Lieber Dr. Posth!
Mein Kind hat ab dem 15.8. einen Kigaplatz. Ich sehe der Eingewöhnung allerdings mit sehr gemischten Gefühlen entgegen, weil meine Kleine (3 Jahre, 3 Monate) eigentlich noch nicht wirklich gern mit anderen Kindern spielt. Oder wenn, dann nur kurz. Sie löst sich gut, wenn sie zu einem Erwachsenen Vertrauen gefasst hat. Bei den Schnuppertagen hat sie sehr geklammert und geweint: "Halt mich ganz, ganz fest, Mama!" Nun werde ich von allen Seiten mächtig unter Druck gesetzt, wie wichtig der Kiga sei und dass das Kind unbedingt lerne müsse, dort zurecht zu kommen. Stimmt das aus Ihrer (entwicklungspsychologischen) Sicht? Warum genau ist der Kiga so wichtig für Kinder? Was lernen sie da? Leider wollen die Erzieherinnen eine harte Ablösung haben, werde mich dagegen aber zur Wehr setzen. Möchte das Kind, wenn sie halt noch nicht soweit ist, noch zuhause lassen. Es soll ihr doch Freude machen, ich will sie zu nichts zwingen. Oder liege ich da so falsch? Ganz liebe Grüße
Mitglied inaktiv - 08.08.2005, 11:23
Antwort auf:
Kiga: wie wichtig?
Hallo, Sie liegen mit Ihren Gefühlen und mit Ihrer Einschätzung als Mutter ganz richtig. Leider herrscht in der üblichen Pädagogik immer noch die Vorstellung vor, die Erwachsenen, Eltern wie Erzieher(innen), bestimmen, wann welcher Entwicklungsschritt beim Kind einzusetzen hat. Diese Ansicht halte ich für rückschrittlich und falsch. Ein Entwicklungsschritt setzt dann beim Kind ein, wenn die Entwicklungsvoraussetzungen dafür vollständig sind. Und das allein bestimmt das Kind. So gibt es Kinder, die schon mit 3 Jahren soweit sind, daß sie problemlos in den Kindergarten gehen, andere erst mit 4 Jahren. Ein nicht kiga-reifes Kind mit harter Ablösung zu zwingen, in den Kindergarten zu gehen, führt unweigerlich zu einem Trauma und zu einem regeressiven Rückschritt beim Kind. Grundsätzlich ist der Kindergarten aber wichtig, denn er stellt die Weichenstellung in der Sozialentwicklung für die Integration in die altersgleiche Gruppe (die besser "altersgemischt" ist). Die Orientierung des Kindes in der Gruppe mit anderen Kindern ist für sein Selbstverständnis, seine Positionierung wie für seine Durchsetzungsfähigkeit von großer Bedeutung und schult es für die folgenden sozialen Schritte im weiteren Leben. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 09.08.2005