falsch sein muss; aber man muss verstehen, wie groß die Bürde für die kleinen Kinder ist, wenn sie die ganze Familie auf ihren schmalen Schultern tragen müssen. Nun noch einige Hinweise, für dich persönlich: - Mache dein Kind nicht zum fortwährenden Mittelpunkt - Habe kein Mitleid mit deinem Kind, weil es in diese schreckliche Welt hineingeboren worden ist! Gehe nicht davon aus, dass das Kind Trost braucht. - Du bist das Mittel, nicht das Ziel. Das Kind ist auch nicht das Ziel. Wir sind alle Menschen, die in eine gemeinsame Welt geboren sind. - Die Welt ist da, um erforscht, beherrscht und verändert zu werden: - Das Erste bietest du deinem Kind an. - Das Zweite lässt du zu. - Das Dritte überlässt du dem Kind.“ [Dann folgte eine Art Allegorie, die sich dann im weiteren wie ein roter Faden durch’s Buch zieht: Das Kind und die Welt als Beduinenlager, Mutter oder/und Vater als Kontaktmann, der in die Riten, Regeln und Lebensweisen der Beduinen einführt … ] S. 182: „Genau wie der Kontaktmann im Beduinenlager habe ich eingesehen, dass es meine Pflicht ist, die Kinder mit Wohlwollen und Freude in einer positiven und inspirierenden Weise in die Welt einzuführen, damit sie sich in dieser Welt gut zurechtfinden und sich auch in ihr wohl fühlen können. So einfach ist es, und ich glaube nicht, dass das Kind mehr verlangt. […] Das Kind erwartet, dass du halbwegs im Stande bist, zu leben – und das bist du doch offensichtlich. Das Kind begibt sich ins Leben hinaus wie in ein spannendes Abenteuer – was es ja auch ist! Die Voraussetzugnen für den Beginn dieses Abenteuers sind, dass das Kind das Leben wie ein Abenteuer angehen darf, dass der ‚Kontaktmann’ und die ‚Herde’ dem Kind diese Möglichkeit einräumen und sie das Kind gleichzeitig schützend aufnehmen. Die Erwartungen des Kindes sind positiv. Eine positive Bindung sagt: ‚Leg los, mein Kleines, hier bist du herzlich willkommen!’.“ Wenn man so will zieht Anna Wahlgren alles, was uns im Umgang mit unseren Kindern an alltäglichen Situationen begegnet, in diese Perspektive, die als Fluchtlinie sozusagen immer den „Gemeinsamen Kampf der Herde ums Überleben“ mitdenkt. Ich bezweifle, daß solch ein im Grunde anachronistischer Impetus funktioniert, wenn es um die die konkrete Ausgestaltung unseres täglichen Zusammenlebens mit unseren Kindern geht. Oder es entsteht so etwas wie ein Erziehungs-Artefakt. „Wir tun so als ob wir täglich als Herde ums Überleben kämpfen müßten.“ Hm, das geht sicher mal für ein paar Stunden am Wochenende (und in der Tat haben mein Mann und ich uns da schon die ein odere andere Familienaufgabe überlegt, an der alle beteiligt werden konnten. Z.B. das Ausmisten unseres Balkons. Das war wirklich eine erfolgreiche und spaßige Angelegenheit und das zuvorige Langeweile-Quengeln (so habe ich es interpretiert) verstummte augenblicklich ;-) , und man kann es sicher auf Haushaltsdinge punktuell und situativ übertragen. Aber kaum jeden Tag, zu jeder Stunde – wie es eben früher „eigentlich“ war. Vielleicht schon, weil wir überhaupt einen Begriff von „Tag“, „Stunde“ … als Zeiteinheit etabliert haben und uns diesem lebenstaktgebenden Prinzip meist unterordnen müssen (Kindergartenzeiten, Verabredungen, offizieller Beginn von Veranstaltungen wie Kinderturnen etc.). „Und trotzdem!!!“, fällt mir nur ein: Und trotzdem hat Wahlgren recht. Was ich daraus im täglichen Leben mache? Wenig, aber im Hinterkopf habe ich es immer. Habe ich es vor allem dann, wenn ich in diesem Forum unterwegs bin und Postings à la pittiplatsch, eleanamami, Susannez, lese … Hier breche ich jetzt einfach mal ab. Und muß (auch mal wieder) ins echte Leben. Liebe Grüße, Feelix


