Sehr geehrte Frau Henkes,
meine Tochter (14 Monate) ist ein ausgeglichenes Kind. Sie schläft durch, isst gut und ist ansonsten meist gut drauf. Mein Mann ist selbstständig und viel zu Hause, ich bin ebenfalls in Elternzeit. Sie bekommt von uns sehr viel Aufmerksamkeit, wir spielen mit ihr, unternehmen draußen was, reden und singen. Jetzt haben wir nur das „Problem“, dass sie regelmäßig schreit, wenn es mal nicht nach ihrer Nase geht. Wenn sie was nicht bekommt, brüllt sie. Wenn sie auf etwas keine Lust hat (z.B. in den Supermarkt gehen), brüllt sie. Sogar wenn mein Mann und ich uns miteinander unterhalten wollen, brüllt sie dazwischen, damit die Aufmerksamkeit zu ihr zurückkehrt. Sie meint es nicht böse, wenn wir aufhören zu reden, lächelt sie sofort.
Ich glaube eigentlich nicht, dass man durch viel Aufmerksamkeit ein Kind „verziehen“ kann. Und zu einem gewissen Grad ist ihr Verhalten sicher auch total altersgerecht und normal. Ich frage mich nur, wie ich am besten damit umgehe. Ich habe schon versucht, in so einem Augenblick zu erklären, dass Mama z.B. telefonieren muss. Ich habe versucht, sie mit etwas anderem abzulenken. Ich habe sie sogar ignoriert und einfach weitergeredet. Aber nichts funktioniert! Vielleicht können Sie mir ja einen Tipp geben. In manchen Situationen ist es nämlich wirklich unangenehm und ich möchte nicht, dass sie das noch weiter ausweitet.
Vielen Dank!
von
Sofica
am 26.11.2020, 13:38
Antwort auf:
Schreien aus Unzufriedenheit
Guten Tag,
was Ihre Tochter zeigt ist kein Ringen um Aufmerksamkeit sondern vermutlich geht es hier um erste Autonomiebestrebungen, die in diesem Alter ganz normal sind.
Ihre Tochter spürt, dass sie mit ihrem Geschrei etwas bei Ihnen auslöst und bewirkt und das findet sie sehr gut. Das ist es ja auch nach dem ersten Jahr der völligen Abhängigkeit.
Autonomiestrebungen sind wichtig für die Selbstentwicklung und sollten von Eltern im Rahmen des Möglichen unterstützt werden. Nun geht es aber auch zunehmend um den Umgang mit Grenzen, denn völlige Autonomie würde Ihre Tochter überfordern.
Hier braucht Ihre Tochter Ihre liebevolle Unterstützung. Sie können ihr zeigen, dass Sie Verständnis dafür haben, dass sie z.B. nicht zum Einkaufen will. Aber es muss ja sein. In anderen Situationen können Sie dann wieder auf das Schreien reagieren, indem Sie eine für Ihre Tochter unangenehme Situation vermeiden oder beenden.
Es ist allerdings wirklich zuviel verlangt von Ihrer Tochter, wenn sie Verständnis dafür haben soll, dass Sie telefonieren müssen. Das kann sie einfach noch nicht. So weit ist das Denkvermögen noch nicht entwickelt. Wenn Sie das Telefonieren in Anwesenheit der Tochter nicht vermeiden können, könnte der Vater vielleicht solange mit ihr das Zimmer verlassen.
Ich möchte Ihnen den nebenstehenden Text meines Kollegen über Trotz empfehlen. Er hilft nochmal sehr, das komplexe Geschehen im Kind bei der Autonomieentwicklung zu verstehen. Dann fallen oft auch Reaktionen auf dieses Verhalten leichter.
Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Ingrid Henkes
von
Ingrid Henkes
am 26.11.2020