Hallo,
gibt es eine Art Auswertung über die Intelligenz von sehr früh geborenen Kindern? Stimmt es, dass viele diese Kinder einen IQ unter 80 haben? Mein Sohn wurde in der 26. Woche geboren, er ist jetzt 16 Monate alt.
Liebe Grüße
von
Barron
am 14.05.2020, 16:55
Antwort auf:
Extremfrühchen weniger intelligent?
Guten Abend,
Die Entwicklung des Nervensystems ist bei Frühgeborenen häufiger als bei Reifgeborenen mit Risiken belastet. Die ist vor allem durch die Unreife des Gehirns und die daraus entstehenden Komplikationen wie Hirnblutung oder Minderversorgung des Hirngewebes und deren Folge, der sogenannten periventrikulären Leukomalazie, bedingt. Die wissenschaftlichen Arbeiten zur Langzeitentwicklung ehemals extrem unreifer Frühgeborener zeigen im Mittelwert, dass Funktionseinschränkungen der Gehirnleistungen (kognitive Fähigkeiten) und der Bewegung (motorische Fähigkeiten) auftreten können. Auch Probleme beim Hören und Sehen sind häufiger. Über die gesamte Gruppe betrachtet, bewegt sich die Häufigkeit der Probleme im zweistelligen Prozentbereich. Die aktuellen Behandlungsbedingungen der neonatologischen Intensivmedizin zentrieren sich alle auf den Schutz des unreifen Gehirns. Auch die Nachsorge über die Sozialpädiatrischen Zentren zielt darauf ab, mögliche Störungen frühzeitig zu erkennen, um Fördermaßnahmen einleiten zu können.
Ihr Sohn ist nun knapp anderthalb Jahre alt, und Sie wurden sicherlich vom behandelnden Ärzteteam der Neonatologie seinerzeit über die Ergebnisse der Ultraschalluntersuchungen des Gehirns Ihres Kindes informiert. Vielleicht waren Sie auch schon zu Nachsorgeuntersuchungen oder Behandlungen. Die Entwicklung, auch jene der Gehirnleistung, lässt sich für kein Kind bereits im Kleinkindalter genau vorhersagen. Sollten allerdings bereits in den ersten Lebenstagen oder -wochen Auffälligkeiten wie eine Hirnblutung oder eine periventrikuläre Leukomalazie aufgetreten sein, ist das Risiko realistisch, dass die intellektuellen Leistungen begrenzt sein können. Dies bedeutet aber nicht, dass ein Kind nicht seinen Weg in eine reguläre Schulbildung, soziale Bindungen, Partnerschaft, einen Beruf, also ein selbständiges, erfülltes Leben, finden kann.
Der berühmte finnische Kinderarzt Arvo Ylppö, selbst ein ehemaliges Frühgeborenes, welcher im hohen Alter von 104 Jahren verstarb, sagte einmal: „Was aus einem Frühchen wird, weiß man mit einiger Sicherheit in hohem Alter…“.
Alles Gute für die Entwicklung Ihres Kindes!
von
PD Dr. med. Axel Hübler
am 14.05.2020