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Liebe Feelix, jetzt muss ich Dir doch endlich mal etwas schreiben (und hoffe nur, dass meine Kinder, besonders der Kleine, mich noch ein Weilchen ungestört am Notebook verbringen lassen)... Wie bereits früher angemerkt, haben mich Deine Ausführungen und der Gedankenaustausch mit AyLe (u.a.) sehr angesprochen, ich fand darin auch so einiges von mir wieder. Aber es kam immer wieder etwas dazwischen, so dass ich es nicht schaffte, einen sinnvollen Beitrag zu schreiben... Aber jetzt, wo Du mit dem Buch herausgerückt bist und Deine Überlegungen dazu hier präsntiert hast, tu ich es endlich docn (auch auf die gGfahr der UNvollständigkeit - aufgrund UNterbrchenwerdens)... Zunächst einmal, von Anna Wahlgren habe ich vor einiger Zeit zum erstenmal gehört bzw. mehr mitbekommen, als ich INterviews mit ihr las, das mich angesprochen hat - es ging um die Kritik an Krippenbetreuung von unter Dreijährigen und um die Idealisierung des "schwedischen MOdells" in dieser Hinsicht - z.B. hier: http://www.welt.de/welt_print/article1334638/Kleinkinder_gehren_zur_Herde.html Das Buch (DAS BUCH ;-)!) habe ich nicht gelesen, aber aufgrund Deiner Zitate kann ich mir schon etwas ein Bild davon machen, wie interessant und dabei widersprüchlich es ist...! Meine Gedanken dazu: Du hast m.E. recht, wenn Du schreibst, dass sich Solelo und Co. teilweise angesprochen fühlen müssten - das fiel mir auch gleich ein. ZUmindest, was das Einbeziehen der KInder in die reale WElt der ERwachsenen betrifft, die Kritik an der "künstlichen Trennung der WElten", ja auch an Institutionen wie KIGA, Schule, die diese Trennung forcieren... Ansonsten denke ich aber, ist die Stossrichtung doch eine andere, da man ja bei NE die Kinder zu nichts zwingen/manipulieren "darf", also auch nicht dazu, mitzuhelfen und der "Herde" nützlich zu sein. - Jetzt bin ich doch unterbrochen worden - die Kinder sind wach, hier ist ein Riesenlärm wg. Fassadenrenovierung an unserem Haus, es wird gebohrt... :-( Naja, schnell ein paar Gedanekn noch und Fortsetzung später: Mir kamen auch Gemeinsamkeiten zwischen Wahlgren und Liedloff in den Sinn, und dass bei beiden eine Art "verlorenes Paradies" postuliert wird, das es einmal gegeben haben (vorindustrielles Zeitalter bei Wahlgren) bzw. in bestimmten kleinen Teilen der WElt noch geben soll (Liedloff - die "Indianer", benutze den Begriff im weiteren wie Du). Ich denke, das Problem bei solchen "Paradiesvorstellungen" ist generell, dass sie Projektionsfläche sind für all das, was einem / "uns" in der eigenen Kultur fehlt, was man vermisst, was uns (scheinbar oder wirklich) abhanden gekommen ist. Es ist ja ein ähnliches Schema wie bei Diskussionen um verschiedene - vereinfacht gesagt - "Umweltthemen". Auch da hört man immer mal so etwas wie "Früher war alles besser", bzw. "Ökologisch(er) leben heisst so leben wie "früher" "(was immer das genau heissen mag)... Dass "früher" auch nicht alles paletti war, wird dabei mitunter ausser acht gelassen... Und ein ähnliches Risiko sehe ich bei der Debatte um