Frage im Expertenforum Kochen für Kinder an Dipl. oec. troph. Birgit Neumann:

Selbstständig Essen

Dipl. oec. troph. Birgit Neumann

Dipl. oec. troph. Birgit Neumann
Diplom Ökotrophologin und Ernährungsberaterin

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Frage: Selbstständig Essen

Tschänne

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Liebe Frau Neumann, mein Kleiner ist nun fast 16 Monate alt und isst sehr gerne und probiert viel aus. Ab Herbst besucht er eine Kindereinrichung, gerade bin ich mit ihm noch Zuhause. Nun zu meiner Herausforderung- ich probiere mit ihm seit längerer Zeit das eigenständige Essen mit Besteck. Er bekommt einen Löffel und eine Gabel zur Verfügung und das Essen bereite ich so vor, das es ihm möglich ist es zu "fassen". Momentan ist das Essen- besonders das Mittagessen- aber eher ein "Akt für sich". Er schafft es sich den Löffel zum Mund zu führen- macht noch Drehungen und experimentiert und hat auch unterschiedliche Techniken, was, so denke ich, normal ist?! Was allerdings für ihn eine Herausforderung ist, ist das Essen auf den Löffel zu bekommen. Er kriegt es anfangs hin, allerdings fasst er sein Besteck dann nicht mehr im Faustgriff an, sondern nimmt das Besteck ganz hinten am Ende im anfänglichen Pinzettegriff, was es natürlich enorm schwierig macht etwas zu kriegen. Wenn ich ihm helfen möchte oder ihm zeige, wie es einfacher geht, lässt er meist los und ist dann gefrustet. Soll ich den Prozess "laufen lassen"? Es ihm immer wieder zeigen? Umso weiter das Essen dann voranschreitet, umso matschiger wird die Angelegenheit und gerne wird dann auch wieder die Hand genommen- ist das noch im "normalem" Rahmen oder sagen sie, dass es jetzt mal Zeit wird Richtung gesitteteres Essen? Ich bin unsicher, wahrscheinlich auch, weil die Krippe ansteht und ich ein wenig Angst habe, dass er nicht da abgeholt wird, wo er steht... Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir kleine Tipps geben könnten und danke Ihnen im Voraus! Liebe Grüße, Juliane


