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Rücktritt der Kieler OB - Steuerdeal

Thema: Rücktritt der Kieler OB - Steuerdeal

Hallo, im Grunde habe ich die ganze Geschichte in Kiel nur sehr am Rande mitbekommen und fand es bisher eigentlich nicht aufregend, dass da offenbar von einem Augenarzt in Zusammenhang mit Immobiliengeschäften streitige Gewerbesteuerforderungen von gut 4 Mio. € gezahlt wurden und im Gegenzug Zinsen und Säumniszuschläge von knapp 4 Mio. € erlassen wurden. Zur Vermeidung von Prozessrisiken etc. pp. fände ich so etwas eigentlich nicht ungewöhnlich... offensichtlich ist mir aber irgendetwas Wesentliches entgangen. Zumal irgendwo noch etwas steht von wegen, wenn der Arzt alle Forderungen hätte zahlen müssen, wäre er in Insolvenz gegangen und welche Quote man dann bekommen hätte, weiß eh kein Mensch. Und auch der Erlass von Forderungen aus dem Steuerschuldverhältnis ist doch möglich, auch wenn die Forderung an und für sich nicht strittig sind. Weiß hier jemand zufällig Näheres dazu? Was mir Google dazu erzählt, bringt mich bisher irgendwie nicht wirklich weiter. Schon einmal besten Dank!

von Leena am 29.10.2013, 14:03



Antwort auf Beitrag von Leena

Ich habe Verwandtschaft in Kiel und Umgebung und habe mir lange Geschichten über die berüchtigten Immobilienmachenschaften dort anhören dürfen. Ganze Siedlungen sind bspw. entstanden ohne dass eine Baugenehmigung existiert. Insofern kann ich mir das von dir geschilderte Gemaggel gut vorstellen.

von Pamo am 29.10.2013, 14:08



Antwort auf Beitrag von Leena

Er hat wohl andere Steuern (Gewerbesteuern?) in nicht unbeträchtlicher Höhe in einem Rutsch bezahlt, weil ihm da gedroht wurde, den Laden dicht zu machen. Aber für die Einkommenssteuer war dann mystischerweise nicht mal Ratenzahlung eine Option. Zumal alles - ebenfalls mystischerweise - plötzlich der Ehefrau gehörte. Oder so ähnlich. Im SPIEGEL las ich aber schon vor Wochen einen Artikel, in dem die Ansicht vertreten wurde, daß man das ganze Drama durch besseres Handling zu einem Skandälchen hätte runterkochen können. Aber Frau BM nahm persönlich.

von Strudelteigteilchen am 29.10.2013, 14:23



Antwort auf Beitrag von Strudelteigteilchen

lustig. ich habvor drei, vier wochen nen bericht (frontal 21? oder quer?) gesehen, wonach die story so dargestellt wurde, als wäre sowas durchaus ein übliches vorgehen (quasi lieber den spatz in der hand als die taube auf dem dach). hier würde nur versucht, einem politikquereinsteiger, und dazu noch einer frau, von seiten der opposition, und was noch schlimmer ist, auch die herren aus den eigenen reihen, am stuhl zu sägen. da hat man sich dann wohl über alle parteidifferenzen hinweg zusammengetan und wie die geschichte endete, hat man ja gestern erlebt. hut ab vor ihrem mut, ihr statement und die reaktion ihrer mitarbeiter waren für mich durchaus authentisch. männergeklüngel. zum kotzen.