Erziehung/Eltern-Kinder-Beziehungen und den Vorstellungen eines Ortes oder einer Zeit, wo "alles gut" ist. Ich denke, das ist eine Illusion - obwohl man sich durchaus von manchen Aspekten dessen, wie es "dort" bzw. "damals" ist/war, inspirieren lassen kann. ABER die heute existierenden Probleme lassen sich dennoch nicht dadurch lösen, dass wir "auf die Bäume zurückkehren" - also ins vorindustrielle Zeitalter (Wahlgren) oder zur Lebensweise der "Indianer" (Liedloff). Beides wäre "rückwärtsgerichtet", illusorisch und wohl auch gefährlich. Beides birgt auch die Gefahr, vor lauter Phantasieren des angeblichen "Idealzustandes" dessen Schattenseiten zu übersehen. Ein Beispiel, das mir einfällt: Dass die ganze Familie gemäss Wahlgren ums Überleben "kämpft" und auch die Kinder daran beteiligt sind und sich somit "gebraucht" fühlen können, kann auch so aussehen, wie es in grossen Teieln der WElt, d.h. in sog. Emtwicklungsländern, heute noch ist - dass die Kinder vor lauter gemeinsamen Überlebenskampf keinen Raum für ihre eigenen Interessen haben, keine (Schul-)Bildung bekommen, keine Chance bekommen, vielleicht einen anderen WEg als den ihrer Eltern zu gehen. Und für viele von ihnen wäre die Vorstellung z.B. eines eigenen Zimmers oder der Möglichkeit, zur Schule zu gehen, oder... allgemein gesagt: etwas "eigenes" für sich, nicht für die "Herde" überlebensnotwendiges zu haben), ein Wunschtraum! Und die, denen es doch gelingt, "herauszukommen" und sich ein anderes Leben aufzubauen, lösen das Dilemma ja auch oft dadurch, dass sie zwar individualistisch /westlich leben, aber ihre Familie ("Herde") auf andere Art, z.B. finanziell unterstützen... Naja, mir fiele jetzt noch mehr ein, aber hier ist echt gerade Chaos und ich muss gleich für heute Schluss machen... sorry. Irgendwie komme ich immer wieder darauf zurück, dass man "immer das will, was man nicht hat" - also in der individualisierten Gesellschaft das Kollektive, in der (zwangs-)kollektiven das Individuelle. Vielleicht ist die Lösung (naja, DIE Lösung gibt es ja eh nicht!), obwohl es banal klingt, in der "goldenen Mitte" - also von allem etwas? Also das KInd weitestmöglich "ins Leben" einbeziehen, sodass es "gebraucht" wird, andererseits aber ihm auch den Raum geben, etwas zu haben (bzsw. zu sein!), was nicht (nur) "nützlich für die Gemeinschaft" ist, sondern nur für es selbst, persönlich... Ansonsten zu der "NE" (oder wie es sich jetzt nennt ;-)) Debatte - ich denke von Dir wie auch AyLe wurde einiges berechtigerweise kritisch angemerkt, aber ich bekomme jetz nicht mehr auseinander, was von wem kam, und muss nun wirklich leider erstmal aufhören... Bis demnächst, ich würde mich auf einen interessanten Austausch freuen :-)! Gruss - M.


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Liebe MM! "Ein Beispiel, das mir einfällt: Dass die ganze Familie gemäss Wahlgren ums Überleben "kämpft" und auch die Kinder daran beteiligt sind und sich somit "gebraucht" fühlen können, kann auch so aussehen, wie es in grossen Teieln der WElt, d.h. in sog. Emtwicklungsländern, heute noch ist - dass die Kinder vor lauter gemeinsamen Überlebenskampf keinen Raum für ihre eigenen Interessen haben, keine (Schul-)Bildung bekommen, keine Chance bekommen, vielleicht einen anderen WEg als den ihrer Eltern zu gehen. Und für viele von ihnen wäre die Vorstellung z.B. eines eigenen Zimmers