Frage: Kneifen/Zurückkneifen/Wehren im allgemeinen....

Hallo Dr. Posth! Habe mal eine Frage bezüglich des Wehrens beim Ärgern. Meine Tochter (bald drei) und ihre Freundin(einen Monat jünger), spielen häufig zusammen. Nun ist es so, daß die Freundin meiner Tochter, wenn ihr was nicht paßt, meine Tochter kneift und auf den Kopf haut. Meine Tochter weint dann und kommt zu mir. Ganz selten haut sie mal zurück. Ich persönlich finde es auch nicht gut, zurückzuhauen oder zu kneifen. Nun ist mein Mann der Meinung, sie solle zurückkneifen, sonst würde sie sich hinterher auch alles gefallen lassen. Sie ist sehr sensibel, allerdings verteidigt sie mittlerweile auch ihre Spielsachen, was sie vorher auch nicht gemacht hat. Und gibt nicht gerne ab. Wie können wir so einen Konflikt lösen, auch zwischen den beiden kleinen? Ich hoffe, sie verstehen mein Wirrwarr. Vielen Dank im Vorraus Gruß Britta

Mitglied inaktiv - 15.06.2004, 12:22



Antwort auf: Kneifen/Zurückkneifen/Wehren im allgemeinen....

Liebe Britta, das Problem, das Sie schildern, ist ein Typisches aus allen Kinderzimmern in der Welt. Daher muß ich hierauf eine umfassendere Antwort geben. Es geht um den unvermeidlichen, sozial ungemein bedeutsamen Vorgang der menschlichen Rivalität und Konkurrenz(s. mein Langtext, Kapitel 3, link oben rechts). Sich nicht irgendwie spontan auflösende Rivalität erzeugt schon im frühen Kindesalter aggressives Gebaren, je nach Temperament und emotionaler Ausgangslage. Die Wichtigkeit der Elternreaktion besteht nun darin, den Kindern Verhaltensweisen zu übertragen, die auf eine friedliche Beilegung des auslösenden Konfliktes abzielen. Dei Aufforderung, zurückzuschlagen ist der falsche Weg. Er führt nur zur Eskalation, eine fatale Entwicklung, die sich bis in die große Politik und den Zwist unter den Völkern auswirkt. Deeskalation ist auch hier das Grundprinzip. Allerdings muß man sich davon frei machen, in jedem Fall Gerechtigkeit erzielen zu können. Eher ist es so, daß Kompromisse zu finden sind, und daß einmal der eine sich im Vorteil wähnt, ein anders Mal der andere der Streithähne. Da Sie die fremde Mutter für den kleinen Gast sind, müssen Sie Ihre Maßnahmen mit der leiblichen Mutter abstimmen. Da liegt übrigens auch der springende Punkt, denn die Freundin bringt ihre Verhaltensmaßnahmen von zu Hause mit. Das muß nicht heißen, daß dort geschlagen wird, aber es heißt, daß der frühkindliche, aggressive Impuls von den Eltern nicht richtig beantwortet wurde und wird. Auf die Technik, aggressives Verhalten gegen die eigenen Eltern zur Anstiftung von Reue und dem Bedürfnis nach Wiedergutmachung zu nutzen, hatte ich hier im Forum schon mehrfach hingewiesen. D.h., sobald ein Kind mit eineinhalb bis zwei Jahre anfängt Empathie zu entwickeln, also die Fähigkeit, die Gefühlslage im Anderen zu erkennen, nutzt man jede aggressive Attacke im Widerstand und aufkommenden Trotz zu einer Demonstration von eigener Betroffenheit und erlittenem Schmerz, um den Kind die Gelegenheit zu geben, seine Eltern dafür zu trösten. So entsteht Schritt für Schritt das Sozialgefühl der Reue und entwickelt sich das Bedürfnis nach Wiedergutmachung. Auf diesem Weg entsteht mit der Zeit das Fundament für das Gewissen. In Abstimmung mit der leiblichen Mutter machen Sie so etwas ähnliches bei einer Attacke gegen Ihre Tochter und stimulieren das Bedürfnis der angreifenden Freundin, die Unterlegene (Ihre Tochter) zu trösten. So kommt es zur Wiedergutmachung, die von Kindern übrigens immer schnell angenommen wird und bereitwillig mit Verzeihung beantwortet. Im umgekehrten Fall, also einer Attacke Ihrer Tochter gegen die Freundin verfahren Sie natürlich genauso. Es kommt für den Geschädigten also gerade nicht darauf an, Vergeltung zu üben und so den eigenen Stolz wieder zu gewinnen, sondern darauf, den Stolz sich dadurch zu erhalten, daß der andere, der angegriffen (geschlagen) hat, Reue übt und im Trost oder einer anderen guten Geste Wiedergutmachung leistet. Für den Schädiger aber besteht der Lernprozeß darin, daß er sich schämt für seine "Untat" und nur durch diese Abbitte sozial anerkannt bleibt. Darin aber liegt für ihn nun der Erhalt seines Stolzes, den er sich auch unbedingt erhalten will. Andernfalls müßte er vorübergehend soziale Trennung hinnehmen, was sein Schamgefühl erhöhte. Bedenken Sie eins: Hier finden solche emotionalen und sozialen Korrektive natürlich erst auf kleinster Ebene und im absolut Harmlosen statt, aber was hier ohne Gewissensbildung bleibt, kann sich später in viel größeren Dimensionen sozial schädlich auswirken. Über Rache und Vergeltung nämlich seine vermeindliche oder tatsächliche, persönliche Schmach zu regulieren und sich seinen Stolz zu erhalten, das wollen wir unseren Kindern doch nicht anerziehen! Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 17.06.2004



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