Birgit Neumann

Birgit Neumann

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Hallo Tschänne, Juliane ja, lass dein Kind unbedingt weiterhin auch mit den Händen essen, zumal wenn es für ihn einfacher ist und er isst, nachdem er aus eigenem Antrieb versucht hatte mit Besteck zu essen. Mit 16 Monaten seid ihr ohnehin früh dran. Es erfordert sehr viel Geschick von deinem Kind. Und es erfordert auch bestimmte Bewegungsabläufe, um einen voll beladenen Löffel so zum Mund zu führen, dass auch tatsächlich etwas im Mund landen würde. Für Kinder unter 18 M ist das aus anatomischen Gründen der Reifeentwicklung (fast) noch nicht möglich. Sie halten den Löffel darum anders. Evtl klappt es mit der Gabel besser. Piekse was drauf und lass dein Kind die Gabel zum Mund führen. Super zum spielerischen Üben und selbständigen Essen mit dem Löffel geeignet ist: koche Spaghetti sehr weich. Koche eine Sosse, z.B. Tomate. Gib Spaghetti auf den Teller deines Kindes und nimm ein Glas/Becher (ein normaler Becher, in der Größenordnung) in deine Hand. Mit diesem Wekzeug kannst du die Spaghetti auf dem Teller in kleine Stückchen teilen, ohne Messer, ganz easy. Das geht ganz leicht, einfach mit kleinen Drehbewegungen alle Spaghetti in ca 1 cm lange Stückchen teilen. Vermische diese nun mit der Sosse, so dass es mehr Nudeln als Sosse sind. Das lässt sich prima löffeln, weil alles schön aneinanderklebt und doch gut auf den Löffel passt. Eine ganze Mahlzeit nur mit Besteck zu essen, fokussiert und zielgerichtet - da musst und darfst du dich wahrscheinlich noch etwas gedulden. Das Essen lernen mit Besteck dauert. Manche Kinder können es tatsächlich schon früh. Geduld von seiten der Mitwelt ist auf jeden Fall gefragt. Viele Kinder sind erst ab dem 3. Lj wirklich soweit. Richtig gut schaffen es die allermeisten Kinder erst mit 4 Jahren +/-. Du kannst das Essen so anbieten, dass ihr jeweils Kompromisse macht. Nudeln pur sind prima Fingerfood. Eine Suppe als Vorspeise kann vielleicht schon band gelöffelt werden. Nudeln kann man auch gut auf eine Gabel aufpieksen und das Kind müsste "nur" die Gabel zum Mund führen. Besonders anfangs zum Üben gut geeignet. Es könnte aber auch die Nudeln (vielleicht ganz bald) selbst aufpieksen oder diese einfach mit den Fingern essen. Geht auch mit Kartoffeln oder anderen Stückchen, auch Brotstückchen. Ist alles machbar, sofern dein Kind das (jetzt) schon kann und gerne macht. Ein Kartoffelbrei lässt sich vielleicht jetzt bald schon gut löffeln und daneben kannst du ein paar platt gedrükcte Erbsen als Fingerfood dazu legen. Probier das doch mal aus, ob dein Kind das besser löffeln könnte. Der Kartoffelbrei klebt am Löffel fest. Mit 1,5 Jahren jetzt, ist das zwanglose, spielerische und freudige Ausprobieren mit Besteck, (falls auch vom Kind gewollt und ihm soweit möglich ist) und auch das Essen mit den Händen genau richtig. Ihr könnt und dürft und solltet die individuellen Grenzen (an) erkennen und Kompromisse an den richtigen Stellen machen. Der normale Zeitraum zum Essen lernen mit Besteck ist von etwa 1,5 - 4 Jahre. Es ist euer Kind und ihr müsst und dürft so handeln, wie es für euch bzw für dein Kind richtig ist. Ihr dürft euren Sohn fordern und fördern, solltet ihn aber keinesfalls überfordern. Es ist doch super, dass er gerne möchte und es auch hin und wieder bzw am Anfang einer Mahlzeit klappt. Und es ist ganz wunderbar, dass er dann gerne mit den Händen zugreift und isst. * Die meisten Kinder wollen Besteck benutzen, weil die Eltern das tun. Es macht ihnen Spaß damit zu essen. Auch wenn es manchmal nicht ganz reibunglos funktioniert. Es sind erste spielerische Übungen und damit gut und sinnvoll - sofern es dem Kind Freude bereitet. Und das tut es deinem Kind anfangs. Dann lässt das Interesse nach und er will einfach essen. Das Essen mit Besteck ist Kindern erst wirklich dann gut möglich, wenn ihre motorischen Fähigkeiten (fein und grob) gut entwickelt und ausgebildet sind. Wenn die feinmotorischen Fähigkeiten noch nicht gut ausgeprägt sind, dann endet das ganz schnell in Frustration. Beim Essen mit Besteck ist es sehr sinnvoll anfangs noch eine Hilfestellung zu geben. Viele Kinder haben Spaß dabei, die Gabel oder den Löffel zu benutzen. Das Essen kann damit länger dauern und manche Kinder essen ggf weniger. Sinn und Zweck, bzw Kosten und Nutzen deshalb immer gut abwägen. Übt das Aufpieksen oder mit dem Löffel etwas aufnehmen auch spielerisch zu anderen Zeiten und unabhängig von den Mahlzeiten. Es erfordert alles viel Übung und Zeit und eben auch Geschick (Feinmotorik), bis das alles gut klappt. Insofern darf alles über lange Zeiträume geschehen. Fordern, fördern ohne überfordern.... Egal was andere sagen oder verlangen. Du kennst sicherlich den Spruch " Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht". Das kannst du auch auf das Essen mit Besteck im Kleinkindalter übertragen. Schau einfach mal, wie Besteck und insbesondere welche Besteckbauart am besten zu euch passen. Kleine Löffel und Gabeln (nicht zu spitz und nicht zu stumpf) sind für den Anfang gut geeignet. Sie sollen gut in der Hand liegen. Manche Kinderbestecksets sind speziell geformt oder gebogen. Löffel und Gabeln haben einen kurzen, breiten Haltestiel. Manche Gabeln sind rundlicher, gewölbt geformt, mit Knick. Vielleicht kommt dein Kind mit einem anders geformten Löffel(stiel) auf Dauer momentan besser zurecht. Es ist nicht zwingend nötig extra Kinderbesteck zu kaufen. Kann man aber, wenn es so schließelich eben besser klappt - Kinderbesteck (spezielle Bauarten) kann bei manchen Kindern sehr sinnvoll sein. Das müsstet ihr evtl ausprobieren. Das Besteck sollte gut in der Hand liegen, damit es gut benutzt werden kann. Mit dem richtigen Werkzeug klappt manchmal alles tatsächlich besser. Also dann Grüße Birgit N. *Mit den Händen und Fingern zu essen, das darf und sollte weiterhin unbedingt erlaubt sein. Das ist wichtig, damit Kinder die Speisen ganzheitlich und im wahrsten Sinne des Wortes gut be-greifen können. Die ersten sensorischen Eindrücke über die Hände (bspw Wärmesinn, Tastsinn) geben eurem Kind bereits erste Informationen zur Beschaffenheit der Speise. Daraus folgt eine erste Bewertung ob die Speise okay ist. Was sich in den Händen nicht gut anfühlt, das hat kaum Chance in den Mund zu wandern. Was sich in den Händen gut oder ungefährlich anfühlt, das wandert in Richtung Mund, um dort abermals von den Tastrezeptoren an Lippen, Zunge und Mundrraum erspürt und bewertet zu werden. Zusätzlich kann man Besteck als ein weiteres Hilfsmittel zum Essen bereit legen.


Tschänne

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Liebe Frau Neumann, danke für Ihre Nachricht!! Mich hat das jetzt so gefreut zu lesen und mir Leichtigkeit gegeben. Es ist manchmal schwer als Erstmami- weil einerseits sagt einen die Intuition was zu tun ist und meistens ist das auch das genau Richtige. Andererseits wird man mit so viel Fakten und Umweltreizen versorgt, das man dann das eigene intuitive Handeln auf einmal anzweifelt und sich verunsichern lässt! Deswegen wirklich ein ganz großen Dank für die vielen Informationen und auch die Ermutigung unseren Weg zu gehen! Das ist wahrscheinlich ein Lernprozess, den jede Mami durchqueren muss/ darf/ kann... :-) Einen schönen Tag für Sie und liebe Grüße, Juliane.


Birgit Neumann

Birgit Neumann

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Hallo Tschänne, Juliane ja, genau. Grüße


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