oder der Möglichkeit, zur Schule zu gehen, oder... allgemein gesagt: etwas "eigenes" für sich, nicht für die "Herde" überlebensnotwendiges zu haben), ein Wunschtraum! Und die, denen es doch gelingt, "herauszukommen" und sich ein anderes Leben aufzubauen, lösen das Dilemma ja auch oft dadurch, dass sie zwar individualistisch /westlich leben, aber ihre Familie ("Herde") auf andere Art, z.B. finanziell unterstützen..." :-) Und jetzt möchte ich einfach mal neugierig abwarten, was da noch kommt ... Liebe Grüße, Feelix


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Hallo Feelix, ich weiss nicht, was Du jetzt genau von mir erwartest - im Prinzip ging es mir "nur" um die möglichen "Schattenseiten" dessen, was Wahlgren (und in gewisser WEise auch Liedloff?) propagiert. Die Überlegungen von Emfut in einem ihrer Beiträge von neulich gingen in eine ähnliche Richtung (müsste nachschauen wo das war) - die Erfahrungen ihres Ex-Mannes... fand ich sehr interessant. Das heisst NICHT, dass mich die "Indianer" oder "das, wie es früher war" nicht dennoch inspirieren oder eine Anziehung auf mich ausüben kann (ich lese ja auch z.B. gerne Bücher, die an anderen Orten oder zu früheren Zeiten handeln und versetze mich gern gedanklich da hinein), nur denke ich immer, man sollte dennoch auf der Hut vor einseitigen Idealisierungen sein - that's all! Denn sonst könnte auch wieder eine Art "Ismus" draus werden... :-( Ich weiss jetzt nicht, ob Dir das "zu wenig" ist - Du kannst ja noch mal schreiben, wie Du gern weiter diskutieren würdest (falls überhaupt)... Schade, dass sonst keine/r hier in dieser Diskussion mitmischt, wäre doch eigentlich interessant, oder... Ach ja, ich wollte Dir noch etwas zu dem POsting bzgl. Bekky schreiben: Ich weiss beim besten Willen nicht, wieso Du in ihr irgendein (Authentizitäts- oder was auch immer-)"Wunder" siehst?! -kopfkratz- Ich habe mir die Zitate durchgelesen (an manche kann ich mich auch noch aus der damaligen Diskussion erinnern), aber dachte dabei immer wieder "Na und, was ist dabei?" Manche der Aussagen hätte ich selber so bringen können, andere kenne ich in ähnlicher Form wiederum von anderen Müttern in meinem Umkreis und insgesamt habe ich den Eindruck, dass ein solches Herangehen (also vieles in der eigenen Erziehung nicht gross anzuzweifeln) wie von Bekky relativ verbreitet ist, also nichts so besonders Einzigartiges. Oder worin besteht für Dich das Besondere daran? Vielleicht stehe ich echt aufm Schlauch ;-), sorry, aber es ist mir wirklich entgangen. Könnte es nicht sein (ich meine das nicht böse!!!), dass es sich hier auch gewissermassen um eine Art "idealisierte Projektionsfläche" handelt, aus welchen Gründen auch immer??? Also dass es nicht um Bekky an sich geht, sondern um etwas, was sie für Dich verkörpert, was Du Dir wünscht, und dass Du deshalb auch hier die "Schattenseiten" (oder sagen wir "Banalitäten") nicht so recht sehen willst? Nein, jetzt spekuliere und "psychologisiere" ich doch zu sehr, sorry, das wollte ich gar nicht! Es kommt wahrscheinlich daher, weil mir Deine "Bekky-Postings" (kann mich auch vage an eines von früher entsinnen) so ganz anders als der Rest Deiner "messerscharf-kritisch-analytischen" (und das meine ich bewundernd!) Beiträge vorkommen... Naja, nichts für ungut, sollte kein Angriff sein, nur ein subjektiver Eindruck! Bis demnächst...? LG, M.


