Lieber Herr Dr Posth,
Ich habe Ihre Beiträge zum Thema Eifersucht unter Geschwistern gelesen und fühle mich aber noch immer rat- und hilflos! Vielleicht können Sie uns einen Rat geben, wie wir uns verhalten sollen...
Unsere 22 Monate alte Tochter Antonia hat vor 2 Wochen eine kleine Schwester bekommen, und ist seither rasend vor Eifersucht, was wir schon von vornherein befürchtet hatten. Leider äussert sich das darin, dass sie versucht, dem Baby wehzutun, so bald sie es in Reichweite hat. Dabei ist es egal, ob wir dabei sind oder nicht.
Das hat nun dazu geführt, dass mein Mann oder ich die Kleine oft mit uns herumtragen, da sie wirklich keinen Augenblick ohne Bewachung gelassen werden kann, was die Eifersucht natürlich zusätzlich schürt. Lege ich das Baby ins Laufgitter oder die Wiege, fängt unsere Grosse früher oder später an, wild daran zu rütteln und streckt sich, um an ihre Schwester heranzukommen. Allein beim Anblick des Babys (wenn ich es z.B. stille) verzerrt sich Antonias Gesicht und sie fletscht die Zähne... obwohl sie sich grundsätzlich für das kleine Baby interessiert und es wohl ganz faszinierend findet.
Sie hat früher schon gehauen, kleinere Kinder und uns. Bei anderen Kindern haben wir sie zurechtgewiesen und vom Kind eine Weile ferngehalten, wenn wir betroffen waren, wurden wir "ganz traurig, aua aua". Antonia hat dann Küsschen gegeben und sich mit mässiger Überzeugungskraft reumütig gezeigt, aber wir hatten das Gefühl, das "Erziehungsziel Gewissen" erreicht zu haben.
Aber beim Baby zeigt sie keine Reue, wenn wir schimpfen/ermahnen/ruhig die Situation erklären, sondern grinst trotzig! Wir reagieren nun auf ihre Attacken, indem wir schnell das Baby wegtragen, und wenn sie uns haut, dann stehen wir auf und setzen uns woanders hin unter dem Hinweis, dass die Schläge wehtun und wir uns nicht schlagen lassen wollen (wir wollen die Schläge nicht noch mit Aufmerksamkeit belohnen...). Wenn ich "Weinen" simuliere, dann kriegt Antonia nun manchmal offenbar grosse Angst um mich und weint selbst ganz verzweifelt! Finde ich auch nicht gut!!
In letzter Zeit habe ich Antonia öfters, wenn sie ihre Schwester besonders überraschend und heftig gepiesackt hat, sofort in ihr Bett getragen und die Tür zugemacht(schlecht, ich weiss), und sie nach einer Minute etwa "befreit" und fest in den Arm genommen und mein Mantra runtergeleiert, weshalb ich ihr Fehlverhalten nicht hinnehmen kann und dass wir sie doch immer ganz lieb haben...
Bis zur Geburt war Antonia begeistert von Babies und wollte immer welche angucken, im Buch oder woimmer sie welche gesehen hat.
Antonia kriegt seit der Geburt ihrer Schwester übrigens mindestens genausoviel Aufmerksamkeit und Liebe wie vorher, Bücher kucken, Schaukeln gehen, Kuscheln ohne Baby in der NÄhe etc etc, eine Babypuppe hat sie bekommen und ein heissgeliebtes Dreirad "von der kleinen Schwester", aber ich muss mich halt auch ums Baby kümmern. Es ist bisher nichtmal besonders anspruchsvoll! Falls ich mich zum Stillen verstecke, dann merkt Antonia das und sucht mich ganz erschrocken in der ganzen Wohnung, bis sie mich findet, und denkt dann wohl, ich wolle das Baby für mich alleine oder was.
Wie kann ich Antonia aufzeigen, dass ihr Verhalten inakzeptabel ist, ohne dass sie das Gefühl kriegt, dass wir das Baby bevorzugen und sie bloss abstrafen? Soll sie sie überhaupt anfassen dürfen - wir vermeiden das jetzt, weil man eh immer ihre Hand festhalten muss, damit aus dem Streicheln nicht blitzartig ein Kniff wird...? Wie können wir verhindern, dass Antonia dauerhaft eine ungeliebte Konkurrentin in der Schwester sieht, können wir das überhaupt??
Das für mich aufreibendste an der Sache ist, dass ich Antonia ihre Aggressivität wirklich übel nehme, obwohl ich weiss, dass das fehl am Platze ist und sie eher 100% Verständnis braucht.
Entschuldigung, dass es so lang geworden ist!