von DecafLofat am 29.10.2013, 15:47



Antwort auf Beitrag von Strudelteigteilchen

So, langsam google ich mir die Finger wund - und bin immer noch nicht klüger. Soweit ich es finde, geht es - klassische Geschichte - um Immobilien aus den 80er und 90er Jahren, deren Erträge irgendwann einbrachen und dann offenbar kurzfristig verkauft wurden. Aus dem Verkauf 1994 datierten demnach Einkommensteuer- und Gewerbesteuern von rd. 10,5 Mio. €, davon rd. 4,1 Mio. € Gewerbesteuer. Ich nehme an, durch die Auflösung stiller Reserven o.ä. ergab sich ein Veräußerungsgewinn, den er so bar natürlich nie erhalten hat, sondern eben indirekt und über Jahre, seit Anschaffung der Immobilien. Dazu finde ich aber nichts, bisher. Die maßgeblichen Steuerbescheide für 1994 wurden offenbar erst 2009 rechtskräftig - dann natürlich mit entsprechenden Zinsen, bei 15 Jahren nicht ganz unbeachtlich, sicherlich. Urhoff sagt jetzt wohl, er habe daraufhin mit der Stadt (wegen der Gewerbesteuer plus Nebenleistungen) und dem zuständigen Finanzamt wegen der Einkommensteuer etc. verhandelt, und zwar über Stundung und Erlass. Vom Kieler Finanzamt wurden seine Anträge wohl abgelehnt, daraufhin scheint er die Einkommensteuer (also wohl rd. 6,4 Mio. €) gezahlt zu haben, habe danach aber keine liquiden Mittel mehr gehabt oder besorgen können. Was da für Firmenvermögen von der Ehefrau übernommen wurde - mystisch bis misteriös, ja. Keine Ahnung. (Aber auch hier wieder - ziemlich gängige Praxis, würde ich spontan denken.) Die Stadt (als Gläubiger der Gewerbesteuer) hat ihm dann wohl - gegen die Zusage, die ursprüngliche Steuerschuld von rd. 4,1 Mio., in Raten innerhalb von 3 - 4 Jahren zu tilgen - durch Eilbeschluss der OB die Nebenleistungen (sprich: Säumniszuschläge und Zinsen) erlassen. Wobei Uthoff jetzt wohl sagt, länger könne er keine Ratenzahlungen leisten, ohne die wirtschaftliche Existenz seiner Klinik etc. ernstlich zu gefährden. Ehrlich gesagt - mir kommt es vor, als wäre das soweit und an und für sich eine ziemlich durchschnittliche Geschichte, und der Erlass von Steuern grundsätzlich ist ja durchaus zulässig und, angesichts von drohenden Zahlungsausfällen, auch nicht völlig absurd... lieber der "Spatz in der Hand" etc., ja. Inwieweit da jetzt von "Männerklüngel" etc. gesprochen wird und politischen Intrigen - dazu habe ich keine Meinung. Allerdings - dass manche Bürgermeister Sachen auch mal ohne vorschriftmäßige Genehmigung der zuständigen Organe entscheiden... kommt das nicht quasi in jedem Dorf vor, wenn auch natürlich in kleinerem Maßstab? Und als "Skandal" wird, soweit ich das feststelle, eher dargestellt, dass die OB aus "Klüngelei" oder warum auch immer einem Reichen "einfach so" (und eben per "Eilbescheid") Steuerschulden erlassen habe, nicht so sehr, dass - aus welchen Gründen auch immer - Verwaltungsabläufe unterlaufen wurden. Ich verstehe immer noch nicht.

von Leena am 29.10.2013, 17:02



Antwort auf Beitrag von DecafLofat

Na ja, Frau.... Sie brach wohl mehrfach bei Sitzungen in Tränen aus und schickte dann ihren Mann vor, damit er die Gegner auf Linie bingt. Das mag sehr weiblich-niedlich sein, aber eigentlich ist das nicht das Frauenbild, das ICH als positiv empfinde. Wie gesagt: Sie nahm persönlich. Eine Eigenschaft, die gerne als weiblich gilt, damit aber auch nicht angenehmer wird.