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... hier ist es: "Es gab damals in einem der Foren hier immer wieder Diskussionen über Liedloff. Eine ist mir als besonders amüsant in Erinnerung geblieben. Eine Liedloff-Verfechterin war offensichtlich sehr betrübt ob der Tatsache, daß der Ansatz des Buches nicht nur positive Resonanz hervorrief und "fakte" eine afrikanische Kinderärztin. Als diese Kinderärztin empörte sie sich über die "bösen Europäer", die ihre Kinder aus den Familienbetten schmeißen und in eigene Betten verfrachten, nicht im Tragetuch tragen, das Programm. Das sei unnatürlich und - eben - böse. Sie diskzútierte dann, unwissentlich, mit meinem Mann, der sozusagen am eigenen Leibe die Entwicklung im Schnelldurchlauf mitmachen durfte/mußte: Er wuchs in einer Ein-Raum-Hütte mit seiner Mutter und drei weiteren Geschwistern auf. Seine Mutter war "nur" eine Zweitfrau und daher in der Hierarchie sehr weit unten. Sie zog dann in die Stadt und baute dort einen bescheidenen Reichtum für ihre Kinder und sich auf. Meine Ex-Schwiegermutter hat Unglaubliches geleistet in der Erziehung ihrer Kinder und im Aufbau eines selbstbestimmten Lebens für sich selber. Ich habe mich dann nur gefragt: Warum tun Mensche das denn dann? Sind Menschen böse? So viele? Ad hoc? Von Natur aus? Tatsache ist, daß in den Kulturen, die sich auf dem Weg zwischen "Naturvolk" (der Begriff steht bewußt in Anführungsstrichen, weil ich ihn verabscheue) und "entwickeltem Volk" (auch bewußt in Anführungszeichen) befinden, die Menschen diese "zivilisierten" Dinge auch tun, und zwar ohne Zwang. Sobald die Zwänge, das Kind z.B. im eigenen Bett zu behalten (weil man nur ein Bett hat) wegfallen, ist offensichtlich der Drang vieler, wenn nicht sogar der meisten Menschen da, die Kinder früher oder später in ein eigenes Bett zu verfrachten da. Und auch wir als "entwickeltes" Volk müssen das ja irgendwann so gewollt haben, es muß irgendwann ein Vorteil gewesen sein. Es kam ja nicht wahlweise der Teufel oder ein Außerirdischer zu uns und hat uns gezwungen, das so zu tun. Es kam "aus uns"." Emfut argumentiert im folgenden zwar hauptsächlich aus dem biologischen Blickwinkel, aber auch die von mir angeführte Idealisierung ist hier Thema - denn diese "Liedloff-Verfechterin" war so vernarrt in ihre Idee, ihre idealisierte Vorstellung von "den Indianern", dass sie deswegen sogar zu Betrug, zu Fälschung griff (die "gefakte" Kinderärztin). Die Realität, wie sie z.B. Emfuts Ex-Mann kennt, will sie nicht sehen... Und der Punkt, den ich meinte, ist, dass Emfuts Mann bzw. seine Mutter laut dieser Beschreibung der Lebensverhältnisse bestimmt in der Kindheit "gebraucht" wurde, um den Überlebenskampf mit zu bestreiten (-> Wahlgren), ihr aber etwas anderes Entscheidendes fehlte, das sie sich erkämpfte, sobald es nur ein bisschen möglich war - ein Stück individuelle Freiheit und Selbstbestimmung (in dieselbe Richtung ging mein Beispiel mit dem eigenen Zimmer und der Schulbildung). Und das meinte ich auch mit dem, dass wir immer das wollen bzw. brauchen, was mir nicht haben: In unseren "zivilierten" Lebensverhältnissen fehlt uns i.d.R. nicht die individuelle Freiheit und Selbstbestimmung, sondern eben eher das, was Du mit Bezug auf Wahlgren auf den Punkt gebracht hast - das "Gebrauchtwerden", die Rolle des Einzelnen für das Kollektiv (die "Herde"). UNd es wäre, denke ich, eine Herausforderung, diese beiden Dinge, die Menschen anscheinend brauchen (wobei: kann man das so allgemein sagen???) zu verbinden. Ist das möglich? Mit dieser Frage muss ich jetzt erstmal Schluss machen, der KLeine ist aufgewacht... LG, M.


