Hallo Dr. Posth,
ich habe unter dem Stichwort Induktion schon wertvolle Hinweise gefunden, habe aber noch mal eine konkrete Frage dazu, wie man Kindern beibringt, sich angemessen zu wehren. Mein Sohn ist 4 Jahre alt. Eine Freundin bringt ihrem Sohn bei, dass er nicht als erster hauen soll, aber zurückhauen darf, wenn er angegriffen wird. Sie will keinen „Duckmäuser“ aus ihm machen und möchte, dass er sich auch körperlich zu wehren weiß. Ich finde das falsch und sage meinem Sohn, er soll dem anderen Kind sagen, es solle ihn in Ruhe lassen und aufhören, dann weggehen und notfalls eine Erzieherin oder uns zur Hilfe rufen, wenn das andere Kind die Angriffe nicht lässt. Ist das in Ordnung? Da Gewalt an Schulen zunimmt, möchte ich natürlich nicht, dass er sich gegen aggressive Übergriffe nicht zu wehren weiß und immer einen Erwachsenen braucht, der ihm dann beisteht. Er muss ja auch lernen, mit solchen Situationen umzugehen.
Danke für Ihre Antwort!
Anja
P.S. Ist Ihr Buch im Handel?
Mitglied inaktiv - 30.04.2007, 09:00
Antwort auf:
gegen andere wehren
Stichwort: Moralentwicklung
Liebe Anja, in den siebziger und achtziger jahren des vergangenen Jahrhundert haben viele Eltern ihren Kinder versucht beizubringen, jeden Konflikt untereinander auf friedlichen Weise zu lösen. Das hat nicht dazu geführt, daß sich nun eine Generation von lauter friedliebenden Menschen herausgebildet hat. Aber im Prinzip haben Sie Recht. Bei 4jährigen sollte man schon darauf dringen, die verbale Auseinandersetzung immer vor der brachialen zum Zuge kommen zu lassen. Durch zwei Dinge erreicht man das bei seinen Kindern: erstens durch das elterliche Vorbild und zweitens durch das Tauschgeschäft. Die Induktion als erzieherische Methode setzt ja erst ein, wenn es bereits zur körperlichen Auseinandersetzung gekommen ist. (Aggressive Veranlagung lasse ich hier einmal außen vor).
Das Vorbild ist ein "stiller Übertragungsfaktor" und ein "Lernen am Modell". Alle Eltern sollten an sich selbst überprüfen, ob sie ein ausreichend starkes Vorbild dafür abgeben.
Das Tauschgeschäft ist ein Handlungsablauf, der erst erlernt werden muß, für Kinder dieses Alters aber sehr einsichtig ist. Denn beide Kinder haben einen offenkundigen Vorteil. Nur: nicht immer ist ein Tausch möglich und der Verzicht, der dann gefordert ist, ist ein zu theoretisches, weil rein ideelles Modell. Das Kleinkind kann aber durch eine moralische Aufwertung keinen Selbstgewinn beziehen und empfindet sie wie einen persönlichen Nachteil (übrigens alles Themen meines Buches, das Sie jetzt schon im Waxman- Verlag bestellen können. Internet-Adresse www.waxmann.com und dann unter "demnächst"). Wenn es dann aber zu einem Schlagabtauch unter den Kindern kommt, bleibt nur das beschwichtigende Eingreifen von Eltern und Erziehern und die Trennung der Kampfhähne. Der nachfolgende Vorwurf oder die "Standpauke" verfehlt meistens ihren Zweck, denn jedes Kind wähnt sich unerschütterlich im Recht. Das bedingt der noch alterstypische Egozentrismus. Man wird es also mit leichten Ermahnungen und Belehrungen gut sein lassen müssen. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 01.05.2007