Darf man ein fremdes Kind stillen?-Eilt

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Darf man ein fremdes Kind stillen?-Eilt

Hallo, meine Freundin hat eine OP vor sich, hat auch seit gestern abgepumpt, aber wohl reicht es noch nicht ganz. Hat mich gebeten, den kleinen rumzutragen, wenn der Papa nicht mehr kann, ist sich aber unsicher, wie es mit Stillen aussieht. Ich weiß auch noch nicht genau, ob das mir das passt, aber wie auch immer wir das entscheiden, "darf man das"? D.h., geht das, wenn die Kinder unterschiedlich alt sind (meine Tochter ist 13 Monate, der Kleine 4 Monate alt). Kann ich das Kind irgendwie anstecken? Oder ist es da vielleicht sicherer, auf andere Nahrung zurückzugreifen (Flasche nimmt er immer tagsüber mitunter, allerdings nur mit Mamamilch). Danke, und viele Grüße Kati

Mitglied inaktiv - 02.01.2002, 14:57



Antwort auf: Darf man ein fremdes Kind stillen?-Eilt

? Liebe Kati, wenn man selbst stillende Mutter ist, liegt natürlich der Gedanke nahe in einer solchen Situation das Kind einfach anzulegen und mit zu stillen. Doch so naheliegend es auch ist, es ist nicht unbedingt empfehlenswert. Das Ammenstillen war in vergangenen Zeiten eine gängige Praxis und hat sicher vielen Babys das Leben gerettet als es noch keine hochwertige künstliche Säuglingsnahrung gab. Auch heute noch listet die WHO gespendete Frauenmilch vor künstlicher Säuglingsnahrung auf, wenn es um die optimale Ernährung eines Babys geht. Doch es gibt einige Dinge, die Du bedenken sollten: Da ist zum einen die Mutter des Kindes. Wie steht sie dazu, dass eine andere Frau ihr Kind stillt? Selbst wenn es vom Kopf her klar ist, dass Du ihr das Kind damit weder entfremden noch wegnehmen willst, wie sieht es mit ihren Gefühlen aus? Es kommt aber auch noch ein medizinischer Aspekt dazu: Es gibt zwar nur wenige Krankheiten, die über die Muttermilch übertragbar sind, doch es gibt bestimmte Risiken. So kann zum Beispiel der Zytomegalie-Virus (CMV) durch das Stillen übertragen werden. Für das eigene voll ausgetragene Baby einer CMV-positiven Mutter ist dies kein Problem, für ein fremdes Baby, dessen Mutter CMV-negativ ist, kann es ein Problem werden. HTLV-I (Human T-Cell-Leucaemia-Virus) ist ein anderer Virus, der in dieser Hinsicht problematisch sein kann, ebenso HIV. Aus diesem Grund wird Spendermilch für ein fremdes Baby in den Milchbanken pasteurisiert. So sehr ich für das Stillen und für die Ernährung eines Kindes mit Muttermilch bin, so sehr solltest Du wirklich abwägen, ob es sinnvoll ist, dass Du das Baby einer anderen Frau stillst. Der Alterabstand der beiden Kinder spielt keine Rolle, es ist möglich unterschiedlich alte Kinder gleichzeitig zu stillen. Eine Op verlangt aber gar nicht zwingend, dass deine Freundin große Mengen Muttermilch sammeln muss. Theoretisch kannst deine Freundin stillen bis unmittelbar vor der OP und auch gleich wieder nach der Operation, sobald Sie wach genug ist, um ihr Kind selbst zu halten. Narkosemittel, Schmerzmittel und was sonst noch erforderlich ist, können so gewählt werden, dass es mit dem Stillen zu vereinbaren ist. Eventuell müssen die Ärzte nachschauen, welche Medikamente für stillenden Mütter geeignet sind oder sie fragen bei Unklarheiten im Institut für Vergiftungserscheinungen und Embryonaltoxikologie in Berlin (Tel.: 030-30686734) nach. Wegen der Narkose zitiere ich dir aus „Arzneiverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit" Schaefer, Spielmann, 6. Auflage 2001: „Andere in der Anästhesie verwendete Mittel Empfehlung für die Praxis: Wenn die Mutter nach einer Narkose wieder in der Lage ist Ihr Kind anzulegen, darf sie stillen. Weder die pharmokinetischen Eigenschaften der im Zusammenhang mit der Narkose heute verwendeten Mittel noch die klinischen Erfahrungen begründen eine zusätzliche Stillpause. Dies gilt auch für die Narkose im Rahmen einer Sectioentbindung, bei der ohnehin der diaplazentar übergehende Anteil an Narkotika gegenüber der geringen Kolostrummenge quantitativ im Vordergrund steht!" Dr. Schaefer (Mitautor des o.g. Buches) hat in mehreren Vorträgen immer wieder darauf hingewiesen, dass die Frau wieder stillen kann, sobald sie das Baby selbst halten kann. Denke daran, dass Frauen nach einem Kaiserschnitt auch stillen können und dürfen. Als nächstes ist deine Freundin auf die Kooperationsbereitschaft des Pflegepersonals und auf die Hilfe durch ihren Mann, ihre Mutter, eine Freundin usw. angewiesen. Da es leider in Deutschland nur in wenigen Kliniken gemacht wird, dass das Baby in einer solchen Situation mit der Mutter mitaufgenommen wird (was das einfachste wäre, sie sollte diese Möglichkeit einfach einmal ansprechen, solange niemand danach fragt, so lange wird es auch in Deutschland nicht populär werden, dass dies eine Möglichkeit ist), brauchst Sie jemanden, der zumindest an dem Tag der OP viel Zeit mit dem Kind bei ihr im Krankenhaus verbringt. Ihr Mann oder sonst jemand, müsste sich um die Versorgung des Kindes kümmern, so dass Sie es lediglich stillen muss. Eventuell wird sie in den ersten Stunden nach und selbstverständlich während der Operation nicht in der Lage sein ihr Kind zu stillen. Diese Zeit muss dann durch abgepumpte Milch (oder wenn diese nicht vorhanden sein sollte, künstliche Säuglingsnahrung überbrückt werden oder Beikost) Wichtig ist, dass sie immer dann, wenn die Brust voll wird und das Baby nicht in der Nähe ist, abpumpt. Je nachdem wie lange die Operation dauert, kann es auch ratsam sein, dass während der Operation abgepumpt wird. Das kann eine Schwester machen. Alles Gut für deine Freundin und eine problemlose OP. LLLiebe Grüße Biggi

von Biggi Welter am 02.01.2002