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Liebe MM! Mein :-) sollte keine Erwartungshaltung (das wär's noch) ausdrücken, es war ein anerkennendes ":-)" Mir gefällt einfach, wie Du hier „schuftest“. Denn wenn jemand geistig schuftet, naja … schläft er eben nicht (hab’ ich von Ayle). Und bleibt auf der Hut. Du hast hier – wie ich persönlich finde – wunderbare Anti-These zu Wahlgren entwickelt/gefunden/immerschon gehabt und jetzt als Puzzle einfügen können/was auch immer … und es macht mir Spaß, Dir zuzusehen. Anti-Thesen übrigens, denen ich keinen Piep entgegenzusetzen habe. Naja, und wenn es mir so geht, dann schweige ich eben erst mal lieber und warte auf die weiteren Gedanken desjenigen, der mich inspiriert. Denkst Du denn, ich hab jede nur denkbare Anti-These immer im Kittel?! Einfach immer dabei und kann sie so – ratzfatz - raushauen? Weit gefehlt, MM. Es ist immer Arbeit, noch mehr Arbeit, Schweineschwerstarbeit … so und nicht anders (!) kommt Erkenntnis - die den Namen für mich (!) verdient – zustande. Du hast übrigens auch vollkommen Recht, was Bekky angeht. Sie ist für mich eine Projektionsfläche. Zweifellos. Sie ist die Gegenfigur zu all dem, wie ich hier vor Euch stehe. Ich hirne, Bekky „riecht“. Ich schwurble, Bekky witzelt. Ich frage „ironisch“, Bekky wundert sich einfach … usw. Aber wir haben eines gemeinsam: Wir wehren uns mit Händen und Füßen, wenn uns jemand weiß machen möchte, daß wir „irgendwie“ nicht „richtig ticken“. Oder irgendwie nur deshalb so ticken, weil wir ein bestimmtes Menschbild haben. (Und entschuldige, solelo, ich nerv’ jetz nochmal rum: das hast Du stets getan, und wenn nicht Du, dann Deine „Schwestern im Geiste“: vina, Susannez etc.) Bekky hat kein „Menschenbild“ (ich schwör’s!! ;-) und ich habe kein „Menschenbild“ (ich … naja, nehme es an). :-)) Bilder sind in meinem Verständnis Bildnisse, sie stellen den Menschen fest (Max Frisch: Stiller/ Max Frisch: Montauk). Deshalb liebe ich es hier in diesem Forum (und nutze es auch so, und benutze es auch so!), zu schweben, jedem Bild, das man sich von mir machen möchte, zu entkommen. Und deshalb liebe ich es, Gedanken, die „groß“ und „wahr“ tun, mit Verve aus der Gegenrichtung anzugreifen, um zu sehen, was geschieht. Und sicher finde ich es ganz praktisch, wenn noch ein paar mehr Menschen sehen, wie Ismen funktionieren. Ja: in dieser Beziehung missioniere ich! Darauf bestehe ich sogar. Denn Ismen trennen den Menschen, weil sie ihr prinzipielles Scheitern (= alle andersdenkenden Menschen/potentiellen Widerleger) ausschließen. So sehe ich es. Ich kann nicht anders. Frechheit! Finde ich. Und soo schade, finde ich. Weil wir es nötig haben, zusammenzubleiben, zusammenzuhängen (als Riesenherde im Wahlgrenschen Sinne, sozusagen) im Gespräch zu bleiben. (meine „Utopie“) Nochmal zum „Authentizitäts-Wunder“. Streiche „Authentizität“, bitte. Ayle hat komplett recht: es ist Anmaßung, jemandem Authentizität zu unterstellen. Aber eines weiß ich, und ich weiß nicht, wie es kommt – daher mein „Wunder“: Bekky hat alles, einfach alles, was mir in Bezug auf „NE“/Gleichberechtigte Eltern-Kind-Beziehung einfiel und einfällt, einfach „gesehen“. Sie hat die Diskurswunden „gerochen“ und sie hat einfach frech den Finger drauf gelegt, ohne daß sie ahnte (Unterstellung), was sie da eigentlich macht. Im Unterschied zu mir, die ich solelo ja bewußt „behandelte“ und ganz bewußt den Exorzismus (fast so nett wie Inquisition, was? ;-) ihres vermaledeiten (!) Ismus betrieb. Ich hätte einfach soo gerne gehabt - wenn Du so willst, meine kleine private Utopie in diesem „Diskurs“ - daß solelo Bekky irgendwann „gesehen“ hätte, wie ich sie sah. Daß sie nicht immer an ihr (und an emfut und an Ayle und an Toledho und an Tulpi ...) vorbeigesehen hätte. Und da sind wir – ich bezweifle keine Sekunde, was Du sagst, MM (im übrigen versuchte unsere Forumspythia (;-) „Ayle“ schon mal einen Hinweis in dieser Richtung unter dem „Pygmalion“-Motiv … ich hab’ ihn vor lauter Empörung über Euren Inquisitionsritus (Anti-Raucher), wie er so typisch ist für dieses Erziehungsforum, schlicht nicht verstanden :-( ): Ganz sicher ist es so: irgendetwas projiziere oder idealisiere ich in „Bekky“ hinein: Sie ist meine Fluchtlinie, mein