Liebe Biggi,
das Kind einer Freundin hat laut Kinderarzt eine Neurodermitis, es ist 4 Monate alt und wird voll gestillt. Meine Freundin hat selber eine (sehr leichte) Neurodermitis und hat nun gehört, daß man in diesem Falle nicht stillen sollte, weoil man dadurch die Erkrankung beim Kind begünstigen würde. Stimmt das?
Danke im Voraus,
Inez
Mitglied inaktiv - 16.04.2002, 14:46
Antwort auf:
Neurodermitis und Stillen
?
Liebe Inez,
vor einiger Zeit ging durch die Presse, dass beim Auftreten von Neurodermitis in der Stillzeit abgestillt werden sollte. Leider wurde da mal wieder in großer Aufmachung etwas verbreitet, was angeblich in einer Studie festgestellt wurde und wenn man dann diese Studie liest, dann steht das ganz etwas anderes drin.
Eine Kollegin von mir hat sich ausgiebig damit beschäftigt und hat einen Artikel dazu veröffentlicht, den ich dir hier anhängen werde. Ich denke, dort findest Du die Antwort auf deine Frage gut verständlich und ausführlich erklärt.
LLLiebe Grüße
Biggi
Bei Neurodermitis abstillen?
Von Denise Both, IBCLC
In letzter Zeit kommt es immer wieder zur Verunsicherung stillender Mütter durch die Information, dass beim Auftreten einer Neurodermitis beim gestillten Kind abgestillt werde sollte. Was ist von dieser Aussage zu halten?
Seit im Januar 1999 unter dem Titel „Breast-feeding of allergic infants." eine Arbeit von E. Isolauri, A. Tahvanainen, T. Peltola und T. Arvola vom Department of Pediatrics der University of Turku, Finland (Journal of Pediatrcis 1999; 134:27-32) veröffentlicht worden ist, kommt immer wieder die Behauptung auf, dass beim Auftreten von Neurodermitis beim gestillten Säugling abgestillt werden müsse, da die Muttermilch in diesem Fall mehr schade als nütze. Verständlicherweise sind die Mütter nun verunsichert, steht doch diese Aussage im absoluten Gegensatz zu der bisherigen Empfehlung, gerade bei allergiegefährdeten Kindern mindestens sechs Monate ausschliesslich zu stillen.
Es stimmt, dass es Nahrungsmittelallergene gibt, die in die Muttermilch übertreten und Symptome beim Kind verursachen können. Ganz oben auf der „Hitliste" dieser Allergene steht die Kuhmilch, aber auch Fisch, Zitrusfrüchte, Nüsse und Eier können über die Muttermilch zu Reaktionen beim Kind führen. Deshalb wird in vielen Fällen Müttern von Kindern mit atopischem Ekzem (Neurodermitis) geraten zunächst einmal eine Eliminationsdiät durchzuführen, bei der sie auf die im Verdacht stehenden Nahrungsmittel verzichten und so die Allergenzufuhr über die Muttermilch verringern. In vielen Fällen lässt sich auf diese Weise eine Besserung oder sogar eine Symptomfreiheit erreichen.
Allerdings ist das Einhalten einer strengen Diät nicht für alle Mütter möglich. Durch die Einschränkung des eigenen Speiseplanes ist es nicht selten schwierig, weiterhin eine ausgewogene und vollwertige Ernährung der Mutter zu gewährleisten und manchmal ist die Lebensqualität der Mutter durch die Diät so sehr beeinflusst, dass sie diese Einschränkung nicht weiter hinnehmen kann.
Auch in der Studie von Isolauri et al. wurde zunächst durch eine Diät der Mutter versucht, Einfluss auf die Symptome beim gestillten Kind zu nehmen. Bei einer kleinen Gruppe der untersuchten Kinder konnte jedoch auch durch die allergenarme Ernährung der Mutter keine Besserung erreicht werden. Zusätzlich wurde bei diesen wenigen Kindern eine Einschränkung des Wachstums beobachtet. Die betroffenen Kinder profitierten in der Tat vom Abstillen.
Die Schlussfolgerung der Studie war daher auch NICHT die Empfehlung, generell vom Stillen als Allergieprophylaxe oder beim Auftreten von Neurodermitis abzuraten. Im Gegenteil, das Stillen wird weiterhin als wichtigste Massnahme zur Vorbeugung gegen Allergien betrachtet. Erst wenn auch das Wachstum und die Entwicklung des Kindes betroffen sind, sollte das Abstillen in Betracht gezogen werden.
Zitat:
„Schlussfolgerung: Stillen sollte als erste Vorbeugung gegen Allergien gefördert werden, aber gestillte Säuglinge mit Allergien sollten durch eine Vermeidung von Allergenen behandelt und in manchen Fällen sollte abgestillt werden. Dies bezieht sich speziell auf Säuglinge mit atopischem Ekzem, bei denen zudem das Wachstum eingeschränkt ist."
(„CONCLUSIONS: Breast-feeding should be promoted for primary prevention of allergy, but breast-fed infants with allergy should be treated by allergen avoidance, and in some cases breast-feeding should also be stopped. This particularly applies to infants with atopic eczema who also have impaired growth.")
Von seltenen Ausnahmefällen abgesehen gilt nach wie vor (auch in dieser Studie) „Breast is best".
Ein Abstract der Studie ist unter www.ncbi.nlm.nih.gov/htbin-post/Entrez/query?uid=9880445&form=6&db=m&Dopt=b im Internet zu finden.
von
Biggi Welter
am 17.04.2002
Antwort auf:
Neurodermitis und Stillen
Liebe Inez!
Ich bin zwar keine Medizinerin, aber ich habe Neurodermitis und mich deshalb sehr, sehr gründlich mit dieser Krankheit befasst. Nach allem, was ich gelesen habe, ist das Stillen zur Vorbeugung besonders wichtig. Es wird sogar empfohlen, allergiegefährdete Kinder länger als 6 Monate voll zu stillen, wenn möglich. Neurodermitis ist zwar keine Allergie, wenn das auch immer behauptet wird, aber auch hier gilt: Wenn möglich stillen! Es ist zwar keine Gewähr, dass die Krankheit nicht ausbricht, aber Stillen wirkt sich auf alle Fälle positiv auf den Aufbau des Immunsystems aus und damit auf den Krankheitsverlauf.
Meine Tochter ist fast sieben Monate alt und ich stille voll.
Wer sich über Neurodermitis informieren will: www.dermis.net/neurodermitis - eine hervorragende Homepage der Uni Erlangen.
Viele Grüße
Karin
Mitglied inaktiv - 16.04.2002, 20:51