von Strudelteigteilchen am 29.10.2013, 18:07



Antwort auf Beitrag von Leena

Das finde ich interessant, wie Du als Steuerexpertin das beurteilst. Ich habe den Eindruck, dass niemand wirklich durchblickt, und als Wahrheit das gilt, was von den politisch Versierteren in diesem Spiel als Wahrheit ausgegeben wird. Meine Theorie ist auch, dass sie sich durch ihre Position Feinde gemacht hat (enttäuschte männliche Konkurrenten, die sie jetzt scheinbar zu einem Sachthema kritisieren) und sie als nicht in der Wolle gefärbte Politikerin das (Macht-) Spiel einfach nicht gut genug beherrscht hat. Im Kleinformat beobachte ich so etwas immer wieder und ärgere mich darüber. Vor allem, wie das als Wahrheit gilt, das von bestimmten Leuten zur einzig wahren Deutung erklärt wird. Ob das wirklich stimmt, spielt dann gar keine Rolle mehr. LG, carla

von carla72 am 29.10.2013, 16:40



Antwort auf Beitrag von carla72

Ich hörte wenig zu dieser Geschichte, aber vermute mal, dass sie als Quereinsteigerin und als Frau zu wenig oder gar keine innerparteilichen Netzwerke hatte - mit dem freien Fall jetzt als logischer Konsequenz. An der prekären Sache an sich lags anzunehmenderweise kaum. Da fangen sich die Netzwerker normalerweise noch bei ganz anderen Gschichten gegenseitig auf. Gruß aus dem CSU-Land, das ein einziges schwarzes Netz ist.

von Nikas am 29.10.2013, 17:00



Antwort auf Beitrag von Leena

War nicht der eigentliche Skandal, dass sie die Entscheidung an allen anderen Vorbei und ohne gründliche Prüfung der tatsächlichen Vermögensverhältnisse gemacht hat? So hatte ich das zumindest verstanden. Hier die Spiegel-Version: "Der Steuerdeal sieht vor, dass der Arzt für Immobiliengeschäfte 4,1 Millionen Euro Gewerbesteuern zahlt und dafür 3,7 Millionen an Zinsen und Säumniszuschlägen erlassen bekommt. Schon dass Gaschke den Vergleich per Eilentscheidung an der Ratsversammlung vorbei schloss, war laut Kommunalaufsicht rechtswidrig. Außerdem hielt die Behörde der Stadt vor, sie habe die konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnisse des steuersäumigen Augenarztes nicht ermittelt. Zudem wertete die Kommunalaufsicht den Verzicht auf die Zinsen und Zuschläge als europarechtlich unzulässige Beihilfe." http://www.spiegel.de/politik/deutschland/kieler-steuerdeal-oberbuergermeisterin-gaschke-tritt-zurueck-a-930350.html

von shinead am 29.10.2013, 16:48



Antwort auf Beitrag von Leena

das hiesige Käseblättchen. www.kn-online.de Überregional wird der Journalismus zu ungenau. Am Montag bei den NDR-Nachrichten wurde aus dem Augenarzt mal schnell ein Zahnarzt und der eigentliche Grund für den Rücktritt waren die bösen Politiker und die noch viel böseren Journalisten. Die NDR Mediathek spuckt auch das Schleswig-Holstein-Magazin von Montag aus. http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/s-h_magazin/media/shmag24795.html Das gibt eine gute Übersicht über die meisten Tatsachen in Sachen Gaschke. Besonders wertvoll auch die Stimmen z.B. von Frau Simonis. Fakt ist: Die Frau hatte keine Ahnung von Verwaltung. Und, OB von Kiel zu sein, ist KEIN politisches Amt, es ist die Leitung der Verwaltung einer Großstadt. Der besagte Augenarzt hat jedenfalls die Steuerschulden aus Immobiliengeschäften aufgesammelt. Teilweise ist er (mit anderen Unternehmungen) bei sich selbst bzw. seiner Familie verschuldet. Die Klinik ist nicht gefährdet. Trini

von Trini am 30.10.2013, 07:51