ganz privates Ideal, mein Vexierspiegel/whatever … Ich sagte es schon einmal: „Bekky“ ist für mich so „bei Bekky“, wie man nur „bei Bekky“ sein kann. Keine Masken davor, keine Ismen dahinter. Und ich weiß und fürchte zugleich (auch das sagte ich glaube ich schon einmal), daß ich sie damit überhöhe und daß ihr genau diese Überhöhung gar nicht gerecht wird. Du hast recht (und ich finde es schön, daß D u es bemerkst!): Mein Bild von Bekky hängt viel zu hoch. Bekky selbst würde sich empören und mich zusammenranzen, was das solle. Ich glaube, sie würde auf mein Podest keine Sekunde freiwillig steigen, weil sie vermutlich schon die „Fallhöhe“ „riechen“ würde und gar keinen Bock hätte, zu fallen. Ich stell’s mir auch ätzend vor :-) Tja, und deshalb bleibt Bekky für mich eben ein Mysterium, die hier in diesem Forum sämtliche Grundthemen meines Lebens: Ismuskritik, Authentizität und „Wahlgren“ hier angefaßt hat, ohne das jemals bewußt zu wollen. (Oder doch?!) Mei, jetzt hab’ ich mich aber mal wieder in Rage geschwafelt … ;-) Liebe MM: wenn Du weiterhirnen magst: tu’s doch einfach! Ich verfolge natürlich auch weiterhin sehr interessiert Deine Ideen zum „Urzustand-Topos“ – wie könnte ich anders? ;-) Wenn ich mich im Moment nicht einklinke, dann schlicht deshalb: weil ich gerade ein wenig platt bin vom Hirnen und weil das „echte“ Leben das dialektische (ist es das, Ayle?) „Schweben“ mal wieder stört … Gut so, gesund so, meine ich (und mein Mann und meine Kinder sicher auch ;-) Liebe Grüße, Feelix


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Und auch wir als "entwickeltes" Volk müssen das ja irgendwann so gewollt haben, es muß irgendwann ein Vorteil gewesen sein. Es kam ja nicht wahlweise der Teufel oder ein Außerirdischer zu uns und hat uns gezwungen, das so zu tun. Es kam "aus uns"." nun ja. im laufe der zeit haben wir uns ja immer weiter vom ursprünglichen zustand entfernt. wobei das vor allem die letzten paar hundert jahre so war. das eigene bett wurde populär,weil die adligen das so vorlebten.die distanz zum eigenen kind,das "nicht-selber-betreuen-müssen" war den reichen vorbehalten.so wurde der kiwa eigene zimmer und betten erfunden (vor ca 250 jahren) als zeichen von wohlstand. das gemeine volk wollte das kopieren und hat das auch getan. ob der teufel kam,naja...unter hitler wurde das ganze auf jeden fall nopch weiter pervertiert (siehe johanna haarer die deutsche mutter und ihr erstes kind) lg pitti


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sollte vor 150 jahren heißen.aber so groß ist der unterschied in der gesamtevolution nicht. :0) der kiwa war vor allem für zofen zum spazierenfahren und herzeigen des kindes. die adlige mutter musste sich mit solch niedrigen aufgaben nicht abgeben....und auch erziehung wurde ja von extran angestellten und gelernten kräften übernommen. vielleicht hätte man das kind gleich von anderen frauen austragen lassen,aber das ging wohl damals noch nicht ;0) lg pitti


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Liebe Feelix, über Dein Posting habe ich mich sehr gefreut - danke!!! Leider hab ich gerade wenig Zeit, aber ich werde es, sobald es geht, nochmal in Ruhe lesen - und sobald ich dazu komme, hoffentlich auch wieder mal was schreiben... Bis dann, LG, M.


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Hallo, das von Dir angeführte Zitat war ursprünglich von Emfut (hatte ich auch so kenntlich gemacht) und stand in Zusammenhang mit der Diskussion mit Feelix u.a., über Idealisierung von (angeblichen) "Naturzuständen" oder "-orten". Das heisst nicht, dass ich Deine kritischen Anmerkungen zu KIWA usw. nicht nachvollziehen könnte. Das kann ich, teile sie durchaus auch (und NATÜRLICH hast Du völlig recht in bezug auf den Nationalsozialismus), habe selbst ein Tragetuch benutzt - aber eben auch den KIWA, je nach Bedarf und Situation. UNd es ging mir darum, dass ja nach Ausgangssituation der Mensch verschiedene Bedürfnisse entwickeln kann - eben nach dem, was ihm jeweils fehlt. Und jemandem, der "Familienbett" zwangsweise praktiziert, weil kein PLatz und kein Geld, kann das Bedürfnis nach "Privatspähere" und "etwas ganz für sich" entwickeln (aber natürlich i.d.R. nicht als Baby/Kleinkind, sondern später).


