Sehr geehrter Herr Dr. Posth,
wir überlegen, ob unsere Tochter im Sept. mit 23 Monaten besser in der Kinderkrippe (4-5 Std./Tag, 30 Kinder, offenes Konzept) oder in einer Spielgruppe (pro Woche 2 Tage a 3 Std., 6 Kinder, 1 feste Bezugsperson, aber nicht in den Schulferien) aufgehoben ist. Unsere Tochter ist ein sehr glückliches Einzelkind, das bis jetzt noch nicht fremdbetreut worden ist und sehr zutraulich anderen Erwachsenen gegenüber - ich war jedoch bis jetzt auch immer dabei. Ich habe allerdings das Gefühl, dass ihr langsam langweilig wird bei Mama zu hause. Obwohl ich die Vorteile der Krippe sehe (viel Abwechslung und Anregung), bin ich momentan gefühlsmäßig eher für die Spielgruppe, da sie weniger Stresspotential für sie bietet. Es fällt mir jedoch so schwer "vorauszuahnen", was unsere Tochter "will", wenn sie 2 Jahre alt ist. Reichen die Sozialkontakte und Anregungen in der Spielgruppe (und auf dem Spielplatz, ...) aus? Wird sie sich ohne Krippe zu sehr langweilen? Danke!
von
Tango
am 03.06.2013, 09:55
Antwort auf:
Kinderkrippe oder Spielgruppe?
Hallo, es ist nicht schwer voraus zu ahnen, was ein 2-jähriges Kind möchte, wenn man die Schritte der Sozialentwicklung des Menschen kennt. Und diese Schritte sind nicht das Postulat einer Betrachtungsweise, die den Menschen in ein bestimmtes System zwängen möchte, sondern das Ergebnis langer Erfahrungen mit der Entwicklungspsychologie des Kindes. Das Kind muss sein eigenständiges Selbst entdecken und auf die engsten Mitmenschen um sich herum abstimmen. Das ist ein schwieriger Prozess, weil verschiedene Interessen, Ansprüche und auch Machtbedürfnisse deiser Personen aufeinander prallen. In dieser Phase profitiert das Kind davon, wenn die Gruppe der Menschen, mit der es sich konfrontiert sieht, einigermaßen überschaubar bleibt, sprich aus wenigen Individuen besteht. Außerdem müssen diese Menschen vertraut und damit berechenbar sein. Nur so kann das Kind sich auf sich selbst und die eigene Entwicklung konzentrieren. Von dieser Kleinen Gruppe darf auch keine Gefahr ausgehen, weil die Angst, die sonst entsteht, ein Killer für die Lern- und Erfahrungsprozesse ist. Gelernt wird dann nur: wie komme ich hier wieder heraus und wie entgehe ich der Gefahr.
Daraus lässt sich ableiten, dass eine kleine Spielgruppe (eigentlich max. 5 Kinder) mit fester Bezugsperson in dieser Entsicklungsphyase immer besser ist als eine große unüberschaubare Gruppe mit mehreren Betreuungspersonen. Außerdem ist die sanfte Ablösung in diese Gruppe die absolute Voraussetzung für einen Stress-freien Übergang. Aber das haben Sie ja auch selbst schon erkannt. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 06.06.2013