Vielen Dank im voraus,
Annika + Familie
Mitglied inaktiv - 03.09.2003, 14:24
Antwort auf:
Eifersucht auf kleine Schwester
Liebe Annika, was Sie schildern, ist zunächst einmal ein ganz natürliches Phänomen, das sogar so normal ist, daß es einen eigenen Begriff bekommen hat, "die Entthronung des Erstlings". Aber letztlich werden auch alle weiteren Kinder einmal entthront, bis auf den "Benjamin". Alle Jungen werden durch das erste Mädchen entthront und umgekehrt.
Je selbstsicherer das Kleinkind ist, und das heißt je sicherer der Erstling einmal gebunden war und je mehr positive Gefühle ihn in seiner Säuglingszeit und Kleinkindzeit begleitet haben, desto leichter kann er seine Entthronung hinnehmen und nicht etwa, wie die meisten Menschen behaupten, wenn er schon früh an Härte im Umgang gewöhnt ist.
Daraus ergibt sich auch die Handlungskonsequenz für die Eltern. Je eifersüchtiger sich das ältere Kind erweist, desto mehr mangelt es ihm an, sagen wir- beziehungsmäßiger Absättigung.
D.h. ein solches Kind muß emotional "nachladen". Es braucht verstärkt Zuwendung und "Schmuseeinheiten". Abstrafen ist eher ungünstig, um nicht zu sagen verboten. Außerdem nicht gleich mit der härtesten Maßnahme, der sozialen Trennung! Drohen und Schimpfen genügte. Da man seinen kleinen Säugling ja ohnehin meistens mit sich herumtragen sollte, kann auch nicht viel passieren. Ganz wichtig ist es, daß sich der andere Elternteil, sprich der Vater, besonders stark dem/r Älteren widmet. Sachzuwendungen zählen dabei nicht. Außerdem sollte das ältere Kind in alle! Betätigungen mit dem Säugling einbezogen werden. Also Wickeln, Stillen, Kinderwagen schieben, etc. Manche kleinen Mädchen legen Ihr Geschwisterchen auch einmal probeweise an.
Auf das Gewissen zur Regulation des aggressiven Impulses können Sie in diesem Alter noch nicht bauen. Sie handeln hierfür zwar richtig, aber es braucht noch ein, zwei Jahre, bis das richtig fruchtet. Insofern muß der Säugling ein paar Kneifer und Kratzer aushalten, was er auch tut und mit kurzem Schreien quittiert. Aber wirklichen Schaden nimmt der Säugling nicht. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 05.09.2003
Antwort auf:
Eifersucht auf kleine Schwester
Liebe Annika, was Sie schildern, ist zunächst einmal ein ganz natürliches Phänomen, das sogar so normal ist, daß es einen eigenen Begriff bekommen hat, "die Entthronung des Erstlings". Aber letztlich werden auch alle weiteren Kinder einmal entthront, bis auf den "Benjamin". Alle Jungen werden durch das erste Mädchen entthront und umgekehrt.
Je selbstsicherer das Kleinkind ist, und das heißt je sicherer der Erstling einmal gebunden war und je mehr positive Gefühle ihn in seiner Säuglingszeit und Kleinkindzeit begleitet haben, desto leichter kann er seine Entthronung hinnehmen und nicht etwa, wie die meisten Menschen behaupten, wenn er schon früh an Härte im Umgang gewöhnt ist.
Daraus ergibt sich auch die Handlungskonsequenz für die Eltern. Je eifersüchtiger sich das ältere Kind erweist, desto mehr mangelt es ihm an, sagen wir- beziehungsmäßiger Absättigung.
D.h. ein solches Kind muß emotional "nachladen". Es braucht verstärkt Zuwendung und "Schmuseeinheiten". Abstrafen ist eher ungünstig, um nicht zu sagen verboten. Außerdem nicht gleich mit der härtesten Maßnahme, der sozialen Trennung! Drohen und Schimpfen genügte. Da man seinen kleinen Säugling ja ohnehin meistens mit sich herumtragen sollte, kann auch nicht viel passieren. Ganz wichtig ist es, daß sich der andere Elternteil, sprich der Vater, besonders stark dem/r Älteren widmet. Sachzuwendungen zählen dabei nicht. Außerdem sollte das ältere Kind in alle! Betätigungen mit dem Säugling einbezogen werden. Also Wickeln, Stillen, Kinderwagen schieben, etc. Manche kleinen Mädchen legen Ihr Geschwisterchen auch einmal probeweise an.
Auf das Gewissen zur Regulation des aggressiven Impulses können Sie in diesem Alter noch nicht bauen. Sie handeln hierfür zwar richtig, aber es braucht noch ein, zwei Jahre, bis das richtig fruchtet. Insofern muß der Säugling ein paar Kneifer und Kratzer aushalten, was er auch tut und mit kurzem Schreien quittiert. Aber wirklichen Schaden nimmt der Säugling nicht. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 05.09.2003