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**UNd es ging mir darum, dass ja nach Ausgangssituation der Mensch verschiedene Bedürfnisse entwickeln kann - eben nach dem, was ihm jeweils fehlt.** zumal ich denke,dass die eigene kindheit eine sehr erhebliche rolle spielt beim "gefühl/intuition" bzw allgemein was den umgang mit kindern etc angeht. eine nicht "artgerechte aufzucht" *sorry,wortlaut aus dem tierreich* macht es schwerer,den eigenen nachwuchs *ordentlich* aufzuziehen. die sache mit dem ums überleben kämpfen fand ich auch ein wenig,naja,von oben herab. etliche kinder arbeiten sich tag für tag die hände blutig,damit die familie was zu essen hat.haben kein sauberes wasser,keine heizung,keine medis... ja,ich nehme mir die frechheit raus,zu behaupten,dass mein kind,gesund und satt,sich besser fühlt als sein kleiner kumpel in afrika,der abends vor hunger nicht einschlafen kann! :0/ ich bin verdammt dankbar,dass mein kind NICHT!! ums überleben kämpfen muss!!!! ich glaube,so eine aussage kann man nur treffen,wenn man "im schlaraffenland" wohnt. kinder miteinbeziehen in den familienalltag finde ich dagegen selbstverständlich.meine kleine deckt den tisch mit,seit sie laufen und einigermaßen verstehen kann.räumt den spüler mit ein,hilft beim einkaufen etc etc. finde ich normal und gesund. aber kinder,die ums überleben kämpfen müssen oder sonstwie wirklich arbeiten,anstatt kind zu sein,finde ich extrem traurig. und gebraucht werden ...tja,ich denke jeder,der geliebt wird,wird auch gebraucht,oder? aber vielleicht war das alles auch ganz anders gemeint,hab nicht alles geschafft zu gelesen,war ja ein ganzes buch ;0) so,nun bin ich wieder weg und überlasse euch das feld *ggg* glg und schönes we pitti


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Hallo MM, ich hab grad das Wahlgren-interview gelesen. sorry, aber das gesamte szenario ist ja fürchterlich und ideologisch von hinten bis vorne, von der form bis zum inhalt, von der "fragetechnik" bis zu dem, was die dame da an ungereimtheiten so von sich gibt. trau schau wem. und vor allem, schau, warum wo wie was gesagt und geschrieben wird. das kann man wohl nicht ernst nehmen. und wenn ich nicht so gut erzogen wäre, würde ich einfach nur "bullshit" sagen. schirrmacher läßt grüßen. der zieht sein credo ja gnadenlos durch, dieser möchtegern- aber nicht einmal semi-intellektuelle in der zeitungsmacherbranche. stöhn. grüße von old mama


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Hallo, es ging ja nicht darum, dass ich das jetzt toll finde, sondern Feelix hatte weiter oben (Posting "DAS Buch") A.Wahlgren erwähnt und ich erinnerte mich an dieses und andere nicht nur in der WElt, die anderen hab ich nicht so schnell wiedergefunden) Interviews und fand MANCHE GEDANKEN interessant - ich habe eben auch mitunter den Eindruck, dass in Dtl. die frühe Krippenbetreuung heute z.T. etwas schöngeredet wird (sogar sog. "Experten" machen dabei z.T. fleissig mit) und es oft eben nicht um die Kinder, sondern ökonomische bzw. "arbeitsmarkttehcnische" Aspekte geht... ABER Du hast recht - wie eben auch Feelix schon über das Buch schrieb, Wahlgren ist natürlich auch sehr kontrovers und widersprüchlich. ALS GANZES muss man ihr Werk und ihre Ansichten bestimmt recht kritisch lesen - was ja aber nicht nur auf sie zutrifft...